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Traugott Senns Welt

Traugott Senn (1877–1955) war ein bedeutender Schweizer Landschaftsmaler. Der grosse Ferdinand Hodler beeinflusste anfänglich seine Bildsprache. Nach Hodlers Tod wirkte Senn im Berner Seeland. Sein Grossneffe Martin A. Senn hat ein beachtenswertes Buch über seinen Grossonkel geschrieben, reich illustriert mit Bildern und Fotos des Künstlers.

Traugott Senn gilt als «künstlerischer Entdecker» des Berner Seelands. Während Albert Anker junge, alte, arbeitende, ruhende Menschen in ihrer ländlichen Umgebung malte, konzentrierte sich Senn auf Landschaftsmotive. Wie es sich für einen Maler der damaligen Zeit gehörte, marschierte er jeweils mit Leinwand, Zeichenblock, Staffelei und Malutensilien unter dem Arm durch die Felder und Äcker, auf der Suche nach immer neuen Motiven.

Traugott Senn in seiner Welt. Zu Fuss auf der Suche nach einem malerischen Sujet in der freien Natur. Foto © Paul Senn, 1944 Paul-Senn-Archiv, Kunstmuseum Bern.

Leben und Werk

Traugott Senn wurde 1877 als eines von acht Kindern eines Dorflehrers im Baselbiet geboren. Nach dem Umzug besuchte er in Bern ab 1892 die Sekundarschule und anschliessend die städtische Gewerbeschule, wo er sich zum Dekorationsmaler ausbilden liess. Mit achtzehn Jahren ging er für vier Jahre auf die Walz und arbeitete in verschiedenen Städten Süddeutschlands und der Romandie. Da seine Gesundheit nicht die beste war, musste er seinen Beruf aufgeben und entschloss sich für eine Laufbahn als Kunstmaler.

Von 1901 bis 1903 besuchte er dank finanzieller Unterstützung seiner Eltern die Berner  Kunstgewerbeschule. Ein Stipendium ermöglichte es ihm, von 1903-1904 in Paris im Atélier von Luc-Olivier Merson zu studieren. Hier lernte er Adolf Tièche kennen. Beide kehrten 1904 in die Schweiz zurück, wo sie der Berner Sektion der «Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten» beitraten und später bei der Gründung der Kunsthalle mitwirkten.

Der Einfluss von Ferdinand Hodler ist unverkennbar: Traugott Senns «Thunersee», 1919.

Wie andere Maler auch war Traugott Senn ein Repräsentant der von Ferdinand Hodler geführten «Berner Schule». Häufige Motive seines Schaffens waren schroffe Gebirgszüge, mit Vorliebe die Berner Alpen, Seen, Landschaften in kräftigen Farben, grossflächig gepinselt. Zum ersten Mal stellte Senn seine Werke 1902 an den Turnusausstellungen des Schweizerischen Kunstvereins aus und beteiligte sich in den folgenden Jahren regelmässig im In- und Ausland an Gruppenausstellungen.

Frau im Rosengarten, 1922/23.

1916 heiratete Senn seine Frau Anna und lebte mit der Familie in Ostermundigen, Rubigen und Belp, wo er die Motive fand, die ihm zusagten. Seine eigentliche Heimat fand er 1924 in Ins, im Geburtsort Albert Ankers. Traugott Senn fühlte sich als Seelenverwandter Ankers.

In Ins begann der Ablöseprozess von Hodlers Malstil. An Stelle der urgewaltigen Bergwelt malte er fortan die Schönheiten der Seeländer Natur, Felder, Äcker und Flora, der Jurakette am Horizont. Obwohl er nach und nach zu einem eigenständigen Stil fand, blieb sein monetärer Erfolg in den Krisenjahren bescheiden. Zwar erhielt er ab und zu einen Malauftrag und verkaufte Bilder an Privatpersonen, aber für ein sorgenfreies Leben reichte das Einkommen nicht.

Bauer, vom Felde kommend, 1932.

Wie Autor Martin A. Senn beschreibt, lebte sein Grossonkel mit seiner Familie am Rand des Existenzminimums und musste bei der Begleichung von Steuern und Abgaben mehr als einmal auf die Geduld der Gemeindebehörden zählen. Seinen wirtschaftlichen Nöten zum Trotz war die Schweizer Presse voll des Lobes für die Werke des Landschaftsmalers. NZZ und Bund lobten Senns Zeichnungen in den höchsten Tönen. Die Basler Nachrichten reproduzierten sogar einige Blätter auf einer ihrer seltenen Bildseiten.

Im Besitz der Eidgenossenschaft

Seine Werke wurden in rund 140 Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt und waren ein halbes Jahrhundert lang prägend für die Schweizer Landschaftsmalerei. Senn stellte seine Bilder u. a. in der Kunsthalle Basel, Kunsthalle Bern, im Kunstmuseum Bern, Kunsthaus Zürich, Kunsthaus Glarus sowie in München im Glaspalast aus. Noch heute hängt eines seiner Gemälde am Bundesgericht. General Guisan hatte eine von Senns unverkennbaren Landschaften in seinem Hauptquartier, und auf dem Weg zu ihrem Sitzungszimmer kamen die Bundesräte allwöchentlich an Senns Ausblick auf den Murtensee vorbei.

Winterlandschaft Ins. 1937. Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Foto Primula Bosshard.

In der Öffentlichkeit ist Traugott Senn heute weitgehend vergessen. In seiner Biografie würdigt Martin A. Senn deshalb das Leben und Werk seines Grossonkels neu. 70 Jahre nach seinem Tod zeichnet der Autor, der seinen Verwandten nur aus Museen, Archiven und Zeitungsartikeln kennt, dessen künstlerisches Wirken eindrücklich nach. Das lesenswerte, wunderbar bebilderte Buch zeigt: Der Maler mit dem mächtigen Bart war nicht nur ein grosser Künstler, sondern auch ein ebenso demütiger wie bescheidener Mensch.

Seeländer Landschaft, 1947.

Traugott Senns Augenmerk galt dem Malen, ganz nach Max Webers Erkenntnis: «Wir kennen keinen grossen Künstler, der je etwas anderes getan hätte, als seiner Sache und nur ihr zu dienen.» Biograf Martin A. Senn schreibt: «Zwar fehlt seiner Landschaftsmalerei jegliche Heroisierung der Heimat, die der eine oder andere patriotische Kulturpolitiker wohl gerne gesehen hätte. Aber wer seine Bilder betrachtet, spürt darin eine tiefe Ehrlichkeit, das aufrichtige Bemühen, den Menschen die Augen zu öffnen für die Schönheiten seiner Welt, des Seelands und des Grosses Mooses.»

Martin A. Senn an der Buchvernissage: «Nach der Lektüre eines Zeitungsartikels von Carl Albert Loosli über meinen Grossonkel war es höchste Zeit nachzuholen, was Loosli nicht mehr schaffte: ein Buch über Traugott Senn zu schreiben.» Foto PS.

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Der Autor

Martin A. Senn (geb. 1958), Journalist und Historiker, aufgewachsen in Bern, lebt und arbeitet als freiberuflicher Publizist in Chur. Zuvor war er Redaktor, Autor und Kolumnist in verschiedenen Schweizer Printmedien. Seinen 1955 verstorbenen Grossonkel Traugott Senn kennt er nur vom Hörensagen – und von einem Ölbild der Aare, unter das er als Bub nie sitzen wollte aus Angst, das Flusswasser stürze auf ihn herunter. Heute weiss er: Man kann sich Traugott Senn auch nähern, ohne nass zu werden.

Titelbild: Traugott Senn als Jungmaler: Selbstbildnis in Emmentaler Landschaft, 1907. Kunstsammlung der Stadt Biel. M0020. Alle Fotos aus dem Buch.

Traugott Senn – Maler seiner Welt, Martin A. Senn, Weber Verlag, 2025, ISBN 978-3-03818-661-8

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