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«Es war eine gute Zeit»

Martha Brönnimann erzählt im zweiten Teil ihres Lebensberichts, wie sie mit ihrem Mann in Afrika und später in Mexiko Entwicklungshilfe leistete, mit 50 einen Neuanfang in der Schweiz suchte und wie sie ihre Jugendliebe wieder gefunden hat.

«Aus meiner ersten lockeren Freundschaft mit Hans ist seinerzeit nichts Festes geworden. Heute sagt er:‚Du hast mir ja einen Korb gegeben!’ Aber so habe ich es nicht in Erinnerung. Er selbst war zutiefst mit wichtigen neuen Aufgaben beschäftigt: Zum Beispiel mit dem Aufbau einer Bauernsiedlung. Er hatte inzwischen einen Leiterkurs an der Landwirtschaftlichen Schule absolviert. Auch hatte er geerbt und konnte für das Projekt Land kaufen. Viele Bauern waren damals bestrebt, der immer enger werdenden Dorfgemeinschaft zu entkommen und einen neuen landwirtschaftlichen Betrieb ausserhalb des Dorfes aufzubauen. Hans ist noch heute stolz darauf, einen für die damalige Zeit sehr modernen Boxenlaufstall gebaut zu haben.

Martha in Dakar in den 70er Jahren

Meinen späteren Mann Otto habe ich in den späten Sechzigern in einem Internat für verhaltensauffällige Jugendliche, wo ich ebenfalls schaffte, kennengelernt und geheiratet. Er war Sozialarbeiter und hatte vor, für die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) nach Afrika zu gehen. So landeten wir 1972 im südlichen Senegal. Wir hatten den Auftrag, in Zusammenarbeit mit einheimischen Sozialarbeitern eine landwirtschaftliche Schule für um die 80 Jugendliche aufzubauen. Das Ziel war, diesen Jugendlichen eine Chance für ihre berufliche Zukunft zu geben, indem sie moderne landwirtschaftliche Methoden erlernen. Otto war ausgebildeter Landwirt, hatte eine Handelsschule und die Schule für soziale Arbeit absolviert. Ich brachte Erfahrung aus meiner Arbeit in verschiedenen Jugendheimen mit.

Nach sieben Jahren hatten wir einen zweiten Einsatz – diesmal für die SOS-Kinderdörfer International. Unsere Aufgabe war, ein halbfertiges Kinderdorf in Dakar fertigzustellen. Wir stellten einheimisches Personal an, rekrutierten Kinder und Mütter für zehn Häuser und bauten ein Jugendhaus für männliche Jugendliche. Auch eine Schule kam später dazu. Unsere Familie – wir hatten inzwischen selbst zwei Söhne – waren in die Gemeinschaft integriert. Präsident des Senegal war zu jener Zeit Léopold Sédar Senghor, der sich als Dichter und Politiker weltweit Anerkennung und Respekt verschafft hatte. Es war eine gute Zeit!

SOS Kinderdorf in Dakar, Senegal

Insgesamt 14 Jahre habe ich in Afrika gelebt. Danach ging mein Mann nach Mexiko und ich habe ihn auch dorthin begleitet. Nach einem Erdbeben haben wir in Mexiko ein SOS-Kinderdorf errichtet. Unser jüngerer Sohn kam mit und besuchte in Mexico-City die Schweizer Schule. Der Ältere begann inzwischen in der Schweiz eine Lehre.

Seit 1990 bin ich wieder in der Schweiz. Mein Mann konnte sich nicht mehr entschliessen, wieder hier zu leben. Wir sind geschieden; er lebt jetzt mit einer neuen Partnerin in Costa Rica.

Wie sich mein Neuanfang zurück in der Schweiz mit 50 Lebensjahren gestalten sollte, war mir zunächst unklar. Wo könnte ich wieder arbeiten? Ich galt ja offiziell als ‘Hausfrau’. Also machte ich als Erstes einen Rotkreuz-Pflegehelferinnen-Kurs und die Ausbildung zur Haushaltleiterin. Mit den beiden Zeugnissen bewarb ich mich in einem Altersheim, legte aber noch sämtliche weiteren Zeugnisse bei, die ich gesammelt hatte. Und bingo! Aufgrund meiner vielfältigen Erfahrungen wurde mir in dem Altersheim gleich die gesamte Hauswirtschaft übertragen.

Hans und Martha haben sich wiedergefunden und geniessen das Reisen.

Inzwischen bin ich 85. Und ich habe nach 35 Jahren Hans wiedergefunden! Er war auch verheiratet und ist inzwischen verwitwet. Wir wohnen nicht zusammen, denn wir sind zwei Alpha-Tiere. Das käme nicht gut. Aber wir sehen uns häufig und haben miteinander schon viele Ausflüge und Car-Reisen gemacht: Nach Südtirol, Sizilien, Kroatien, Istrien, Bremerhaven, Rügen, Norwegen, Irland – alles Reisen, die wir – jeder für sich – vermutlich kaum je unternommen hätten.

Im Rückblick auf mein langes Leben bin ich zufrieden und glücklich über die vielen Erfahrungen, die ich machen durfte. So habe ich erlebt, dass man seine Ziele auf verschiedenen Wegen erreichen kann. Damit das gelingt, ist es wichtig, offen zu bleiben und auf andere Menschen zuzugehen.»

Titelbild: Martha Brönnimann
Fotos: © Christine Kaiser und zvg
SOS-Kinderdörfer internatinal

Hier geht es zu Teil 1 der Lebensgeschichte von Martha auf Seniorweb 

 

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