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An dieser Malerei stimmt alles

Das Museum Haus Konstruktiv stellt das künstlerische Werk der 1925 in Beirut geborenen Dichterin und Malerin Etel Adnan aus

Spontan sagte ein bekannter Schweizer Künstler bei der Vernissage im Haus Konstruktiv vor den kleinformatigen Bildern der grossen Etel Adnan: „An dieser Malerei stimmt alles!“ Farbflächen mit dem Spachtel nebeneinandergesetzt evozieren Stimmungen, man kann es abstrakte Malerei nennen, oder auch von stilisierten Landschaften sprechen.

Ohne Titel, 2010. Courtesy die Künstlerin und Sfeir-Semler Gallery Hamburg / Beirut

Aber das sind Theorien, die der Autodidaktin Adnan ziemlich egal sind. Sie selber wählte den Titel ihrer Ausstellung im Haus Konstruktiv: La joie de vivre – Lebensfreude heisst sie nun. Das war bei einem der Besuche, die Museumsdirektorin Sabine Schaschl in Paris machte, wo die über 90jährige Weltenbürgerin mit Wurzeln in der Levante heute lebt. Dabei wurde diese erste Museumsausstellung in der Schweiz geplant und vorbereitet.

Malerin und Dichterin – die Kosmopolitin Etel Adnan

Etel Adnan, begann Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts zu malen, nachdem sie in Paris und Berkeley Philosophie und Kunsttheorie studiert hatte und in einem College diese Fächer unterrichtete: eine Kollegin ermunterte sie, weil eine Kunst-Dozentin auch praktische Erfahrung haben müsse. Nun hängen im grossen hellen Raum des Museums chronologisch geordnet kleinformatige Bilder, die das Werk Adnans von den Anfängen bis heute dokumentieren. Es geht hier nicht um Geometrie oder Konstruktivismus, die Bilder sind Töne und Licht dargestellt mit Farbflächen. Immer wieder malt sie den Berg Tamalpais, so wie Hokusai lebenslang seinen Fuji oder Cézanne seinen Mont Sainte-Victoire malten. Den Tamalpais sah sie während all der Jahre, die sie in Kalifornien lebte, täglich von ihrem Haus aus, er war eine ihrer grossen Lieben, ihr Geliebter, wie wenn er ein Mensch wäre. In ihrem Buch Reise zum Mount Tamalpais sind Aquarelle des Bergs mit einem meditativen Text vereint. „Man könnte meinen, die Natur zu lieben sei harmlos, aber keine Liebe ist harmlos. Sie kann die ganze Existenz gefährden,“ schrieb sie in den Notizen zur Documenta ’13, wo die weltbekannte Dichterin quasi über Nacht als Malerin neu entdeckt wurde.


Leporello New York, 1990. Courtesy die Künstlerin und Sfeir-Semler Gallery Hamburg / Beirut

Etel Adnan ist geboren und aufgewachsen im Libanon als Tochter von Exilierten, einer Griechin aus Smyrna (heute Izmir) und eines Syrers, der als Offizier der türkischen Armee nach dem Zusammenbruch des osmanischen Reichs arbeitslos wurde, sie durchlief französische Bildungsinstitutionen, Arabisch war damals verboten. Aber sie schwamm im Meer, als das Mädchen noch nicht durften. Sie kann mehrere Sprachen, lernte auch Arabisch, dessen Schriftzeichen sie mit anderen Bildzeichen in ihren Papier-Arbeiten verwendet wie ein chinesischer Kalligraph. Wenn sie malt, benutzt sie den Spachtel, setzt Farbfläche neben Farbfläche, korrigiert nie und zieht die kleinen Formate vor, weil sie ein Bild in einem Zug fertigstellen will. Auf manchen Bildern sind Sonnen – rote, gelbe, blaue Kreise oder Quadrate.Immer wieder taucht rot auf, ein kleines Quadrat, ein Kreis, eine energetische Aufladung. Etel Adnan findet beim Malen Ruhe und Frieden, das Schreiben tut weh und das Leben ist schmerzhaft. Sie leidet seit Jahrzehnten unter rheumatischen Schmerzen, sie leidet an einer Welt der Verwüstung und Grausamkeit, der sie ihr Schreiben entgegenhält. Noch immer spielt das Trauma des Bürgerkriegs im Libanon in ihrem Leben eine Rolle, fliesst in ihre Dichtungen und Essays.

Ohne Titel, 1983-86. Courtesy the artist and Sfeir-Semler Gallery Hamburg / Beirut

Nach Jahren in Paris und Kalifornien zog sie 1972 nach Beirut, wurde Kulturredaktorin und hoch geschätzte Starkolumnistin der französischen Tagespresse. Dann, am 13. April 1975 explodiert der Hass der Clans und der Bürgerkrieg beginnt. Bald wird ihr klar, dieser Krieg endet nie. So sind ihre direkte Reaktion auf das Gemetzel, die 59 Gedichte mit dem Titel Arabische Apokalypse und der Roman Sitt Marie Rose erschreckend aktuell. In Sitt Marie Rosethematisiert Adnan den brutalen Mord an einer syrischen Lehrerin, die von christlichen Milizen, vormals ihre Freunde, zur Verräterin gemacht wird. Heftig, verstörend, fast unerträglich sind die Gedichte der Arabischen Apokalypse, ihr Widerstand mit Worten und Bildzeichen gegen das schreckliche Gemetzel im zuvor so lebensfrohen Beirut.

Etel Adnan: Arabische Apokalypse. Suhrkamp Verlag Berlin 2012

Rund 150 Werke, Bilder, Arbeiten auf Papier, darunter ein aquarellierter Leporello übers Matterhorn (entstanden aufgrund von Postkarten mit Absender Schaschl, Tapisserien in leuchtenden Farben, kleine Filme und neue Gedichte, letztere im Katalog zu lesen, sind für die Zürcher Ausstellung zusammengekommen. Etel Adnans Malerei passt nicht wirklich in den Zürcher Tempel der konstruktiven und konkreten Kunst. Die Formen sind nicht konstruiert, die Farben würden einen strenggläubigen Konkreten schaudern machen. Hat Sabine Schaschl Widerstände überwinden müssen? – Lakonisch äussert sie bei der Vernissage, man sei nicht die konkrete Polizei. Recht hat sie, denn es ist doch wunderbar, dass es ihr gelang, diese grosse, weltbekannte Künstlerin und leidenschaftlich für Kunst, Frauen und ein anderes Arabien engagierte Aktivistin erstmals in einer Schweizer Institution zu zeigen.

bis 31. Januar

Nähere Angaben zu den Ausstellungen im Museum Haus Konstruktiv: Neben Etel Adnan gibt es eine grosse Ausstellung zum Aargauer Bildhauer Peter Hächler (1922-1999) und zur Gewinnerin des Zurich Art Price Latifa Echakhch

Der Katalog mit neuen Gedichten von Etel Adnan und einem grossen Interview kostet 39 Franken
Etel Adnans Bücher in deutscher Übersetzung sind im Nautilus-Verlag und im Suhrkamp-Verlag erschienen.
Homepage von Etel Adnan (englisch)

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