Tyyfelsbrigg

Komische Gestalten machen das Urserental UR unsicher. Es zischt und dröhnt. Lichtblitze spiegeln sich am harten, giftigen Gotthardmassiv. Der Teufel ist los.

Während die Automobilisten gelangweilt durch den 16 Kilometer langen Gotthardstrassentunnel fahren, ist in Andermatt der Teufel los.

Es zischt und dröhnt, Lichtblitze spiegeln sich am harten Gotthardmassiv. Auf Teufel komm raus baut der leibhaftige Teufel die Teufelsbrücke erneut über die Reuss. Die „Tyyfelsbrigg“, ein Freilichtspiel von Gisela Widmer, aufgeführt im Kasernenareal, bewegte die Gemüter im Urschnertal.

Wer kennt sie nicht, die Sage vom Bau der Teufelsbrücke in der Schöllenen? Wer hat nicht schon bei der Fahrt ins Tessin den Kindern oder Grosskindern den Teufelsstein gezeigt und – zum wiederholten Mal – die Geschichte erzählt, wie der von den Urschnern ins Bockshorn gejagte Teufel mit diesem gewaltigen Felsbrocken sein Werk zerstören wollte?  Diese Geschichte bildet den Hintergrund des Freilichtspektakels. Doch die Autorin Gisela Widmer dramatisiert nicht einfach den altbekannten Sagenstoff. Sie spannt in ihrer «Tyyfelsbrigg» den Bogen bis in die Gegenwart und wirft hochaktuelle Fragen auf.

Heute ist uns die Furcht vor dem Teufel abhanden gekommen. Ob es ihn überhaut gibt? Eine solche Frage hätte bis vor kurzem nur ein müdes Kopfschütteln erwirkt. Zumindest in Uri.

„Wie sieht der Teufel eigentlich aus? So häufig der Teufel in den Urner Sagen auftritt, über seine Gestalt erfahren wir so gut wie gar nichts. Ist er gross oder klein? Schwarz oder rot? Offenbar trägt er Hörner, einen Bocksbart und einen Schwanz. Und auch der Bocksfuss zeichnet ihn aus“ wird im Programmheft  erklärt.

Vor der  Premiere auf die Thematik im grossen Festzelt angesprochen, erklärt Gisela Widmer:“Ich habe Monate lang unzählige Bücher gelesen und bin zum Schluss gekommen, dass es das Böse ist, was den Teufel auszeichnet.“

Zusammen mit dem Regisseur Livio Andreina und der Ausstatterin Anna Maria Glaudemans brüteten sie monatelang, teils im abgeschiedenen Häuschen im Verzascatal, über Fragen, wie:  War wirklich die ganze Dorfgemeinschaft für den Brückenbau, für den Fortschritt? Wen hätte die Dorfgemeinschaft geopfert, wenn nicht einer auf die Idee mit dem Ziegenbock gekommen wäre? Liess sich der Teufel wirklich so leicht überlisten?

Gisela Widmer:“Gleich am Anfang des Freilichtspiels erzählen wir die ganze Sage, machen «Theater im Theater». Danach erzählen wir die Geschichte noch einmal; trennen die Dorfgemeinschaft in Bewahrer und Fortschrittliche. Es kommt zu Animositäten, zu Zerreissproben. Der Teufel verführt auf Teufel komm raus. Es wird abgestimmt. Und klar ist: Am Schluss wird kein Ziegenbock die Dorfgemeinschaft aus ihrem Dilemma retten. Ein Ziegenbock hat keine Seele. Aber wessen Seele soll die Dorfgemeinschaft dann opfern?“

Und dann taucht er schliesslich doch auf, der Teufel in verschiedenen Variationen, gespielt vom einzigen Berufsschauspieler des 120 Personen  fassenden Ensembles, Manuel Kühne. Einmal trägt er den nachgebildeten Teufelsstein zu Brücke, ein andermal – und hier schlägt Gisela Widmer den Bogen zur darauffolgenden  Zeit – fährt er mit der Kutsche, später in einem rassigen Sportwagen, einem Oldtimer und einem Kleinlastwagen vor und bezirzt die argwöhnischen  Bürgerinnen und Bürger.

Der Pöbel in teils phantasievollen Kostümen gekleidet zaudert, streitet sich, gibt nach und verlangt schliesslich, dass der Teufel die Brücke baut. Die Szenen sind professionell vom  Theater- und Fernsehbeleuchter  Martin Brun ausgeleuchtet. Die Beschallung kommt von den Effekttechniker Olivier Purtschert und Thomas Annen. Der Sänger Bruno Amstad ist für die orchestrale Klangwelten zuständig und der Choreograf Lukas Schmocker studierte die Sagengestalten und die Dorfgemeinschaft ein.Und dann noch dies: Ohne Armee ging es nicht.  Der Kletterturm der Schweizer Armee musste mit Hilfe von Pressluft abmontiert werden, um das Bühnenbild zu vervollständigen. Einige Szenen finden auf dem Areal des Kleinkaliberstandes statt.

 

 

 

 

 

 

 

Die einzigen Wehrmutstropfen: Die phantastische Theaterkulisse kommt erst zur Geltung, wenn es eindunkelt. Und wenn man mit den öffentlichen Verkehrsmittel anreist, muss man in Andermatt übernachten, weil nach der Vorstellung kein Zug mehr fährt.Träger der Freilichtspiele Andermatt ist das «kultur forum andermatt gotthard (kfag)».

Gisela Widmer

schrieb ihr erstes grosses Theaterstück als knapp 25-jährige, war dann 16 Jahre lang Auslandskorrespondentin u.a. für Radio SRF in Delhi und London, schrieb parallel dazu viel beachtete Kolumnen u. a. für «Das Magazin» des Tages- Anzeigers sowie «Zytlupe» für die gleichnamige Satiresendung von SRF. 2001 kehrte sie nach Luzern zurück und arbeitet seither als Theaterautorin für Profi- und Laienbühnen sowie als Kolumnistin und Dozentin im MAZ.

 Bilder: Josef Ritler

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