Und was daraus zu entnehmen ist
Deutschland hat gewählt. Die Schweiz hat abgestimmt. Viele haben mit Spannung die Resultate erwartet, haben Stunden am TV verbracht, haben immer wieder das Smartphone, das ePhone, den ePad konsultiert, wie es immer mehr tun. Ich habe den Nachmittag auf der Redaktion „Tages-Anzeiger Online“ verbracht, habe laufend die Ergebnisse kommentiert.
Mit Argusaugen hat die Redaktion auf die Zahlen der Nutzer geachtet, die auf grossen elektronischen Tafeln pro Beitrag zu erkennen sind. Und das Ergebnis: Sobald die Resultate sich zu stabilisieren begannen, sanken die Nutzerzahlen bei der entsprechenden Vorlage ganz deutlich. Den weitaus grössten Wert erreichte die Live-Berichterstattung über die Vorlage für ein neues Fussballstadion in Zürich. Eine Vorlage, die mit 50,8 Prozent von den Stadtzürchern abgelehnt worden ist. Den Ausschlag gaben die vornehmen bürgerlichen Kreise 7 und 8, Seefeld und Zürichberg, die mit 53,4 Prozent nein stimmten. Fussball ist am Zürichberg eben weniger populär als in den eher sogenannt normalen Kreisen.
Und die Schweiz: einmal Nein, zweimal Ja, das das Ergebnis. Nein zur Initiative zur Abschaffung der Wehrpflicht, Ja zum neuen Epidemiengesetz, Ja zur Liberalisierung der Öffnungszeiten bei Tankstellenshops. Die drei eidgenössischen Abstimmungsvorlagen wurden aber überlagert von kantonalen und städtischen Wahlen sowie Abstimmungen.
Zürich fieberte während zwei Stunden auf das Ergebnis um das geplante Fussballstadion hin. 50,8 Prozent der Stadtzürcher Stimmberechtigten wollten nicht, was der internationalen Stadt Zürich gut anstehen würde: eine wirkliche gute Arena, in der auch international Fussball gespielt werden könnte oder gar erst dadurch ermöglicht würde.
Dass mit den Nein auch die geplanten Wohnungen nicht gebaut werden können, ist eine Nebenerscheinung, die in der Stadt noch einiges bewegen und zu reden geben wird. Warum wurden die beiden Projekte aneinander gekoppelt? Warum können nun nicht auf dem ganzen Gelände Wohnungen gebaut werden? Das Land ist von der CS an die Stadt verkauft worden mit der Auflage, dass darauf zwingend eine Fussball-Arena entsteht.
Im Fokus standen heute auch zwei Stadtpräsidenten-Wahlen; in Grenchen und in Aarau. Beide bedeuten eine Zäsur, beide werden die politische Auguren bewegen, zu Analysen herausfordern. In Grenchen wurde der SP-Sonnenkönig Boris Banga im zweiten Wahlgang vom Thron gestossen. Er muss nach 22 Jahren seinem ehemaligen Untergebenen und ehemaligen Stadtschreiber, dem FDP-Mann François Scheidegger, weichen.
In Aarau eroberte eine SP-Frau das Präsidium im bürgerlichen Kanton Aargau. Jolanda Urech schlug ihren Gegenkandidaten, den FDP-Mann Lukas Pfisterer, mit rund 600 Stimmen Vorsprung. Überraschend ist, dass Jolanda Urech lediglich als Ersatzkandidatin startete, weil die von der SP zuerst nominierte Lotty Fehlmann Stark erkrankte und auf eine Kandidatur verzichten musste. Ihr Vorgänger, der FDP-Mann Marcel Guignard, regierte während 28 Jahren die Stadt Aarau.
Aus diesen Resultaten wird ersichtlich, dass die Schweizer Stimmberechtigten immer genauer hinschauen, wen sie wählen, wen sie für ein politisches Amt als geeigneter halten. Und sie haben auch bei den drei eidgenössischen Vorlagen gewertet, haben entschieden. Bei der Armee besteht bei der Wehrpflicht ganz eindeutig Klarheit, beim Epidemiengesetz wissen nun die Behörden, was sie vorzukehren haben, und die Betreiber der Tankstellen-Shops können nun offen ihre Produkte während 24 Stunden anbieten.
Und in Deutschland: Angela Merkel hat überzeugend gewonnen, was zu erwarten war. Doch ihr Sieg ist derart eindeutig, dass sie nun auswählen kann, mit wem sie regieren will, mit der SPD in einer grossen, mit den Grünen in einer neuen Koalition. Allem Anschein nach schafft es die FDP nicht, in den Bundestag zu kommen. Deutschland steht also vor schwierigen Koalitionsverhandlungen. Sie können Wochen dauern. Denn wer will im Schatten einer überragenden Frau mitregieren und dabei immer im Schatten einer Kanzlerin zu stehen, die noch mächtiger geworden ist?