Realismus und Imagination: Im Kunstmuseum Bern werden zahlreiche Werke der beiden Künstler gezeigt.
Durch günstige Umstände gelangten zwei Werkgruppen neu in die Sammlung des Berner Kunstmuseums, nämlich ungefähr 120 Tierplastiken von August Gaul (1869-1921) und rund 80 Gemälde von Martin Lauterburg (1891-1973).
Willkommener Anlass des Museums, mit dieser Ausstellung ein Segment der beginnenden Moderne in Malerei und Plastik zu zeigen. Zwei so verschiedene Persönlichkeiten stellen auch verschiedene Aspekte einer Zukunft der darstellenden Kunst auf, wie sie heute besteht und sich immer weiter entwickelt.
Das Tier – von monumentaler Statik zum Standbild aus der Bewegung
«Stehender junger Elefant» (1916-1917) nennt sich die 123 cm hohe Plastik im Eingangsbereich der Ausstellung (Bild links). Er hat seine eigene Geschichte; man erfährt sie im Ausstellungsführer. Nicht nur dieser Geschichte wegen kann er zum Liebling von Betrachtern werden. Denn, schaut man ihn eindringlich an, offenbart er, nicht zuletzt dank seiner Grösse, was an den Tierplastiken von August Gaul so lebensnah wirkt. Es ist, als sei die Bewegung des Tiers eingefangen, als sei, gleich dem Standbild einer Filmsequenz, eine starre Episode aus einem lebendigen, bewegten Ablauf festgehalten. Die Augen sind leer, dennoch schaut der junge Elefant in seine Welt, als sei sie sein wirkliches Lebensumfeld.
Bei den kleineren Tierplastiken Gauls erfasst man dieses Phänomen auch, doch mit einem Blick, man überschaut es als Ganzes. Seien es Pelikane, Strausse, Bären oder Fischotter, alle diese Figuren sind gleichsam aus der Bewegung heraus gestaltet. Es liegt ebenso an der geschickten Anordnung der Einzeltiere, an deren Gruppierung, die den Eindruck von Bewegung und Leben noch verstärkt und rhythmisch ansprechende Szenen schafft. (Kuratoren: Magdalena Schindler, Matthias Frehner)
Man möchte gleich eine oder die andere der Figuren heim nehmen! Angetan ist man von der spannenden Gegenbewegung der beiden Strausse im Bild links (Laufender Strauss, 1900; Der Strauss, 1902); der laufende links zeigt als Beispiel besonders schön, wie naturnah und fein in den Einzelheiten Gauls Plastiken gearbeitet sind.
Eselsreiterin (1913) und Eselsreiter (1912, beide im Titelbild) verbinden Mensch und Tier in vornehmer Haltung zu Einheiten, die wiederum als Gruppe eine gedachte Umwelt in ihre tatsächliche Einzeldarstellung einbezieht.
Geranien und Traumwelten
Martin Lauterburg, der im Bern der Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts einem Senior von heute kein Unbekannter sein wird, scheint in seinem künstlerischen Schaffen zwischen zwei inneren Welten zu stehen. Vielleicht, so denkt man beim Betrachten seiner Motive und Bildinhalte, ist es für ihn nie leicht gewesen, diese beiden Räume miteinander in Einklang zu bringen.
„Geranienmaler“ hat man ihn in frühen Jahren genannt. Fern von reinem Naturalismus, und doch genau beobachtet und gemalt sind seine Lieblingsblumen. Dennoch, in Beziehung zu anderen Motiven und Inhalten gesetzt, spricht aus manchen Geranienbildern eine feinsinnig empfundene Unvereinbarkeit von Tag und Traum, von Realität und Imagination.
Martin Lauterburg links: Der Maler (1928) rechts: Der Atelierreiter I (1924/25)
In den expressionistischen Werken, Abbildungen von Träumen gleich, besticht – neben der beeindruckenden Komposition – die Fülle von Einzelheiten, die sich nur beim vertieften Betrachten ganz erschliessen. Immer wieder sind es Masken; Fratzen manchmal, leere Rüstungen und Kleider, symbolisch eingesetzte Gegenstände. Zentral – nicht immer im Aufbau der Bilder, doch unübersehbar im geschilderten Erlebnisraum – ist die Gestalt des Künstlers, unverkennbar in den Gesichtszügen, wenn auch manchmal leicht verfremdet. Auf dem Bild links (Der Maler) scheint er zu träumen, von den ikonografischen Requisiten bedrängt. Im Bild rechts (Der Atelierreiter I) ist er der Lenker der – seiner? – Geschicke, jedoch in einer bedrängend überladenen Zauberlehrlings-Atmosphäre.
Es ist, als wollte Martin Lauterburg in manchem seiner Bilder etwas verhüllen, verbergen, malt er doch häufig wie „aus dem Dunkel heraus“, ohne die „Innenwelt“ der Bilder zu entschleiern, die er im Dunkel verbirgt. Mögen da Wurzeln in die Struktur seiner Persönlichkeit oder in Geheimnisse seines Lebens führen oder nicht, es wirkt so oder so stark auf den Betrachter und regt zum Nachdenken an.
Die Ausstellung der beiden Sammlungen ist im Kunstmuseum Bern noch bis 11. Januar 2015 zu sehen. Das Rahmenprogramm enthält unter anderem auch öffentliche Führungen.
Alle Bilder: © Kunstmuseum Bern