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Bei den wilden Österreichern

Der Zeichner und Autor Sebastian Lörscher verfasste das „Graphic Theatre“ A BISSERL WEITER GEHT’S IMMER!

Kennen Sie Österreicherwitze? Wussten Sie, dass die Österreicher selbst bessere Witze kennen? Sebastian Lörscher hat beim Zeichnen etliche aufgeschnappt, als er Mit dem Skizzenbuch durch das Wilde Österreich reiste. Beispiel gefällig?

Das grafische Österreicher Theater ist eins der schönsten Bücher des Jahres – einmal als Edition Büchergilde (links), einmal für Mitglieder der Büchergilde Gutenberg 

Anderl mit Bierflasche sagt zum Zeichner: „Uns Tirolern fehlt a Gen. Des Heim-Gen.“ Das ganze Tiroler Stammtisch-Gespräch im Gauxerstadl bei Wirtin Ulli ist wie ein Theaterstück mit Auf- und Abgängen notiert, die Dialoge wörtlich, so wie die Bauern eben redeten, als der Zeichner dabei sass und die Runde in sein Skizzenbuch übertrug. Oder die intellektuelle Variante beim Bücher-Ernst in seinem Wiener Antiquariat: Stammkunde Walter (über Lörschers Porträtzeichnung sagt er: „Mit Verlaub, Sie haben ein Borstentier aus mir gemacht“) zitiert folgenden Spruch: „Die Kunst der Österreicher war es, aus Hitler einen Deutschen zu machen und aus Beethoven einen Österreicher.“

«Junger Mann mit Skizzenbuch» gezeichnet von Sebastian Lörtscher steht anstelle des üblichen Autorenfotos über der Kurzbiographie   

Comic-Bücher gibt es spätestens seit Wilhelm Busch, Graphic Novels, gezeichnete Romane sind beliebt, aber nun macht einer mit Graphic Nonfiction Furore. Sebastian Lörscher wurde 1985 in Paris geboren, wuchs in Bayern auf und lebt heute in Berlin, wo er als Autor, Zeichner und Illustrator arbeitet. Er war seit je unermüdlich am zeichnen und ist als neugieriger Reisender gern mit Skizzenbüchern und einem ganzen Arsenal von Stiften und Pinseln unterwegs.

Doppelseite aus «Making Friends in Bangalore»

Statt die Kamera zu zücken und etwas zu notieren, wie es Touristen oder Reporter tun, nimmt er sich Zeit und zeichnet, was er sieht und erlebt:“Ich setze mich einfach auf die Strasse und beginne zu zeichnen. Da bleiben die Leute stehen und fragen, was ich mache.“ So kommt er ins Gespräch, wird eingeladen, findet Freunde – auch dort, wo weder englisch noch französisch weiterhelfen.

Doppelseite aus dem Buch «Haïti Chéri»: der Hahnenkampf

Beispielsweise in Bangalore, der boomenden IT-Stadt, von der Lörscher die Graphic Journey Making Friends in Bangalore mitgebracht hat, oder in Haiti, wo er in der Absicht zu helfen, nach dem grossen Erdbeben hinreiste. Das Ergebnis sind beeindruckend informative Reportagen in Bild und Text, immer wieder mit so komischen Szenen durchsetzt, dass die Leserin laut lacht.

Es war die Sprache der Österreicher, die ihn reizte, seine dritte Reisereportage ins Nachbarland zu unternehmen, sagt er. Ausserdem wollte er für einmal eine Gesellschaft nicht als weisshäutiger Exot erkunden.

Den Charme der 50er Jahre und täglich den besten Apfelstrudel: das gibt es im Café Prückel am Stubenring in Wien

Nach seinem dreimonatigen Streifzug durch das Alpenland war ihm ein wesentlicher Unterschied zwischen Deutschen und Österreichern aufgegangen: die Österreicher sind gelassener, schauen, „ob es sich ausgeht oder nicht“, die Deutschen kümmern sich aktiv um den Erfolg einer Angelegenheit. Und die Schweizer?

Beim Pfarr-Flohmarkt ist für 50 Cents fast alles zu haben – und die Sprüche obendrein

Seine Begegnungen in Wiener Kaffeehäusern, mit der Stammkundschaft am Würstelstand oder mit philosophierenden Bauern und steirischen Originalen können es mit jedem literarischen Reisebericht aufnehmen. Grossartig, wie sich Illustrationen und Texte ergänzen. Während sich die mit leichtem Stift hingeworfenen Skizzen und die Farbzeichnungen, die alle vor Ort entstanden, sogleich erschliessen, geht das Textelesen ohne Glossar nicht: wer weiss denn schon, was ein Sandler ist, oder was sudern bedeuten. Lörscher ist mittlerweile Experte, wenn es ums Österreichische geht, er spricht auch wienerisch – fast akzentfrei.

Der Bauer am Stammtisch schlägt dem zeichnenden «Piefke» die Bildlegende zu seinem Konterfei vor

Hier mein Tipp: Das Graphic Theatre von Sebastian Lörscher ist für hiesige Alpenlandbewohner ein liebevoll-prägnanter Einblick in eine fremdartig-vertraute Welt. Vorteil für Schweizer: wir lesen leichter als etwa ein Rheinländer oder ein Friese. Kurz: unbedingt schenken!

Alle Bilder © bei Sebastian Lörscher und Büchergilde Gutenberg sowie Cambourakis (für die französische Ausgabe von Making Friends in Bangalore)

Sebastian Lörscher: A bisserl weiter geht’s immer. Edition Büchergilde 2015.
ISBN 978-3-86406-053-3 (Für Mitglieder der Büchergilde Gutenberg: Bestellnr.: 167875)

Sebastian Lörscher: Making Friends in Bangalore.Editions Cambourakis, Paris 2015 
ISBN : 9782366241686 
(die deutsche Ausgabe ist vergriffen)

Haïti Chéri kann als handgebundenes Exemplar mit Originalzeichnung beim Autor bestellt werden

Die Redaktion Seniorweb veröffentlicht bis Weihnachten in loser Folge Geschenktipps (Bücher, CDs, DVDs).

Links zu bereits erschienenen Geschenktipps:

Der Tod auf dem Apfelbaum
Franz schwimmt den Rhein hinunter
Lesen und Basteln für Kinder von heute

 

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