StartseiteMagazinKulturLustvoller Parcours durchs Haus Konstruktiv

Lustvoller Parcours durchs Haus Konstruktiv

Die gross angelegte Guppenausstellung Konkrete Gegenwart – Jetzt ist auch ein bisschen gestern und morgen gibt einen Überblick über die Gegenwartskunst.

Die Ausstellung ist als Parcours eingerichtet und die Objekte müssen den Vergleich mit dem kunsthistorischen Erbe des 20. Jahrhunderts nicht scheuen. Alle Räume auf den vier Geschossen werden neu bespielt mit Werken von 34 Künstlerinnen und Künstlern aus dem In- und Ausland. Sie geben eine facettenreiche und lebendige Momentaufnahme, wie die Ideen und Errungenschaften der konstruktiven, konkreten und konzeptionellen Kunst des 20. Jahrhunderts heute aufgenommen und weiterentwickelt wird.

Die Ausstellung strahlt Frische und Lebendigkeit aus. Zahlreiche Materialien sind zweckentfremdet und lustvoll verarbeitet, aus Wörtern werden Bilder, aus Kugelschreibertinte glänzende Oberflächen. Gesellschaftliche Themen werden reflektiert und künstlerisch umgesetzt. Installationen erweitern und verzaubern die Räume. Die Experimentierfreude ist spürbar und lässt immer wieder staunen.

SUPERFLEX, Copy Right (White version), 2006. Courtesy der Künstler und Nils Staerk, Kopenhagen. ©2019, ProLitteris, Zürich

Betritt man den ersten Raum wähnt man sich in einem Vortragssaal. Weisse Stühle stehen ordentlich aufgereiht neben- und hintereinander, aber sie laden nicht zum Sitzen ein. Denn die Sitzflächen und der Boden sind verunreinigt. Die Installation heisst Copy Rightund wurde vom dänischen Kollektiv freischaffender Künstler-Designer-Aktivisten Superflexentwickelt.

Die kommerziell hergestellten Stühle sind vereinfachte Imitationen des Designerstuhls Die Ameise des Dänen Arne Jacobsen von 1952. Superflex brachte die Stühle in die originale Form und transformierte so die legalen Repliken in illegale, nicht autorisierte „Jacobsen Ameisen-Stühle“. Um den ganzen Prozess zu dokumentieren, liessen sie das dabei entstandene Sägemehl und die Holzabfälle zurück. Mit dieser Aktion will Superflexspielerisch auf die willkürliche Auslegung des Copyrights hinweisen.

Im Treppenschacht des Durchgangs fällt die Installation von Esther Stocker (*1974) auf, die sich vom untersten bis zum obersten Geschoss hochzieht. Die Künstlerin befestigte ohne mathematische Planung unterschiedlich lange, schwarze Holzleisten intuitiv an die Wand, die nun dem Treppenhaus eine poetisch luftige Note verleihen.

Michael Riedel, Besuchte und nicht besuchte Ausstellungen (Einladungen 2005 – 2016), 2016. Courtesy der Künstler und Gabriele Senn Galerie, Wien

Im ersten Stock erinnert die Wandmalerei mit geknickten Mustern von Clare Goodwin(*1973) an abstrahierte Vorhänge. Die gegenüberliegende Wand ist überzogen mit schwarzweissen Plakaten und Druckbögen, die der Konzeptkünstler Michael Riedel(*1972) aus zwei seiner selbstgestalteten Kunstkatalogen herausgetrennt hat. Als Selbstporträt seines Schaffens präsentiert er zusätzlich die intakten Kataloge in einer Vitrine.

Ein Stockwerk höher überrascht der deutsch-iranische Künstler Timo Nasseri (*1972) mit einem besonderen Spiegelkabinett. Er erinnert sich der Kuppeln von Moscheen, deren geometrische Muster im Raum reflektieren und überträgt diese Vision in seine Raumgestaltung. Aus vier dreieckigen Grundformen konstruiert er zahlreiche geometrische Strukturelemente aus Acrylspiegeln, jedes Element mit einem eigenen Fluchtpunkt. Das führt dazu, dass man sich darin nicht spiegeln kann. Dafür leuchtet der ganze Spiegelraum fast überirdisch und erzeugt eine sakrale Atmosphäre. Nasseri versucht, wie der Titel verrät, die west-östlichen Kulturen auf sinnliche Weise zusammenzubringen.

Timo Nasseri, Florenz-Bagdad, 2016. Courtesy der Künstler und Sfeir-Semler Gallery Beirut/Hamburg. ©2019, ProLitteris, Zürich

Das bevorzugte Arbeitsmaterial von Herbert Hinteregger (*1970) ist der Kugelschreiber. Mit diesem Massenprodukt gestaltet er nicht nur Gemälde, sondern auch raumfüllende Installationen. In der Ausstellung kleben 8000 transparente Kugelschreiber mit leeren Patronen kreuz und quer an der Wand. Auf der gegenüberliegenden Seite werden auf schwarzen Panels seine Streifenbilder Too close for comfort, 2019 gezeigt – und die Herstellung der satten dunkelglänzenden Streifen ist auch gar nicht „komfortabel“: Um sein Malmaterial zu gewinnen, muss der Künstler den Inhalt von 2500 Kugelschreiberpatronen abtropfen lassen.

Das dunkle Streifenmuster seiner Gemälde hat er mit dieser Kugelschreibertinte aufgemalt. Für hellere Streifen oder Linien dazwischen benutzt er weissen oder grauen Fluss- oder Meeressand. Herbert Hintereggers Arbeiten entstehen in einem entschleunigten Prozess und zeichnen sich durch Reduktion der Formensprache sowie durch Konzentration auf minimale Grundmaterialien aus.

Ein witziges Projekt Evidently Collapsed, 2013 stammt von Lara Favaretto (*1973). Als italienische Plastikerin und Installationskünstlerin schickte sie dem Haus Konstruktiv 400 Kilo orangefarbene Konfetti sowie Holzbretter für die Form. Die Museumsleute pressten und stampften nach der beigefügten Anleitung – ihrem Konzept – die Konfetti in die kubische Holzform. Der verfestigte Konfettikubus mit lockeren Konfetti rundherum lässt den Betrachter schmunzeln. Die Arbeit entspricht völlig der Konzeptkunst, bei der es in erster Linie um die Idee geht und die Ausführung anderen überlassen wird.

Diango Hernández (*1970) aus Kuba, arbeitet seit 2003 in Düsseldorf. In Erinnerung an die ausufernden Reden Fidel Castros entwickelte er eine neue visuelle Ausdrucksform. Er transformiert die akustische Beschallung in Wellen und erschafft ein „Wellenalphabet“. Die Wellen als inhaltlich umgesetzt Buchstaben verselbständigen sich und schallen so über die Bildfläche zurück.

Es wären noch viele Werke zu nennen, etwa die in ein weissgrundiertes Leinwandbild eingefügte gebrauchte weisse Malerhose der Schweizer Künstlerin Karin Schwarzbek(*1969). Oder das luftige Mobile Mobilize, 2017 mit schwebenden Blättern aus thermogeformtem Acryl von Otto Berchem (*1967) & Amalia Pica (*1978). Das Thema „Mobilisieren“ wiederholt sich bei Otto Berchem: Auf historischen Aufnahmen demonstrierender Menschen übermalt der Künstler die Transparente zu monochromen Flächen. Und der Betrachter erkennt die Demonstration als politisches Statement, das Wofür oder Wogegen bleibt offen.

Reproduction photos of This Secret World Exists in Rampa Gallery. 

Otto Berchem, Is This Democracy, 2013. Courtesy der Künstler und Instituto de Visión

Die Ausstellung zeigt, dass die zeitgenössischen Künstler die Vorstellungen ihrer Vorgänger durchaus nachvollziehen. Nicht unbedingt im engen Sinne, aber übertragen auf unsere Zeit und mit unseren Mitteln kann das Erbe der Väter des vorigen Jahrhunderts durchaus in ihren Werken entdeckt werden.

Bis 5. Mai 2019

Weitere Angaben zur Ausstellung finden Sie hier

Katalog mit Texten (d/e) von Max Glauner, Adam Jasper, Sabine Schaschl, Sabine Maria Schmidt, Wolfgang Ullrich und Margit Weinberg Staber sowie zahlreichen Werkabbildungen und Ausstellungsansichten.

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