StartseiteMagazinGesellschaftSchon wieder: parteipolitischer Missbrauch des Rütli

Schon wieder: parteipolitischer Missbrauch des Rütli

Da ist doch kürzlich Herr Albert Rösti, Präsident der SVP, mit einigen Getreuen und einem eifrigen Tross von Medienschaffenden, von der Schiffstation hinauf zur Rütliwiese spaziert. Wahlkampfauftakt ohne Bewilligung auf dem Rütli; die Medien machen mit.

Vor acht Jahren, unter der Führung von Toni Brunner, hielt die Führungscrew der SVP, „zufällig“, wie es hiess, und begleitet von Medien, auf dem Rütli einen unbewilligten Rapport ab. Als damaliger Geschäftsleiter der SGG bezeichnete ich das Verhalten der SVP als widerrechtlich, als unanständig und füge heute nach dieser Wiederholung hinzu, auch zutiefst unschweizerisch. Ausgerechnet die SVP!

Als die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft 1859 das Rütli kaufte, 12 Jahre nach dem Sonderbundkrieg, elf Jahre nach der Gründung des Bundesstaates, schenkte sie es mittels einer Schenkungsurkunde „als unveräusserliches Nationaleigentum“ dem noch jungen Bundesstaat. Das war ein gewichtiger Akt der Versöhnung einerseits und der Bildung einer schweizerischen Identität andererseits.

Ein Akt der Versöhnung, weil liberale aufgeschlossene Kräfte wie die SGG das Rütli, Symbol der alten Eidgenossenschaft und damit der Sonderbundkantone, zum Symbol der modernen Schweiz machten. So ist es kein Zufall, dass aus den beiden Kantonen der Romandie, Neuenburg und Genf überdurchschnittlich viele Spenden verzeichnet werden durften. Während Jahrzehnten verteilte die SGG an alle Abschlussklassen den sogenannten Rütlistich: ein Bild, dass die jungen Menschen an ihre schweizerische Identität erinnerte. Die für den Kauf nicht verwendeten Gelder reichten noch fast hundert Jahre für den Unterhalt. Erst nach dem 2. Weltkrieg musste der Bund für den Unterhalt seines Eigentums selbst aufkommen.

Es ist wahr, in der Geschichte der letzten 160 Jahre Rütli gab es immer wieder Versuche von partikulären Gruppen, welche das Rütli mit seinem Mythos für sich zu vereinnahmen versuchten. Umso wichtiger ist es, dass die SGG das verhindert.

Ausgerechnet den linken „Grütlivereinen“, eine Art frühe Gewerkschaften, kann man das nicht vorwerfen. Einige von ihnen haben sich an der damaligen Sammlung der SGG mit nennenswerten Summen für den Rütlikauf beteiligt.

Hingegen haben die Versuche von rechts, das Rütli für sich zu vereinnahmen, Tradition. 1917 haben deutsche Kriegsinternierte, eine unbewilligte, germanophil-präfaschistische Veranstaltung durchgeführt und keinen Widerspruch darin gefunden, dass sie gleichzeitig drei schwörenden Eidgenossen und den Kaiser als ihren Führer hochleben liessen.

Ebenfalls bezeugt ist, dass frontistische Offiziere der Schweizer Armee sich mehrmals auf dem Rütli trafen, auch um die Möglichkeiten einer Instrumentalisierung des Rütli für einen frontistischen Staat zu prüfen. General Guisans Rütlirapport war so verstanden ein wichtiges Zeichen an die Mehrheit der Armeeangehörigen und an die Schweizerinnen und Schweizer, dass sich die Schweiz das Rütli nicht nehmen lassen will.

Rechtskatholische und evangelikale Kreise, vereint unter dem Banner gegen Schwangerschaftsabbruch, gegen ein gleichberechtigtes Familienrecht, unter der Führung von Christoph Blocher, für eine wortgetreue Auslegung der Bibel, wollten immer wieder Veranstaltungen auf dem Rütli durchführen. So fragte mich die Schifffahrtsgesellschaft und die Kapo Uri vor etwa 25 Jahren tatsächlich einmal an, ob die SGG die Erlaubnis für eine Nacht des Gebetes gegeben habe. Meine Antwort, dass die SGG keine Gebete verbieten wolle, überzeugte nur teilweise.

Schliesslich erinnere ich an die Versuche von Neonazis, Rechtsextremen, oder, wie sie sich selbst nennen, „die wahren Patrioten“, welche zwischen 1997 und 2006 versuchten, die Bundesfeier der SGG am 1. August auf dem Rütli zu stören. 2003 teilte mir Bernhard Schaub, Holocaustleugner, mit, dass sie bald die Mehrheit sein werden und wir dann nichts mehr zu sagen hätten.

Als dann 2005 Bundespräsident Samuel Schmid, von seiner eigenen Partei als „Halber Bundesrat“ gescholten, von etwa 750 Neonazi und Rechtsradikalen regelrecht niedergeschrien wurde, war  es genug. Die SGG entschied, die Freiheit des Zugangs zur Bundesfeier einzuschränken, ein Anmeldesystem einzuführen und beauftragte mich, Leuten, von denen man annehmen musste, dass sie sich unanständig verhalten werden, keinen Zutritt zu gewähren. Da haben wir es wieder, dieses Wort „unanständig“.

Übrigens, Toni Brunner hat der SGG 2011 einen Brief geschrieben, den man, mit einigem guten Willen, als Entschuldigung durchgehen lassen konnte. Ich zweifle, ob Herr Rösti nur schon diese Souveränität hat. Es wäre schön, wenn ich mich irren würde.

Ja, es ist schade, dass sich die SVP, die Partei der Bundesräte Minger, Wahlen und Ogi, sich in diese Reihe von Missbrauchern des Rütli stellt.

Wieso sollen sich die Leute der PNOS an der Bundesfeier anständig verhalten, wenn die grossen Tenöre der grössten Partei der Schweiz sich offenbar um Anstand, Regeln und Ordnung foutieren. Offenbar denken die Spitzen der SVP nicht über die gesellschaftlichen Konsequenzen ihres Handelns nach und orientieren sich, wie gierige Investoren in der Wirtschaft, lediglich am kurzfristigen Gewinn an Wählern.

Der Mythos Rütli, unabhängig von der Frage, ob dort jemals ein Bund geschworen wurde, lebt davon, dass das Rütli Symbol der ganzen Schweiz ist, des Zusammenlebens aller Menschen in der Schweiz, deren Vielfalt, deren Willen zur demokratischen Auseinandersetzung und Konfliktlösung und dem Verständnis der gemeinsamen wunderschönen Heimat. Diese Schönheit unseres Landes spiegelt sich in der Landschaft Rütli, selbst Königin Viktoria hat sie gemalt.

Danken wir der SGG und deren Rütlidelegation, dass sie das Rütli von politischen, kommerziellen, ideologischen oder weltanschaulichen Vereinnahmungen bewahrt. Nur so kann das Rütli auch für künftige Generationen als Symbol unseres Landes erhalten bleiben.

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