Alles wird gut

Fundierte Informationen, die durch Journalisten mit wissenschaftlichem Hintergrund eingehend recherchiert wurden, sind in der Corona-Krise sehr gefragt und bitter nötig. Dass diese Arbeit hart ist und ihren verdienten Preis hat, wird gerne vergessen. Wirtschaftsjournalist Beat Glogger bringt uns in seinem Aufruf näher, was es heisst, Wissenschaftsjournalismus zu betreiben und diesen auch langfristig zu finanzieren.

Die Corona Krise bringt für den Journalismus eine schizophrene Si­tuation. Einerseits sind wir gefor­dert, wie selten zuvor. Und das Inte­resse des Publikums an News und Hintergründen ist riesengross. So erreichen zum Beispiel die Zuschau­erzahlen der Tagesschau am Schwei­zer Fernsehen SRF historische Re­korde. An vielen Abenden haben sich weit über eine Million Personen zugeschaltet. Rund doppelt so viel wie in normalen Zeiten. Und auch kleinere Medien, wie das Wissens­magazin higgs.ch profitieren. Die Zugriffe auf die Website sind um Faktor drei gestiegen.

Die Welt dürstet nach verlässlichen Informationen in unsicheren Zeiten. In Zeiten wo auch Fake News florie­ren. Gewisse Desinformations-Vi­deos erreichen Klickzahlen von über zwei Millionen. So zum Beispiel jene des pensionierten Lungenarztes Wolfgang Wodarg, der die Gefähr­lichkeit des Sars-CoV-2-Virus leug­net.

Auch um solchen Strömungen Ge­gensteuer zu geben, sind zurzeit Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten nötig und gefordert. Von uns erwartet man neben den täglichen Zahlen für Infizierte und Tote verlässliche Informationen über Hintergründe. Informationen, die dem Publikum erlauben, die Ge­schehnisse einzuordnen und der Be­drohung mit Rationalität zu begeg­nen – um nicht in Panik auszubrechen. Soweit so gut. End­lich wird Wissenschaftsjournalis­mus wieder geschätzt.

Doch auch diese Medaille hat eine Kehrseite. Die Medien geraten durch die Corona-Krise unter wirt­schaftlichen Druck wie kaum je zu­vor. Wenn niemand mehr mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs ist, liest niemand mehr die Pendler Zei­tung «20 Minuten». Wenn die loka­len Coiffeursalons und Fahrradlä­den geschlossen haben, schalten sie keine Anzeigen mehr in der Lokal-und Regionalzeitung. Die Folge: sämtliche grossen Medienunterneh­men der Schweiz haben Kurzarbeit angemeldet. Und absurderweise werden Sparmassnahmen sogar in jenen Ressorts durchgedrückt, die jetzt gerade wichtig wären. So hat zum Beispiel der Tagesanzeiger seine Wissenschaft Redaktion auf­gehoben und in eine Redaktion na­mens Gesellschaft integriert.

Wissenschaftsberichterstattung wird vom Publikum geschätzt, fällt aber den Marktbedingungen zum Opfer. Auch unser Online-Wissens­magazin ist unter Druck. Infolge Geldmangels mussten wir bereits per Anfang dieses Jahres zwei Redaktionsstellen abbauen. Das ent­spricht einer Schrumpfung um 50 Prozent. Und die verbleibenden Re­daktorinnen und Redaktore ar­beiten jetzt praktisch rund um die Uhr, um das Informationsbedürfnis des Publikums (zur Erinnerung: wir haben dreimal so viele Besucher auf der Website wie zuvor) zu befriedi­gen. In der Not haben wir bei den Schweizer Akademien um Unterstützung nachgefragt. Die Idee war, dass wir eine tägliche Berichterstattung aufbauen, um auch dem Publikum, das sich ausserhalb von NZZ, Tagesanzeiger und SRF informiert, mit verlässlichen wissenschaftli­chen Informationen zur aktuellen Pandemie zu versor­gen. Ein Vorhaben, das unsere Ressourcen bei weitem übersteigt, mit einer Kofinanzierung aber zu leisten wäre. Die Akademien haben das Anliegen geprüft, die Antwort war klar: Man sehe zurzeit keine Notwendig­keit für eine Unterstützung.

Wir haben das Angebot trotzdem aufgebaut. Zusam­men mit dem Sender Radio eins produzieren wir nun seit über einem Monat einen täglichen Podcast von rund 20 Minuten Länge. Und wir arbeiten gegenwärtig weit über unserem Pensum und oft auch weit über unseren Kräften. Aber wieder zeigt sich: unsere Arbeit wird ge­schätzt. Aber bezahlen will dafür niemand.

Was bleibt zum Schluss? Vielerorts hört man jetzt, die Zeit nach Corona wird nicht so sein wie die Zeit vor Co­rona. Wir werden hygienischer leben, mehr Abstand halten, mehr Home-Office machen, mehr Videokonfe­renz abhalten, weniger lange Reisen unternehmen. Das wird unserer Work-Life-Balance guttun, das Klima und die Ressourcen schonen. Alles wird gut, sagen Zu­kunftsforscher und Philosophinnen. Ich hoffe es, und hätte dennoch einen zusätzlichen Wunsch: dass nicht nur die Hochachtung für den Wissenschaftsjournalis­mus bestehen bleibt, sondern dass dann auch irgendwer bereit sein wird, dafür zu bezahlen.


Der Wissenschaftsjournalist Beat Glogger, Ehrendoktor der Universität Zürich, ist Gründer und Chefredaktor des Magazins für Wissen higgs.ch

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