Das Theater an der Effingerstrasse gehört in Bern zu den etablierten Häusern. Wie versucht die Theaterleiterin, ein jüngeres Publikum für ihr Angebot zu interessieren? Wie sieht der neue Spielplan aus? Seniorweb sprach mit Christiane Wagner.
Seniorweb. Derzeit ist Sommerpause. Sind Sie mit der vergangenen Spielzeit 2023/24 zufrieden?
Christiane Wagner. Ja. Wir können auf interessante Höhepunkte zurückblicken. Ich finde, wir haben eine gute Mischung gefunden, für ältere und für jüngere Theaterinteressierte. Das Publikums-Highlight war Dürrenmatts «Der Besuch der alten Dame», inszeniert von Markus Keller. Sehr gut aufgenommen wurde auch die Uraufführung von «Der vergessene Prozess» von Gornaya, in dem es um den Berner Anwalt Georg Brunschwig und seinen juristischen Kampf gegen den Antisemitismus in der Schweiz geht.
Wie bringen Sie jüngere Leute in Ihr Theater?
Es ist immer eine schöne Herausforderung, ein Stück zu finden, das generationenübergreifend funktioniert. Nach Silvester zeigen wir ein Stück, das jeweils von zahlreichen Schulklassen tagsüber besucht wird. Bei diesem und allen anderen Produktionen bieten wir Nachgespräche an. Dadurch kommen wir mit Lehrkräften und Jugendlichen ins Gespräch. Wir sind zwar ein kleines Haus, aber wir bieten immer Nachgespräche und Stückeinführungen an, die vorab angemeldet werden können.
Worauf dürfen wir uns in der neuen Spielzeit freuen?
Wir lancieren ein neues Format: Mit den Stücken «Gentleman über Bord» und «Eine besondere Strasse» wenden wir uns gezielt an sogenannte «Kultursingles», an Menschen, die aus welchen Gründen auch immer allein ins Theater gehen. Singles sind eine Stunde vor Beginn der Vorstellung zu einem kleinen Apéro eingeladen. An der Bar haben sie Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen, ihr Theaterinteresse mit anderen Singles zu diskutieren und anschliessend gemeinsam die Vorstellung zu besuchen. Mit dabei sind immer auch Theaterschaffende aus unserem Haus.
Wie kommen Sie auf diese Idee?
Wer Theater macht, muss Menschen lieben. Ich finde eine soziale Komponente im Theater sehr wichtig. Wenn wir uns auf die Fahne schreiben, das gemeinsame Theatererlebnis zu fördern, dann ist es nur logisch, wenn wir den Austausch unter Singles erleichtern. Vielleicht bringen wir so auch den einen oder anderen «Kulturmuffel» ins Theater. Wir sind jedenfalls überzeugt, dass ein moderierter «Kultursingle-Stammtisch» einem Bedürfnis entspricht.
Auf welche Stücke dürfen wir uns ab Ende August freuen?
Gleich im ersten Stück geht es um ein brennendes Thema: Wie funktioniert Erinnerung am Ende des Lebens? Es geht um Trauerbewältigung und künstliche Intelligenz. «Marjorie Prime» ist ein ganz besonderes Stück, das sich mit unserer Zukunft auseinandersetzt. «Gentleman über Bord» ist ein unterhaltender Bestseller, eine grossartige Gesellschaftsparabel. Mit Frischs Andorra bringen wir das immerwährende Thema der gesellschaftlichen Ausgrenzung auf die Bühne. Ganz besonders freue ich mich auf die Uraufführung von Charles Lewinskys «Omatrick», einer Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Literaturarchiv. Es gibt noch jede Menge in unserem Spielplan zu entdecken. Die Saison beenden werden wir mit der Komödie «Chaplin 1939» von Cliff Pallé, einem faszinierenden psychologischen Porträt des britischen Komikers. Das ist unser Publikumsstück.
Dank all diesen Mitarbeitenden funktioniert das Theater an der Effingerstrasse.
Sie sind bekannt für ihr Anliegen, das Theater zu demokratisieren. Wie funktioniert das am Effinger?
Wir lassen das Publikum ein Stück pro Saison auswählen. Eine aktuell elfköpfige Findungsgruppe liest monatlich ein Stück. Ende des Jahres muss die Gruppe drei Stücke nominieren. Dann wird das Publikum eingeladen, das Ende Januar abstimmt. An diesem Abend werden die drei Stücke vorgestellt, das Ensemble liest Ausschnitte. Am Ende des Abends wird die Wahl getroffen. So kommt ein Publikumsstück auf den Spielplan. In der kommenden Saison sind es sogar zwei, denn ausser «Chaplin 1939» war die Findungsgruppe auch von «Was war und was wird» von Lutz Hübner und Sarah Nemitz begeistert. Ich habe dann umgehend die Rechte für die Schweizer Erstaufführung gesichert, da ich die Stückwahl nicht abwarten konnte.
Wie wichtig sind Stücke mit zeitgenössischen Themen?
Ich finde es wichtig, dass wir aktuelle gesellschaftliche Fragen auf die Bühne bringen. Mit Umweltthemen oder Stücken über Demokratie, Terrorismus oder mit zwischenmenschlichen Fragen regen wir zu Gesprächen an und ermöglichen den Austausch von Argumenten. Die Schweizer Erstaufführung «Freie Wahl» von Esther Rölz ist ein Stück mit einer hochbrisanten, politischen Thematik. Oder die Uraufführung «Eine besondere Strasse» von Markus Keller und Rusadani Tabukashwili ist nah an der Lebensrealität Georgiens geschrieben, erzählt aber auch eine Geschichte aus der Vergangenheit. Manchmal möchten wir unser Publikum auch einfach mit einer guten Komödie entführen.
Sie haben mal gesagt: «Die Bühne ist mein Lebensmittelpunkt». Was meinten Sie damit?
Was mich und uns bewegt und begeistert, landet über kurz oder lang auf der Bühne. Als Kind habe ich das Theater als Ort der Freiheit, als Ort der Möglichkeiten empfunden. Hier habe ich Luft zum Atmen, in diesem Klima kann ich arbeiten, mich einbringen und verwirklichen. Das Theater ist mein Lebensmittelpunkt.
Titelbild: Christiane Wagner vor dem Theatereingang. Foto PS. Alle übrigen Fotos: Severin Novacki.
Zur Person
Christiane Wagner wurde 1970 in Mannheim geboren. Seit 2021 leitet sie das Theater an der Effingerstrasse in Bern. Die gebürtige Deutsche hat in Heidelberg Germanistik und Kunstgeschichte studiert. Durch einen Freund kam sie zum Film. Ihr Wirken in Bern begann sie 2001 als Schauspielerin und wurde später Dramaturgin. Christiane Wagner ist auch als Autorin tätig und lebt in Bern.
Das Theater von 1996 bis heute
Die Geschichte der Bühne reicht in das Jahr 1951 zurück. Damals zog das Atelier Theater in das frisch erbaute Haus an der Effingerstrasse ein. Friedrich Dürrenmatt inszenierte hier in der Spielzeit 1959/60 eines seiner berühmtesten Werke, «Der Besuch der alten Dame».
Als die öffentliche Hand 1995 beschloss, zukünftig die Subventionen in der Höhe von 1,2 Millionen Franken zu halbieren und dafür vermehrt die freie Szene zu unterstützen, entschied die Atelier Theater AG, den Betrieb zu schliessen.
Unter dem Motto «Und der Vorhang hebt sich doch» wagte es der Theatermacher, Regisseur und Autor Markus Keller zusammen mit Ernst Gosteli, ehemaliger kaufmännischer Leiter des Stadttheaters, und der Schauspielerin Marianne Weber, das Theater unter neuem Namen und ohne Subventionen wiederzueröffnen.
Mittlerweile ist das Theater an der Effingerstrasse schweizweit bekannt, gehört zu den meistbesuchten Spielstätten im Land und wird auch wieder durch öffentliche Gelder unterstützt. Nahezu zwei Drittel der Einkünfte werden durch verkaufte Eintritte generiert, wozu die hohe Zahl der Abonnenten und Abonnentinnen wesentlich beiträgt. Im Spielbetrieb sind in jeder Saison neun Eigenproduktionen zu sehen, darunter ein Jugendstück.
Mit knapp 36 000 Eintritten erreichte das Theater in der Saison 2018/19 einen vorläufigen Höhepunkt bezüglich Zuschauerzahlen. In der darauffolgenden Spielzeit musste es aufgrund der Coronaepidemie während drei Monaten seine Türen schliessen. Mit den Zuschauerzahlen der letzten Saison ist Theaterleiterin Christiane Wagner zufrieden.
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Jeder der was anbietet und wasöersönlich verkauft sollte die tun.
Wenn er aber nicht Wii…: BITTE, soll er in eine Gabrik gehen oder am Abebd in die Reinigung.
Wie viele Male bin ich frustriert am einem Infos Schalter……eben. Frustrierende Arbeiter die mich unnötig fordern..