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Freundschaft – ein Fundament für Kunst

Eine aussergewöhnliche Freundschaft und die daraus entstandene Sammlung von Kunst der klassischen Moderne präsentiert das Kunstmuseum Bern: Kahnweiler & Rupf. Eine Freundschaft zwischen Paris und Bern.

Meisterwerke der Moderne, Werke von Pablo Picasso, Georges Braque, Juan Gris und nicht zuletzt von Paul Klee, sind in der aktuellen Ausstellung im Kunstmuseum Bern zu sehen. Kuratiert von Susanne Friedli und Konrad Tobler, stammen sie alle aus der Sammlung des Berner Kaufmanns Hermann Rupf. Dieser hatte sie vom Pariser Kunsthändler Daniel Kahnweiler erworben. Es handelte sich dabei nicht um eine rein kommerzielle Beziehung, sondern um eine Freundschaft, die in mehr als fünfzig Jahren politische Spannungen und zwei Weltkriege überdauerte. – Eine berührende Geschichte.

Pablo Picasso, Tête de jeune fille. 1929. Öl auf Leinwand. Hermann und Margrit Rupf-Stiftung, Kunstmuseum Bern. © Sucession Picasso / 2023, ProLitteris Zurich

Hermann Rupf (1880 – 1962) sollte als künftiger Kaufmann in Frankfurt am Main seine Kenntnisse im Bankwesen vertiefen. Dort lernte er 1901 den aus einer jüdischen Familie stammenden Daniel-Henry Kahnweiler (1884 – 1979) kennen, der die gleiche Ausbildung absolvierte. Das Finanzielle sollte die beiden künftig nur in zweiter Linie verbinden. Ihre Begeisterung für die Kunst, die Kunst der damaligen Moderne, wurde der Grundstein ihrer lebenslangen Freundschaft.

Rupf kehrte 1905 nach Bern zurück und trat bald in ein Geschäft für Textilzubehör (Mercerie) ein. Kahnweiler eröffnete 1907 in Paris eine Kunstgalerie. Rupf fuhr zweimal jährlich nach Paris, um neue Seidenbänder, Schals und andere Kurzwaren – der deutsche Ausdruck für Mercerie-Artikel – einzukaufen und seinen Freund Kahnweiler zu besuchen. Bei ihm erwarb er seine ersten Bilder, Aquarelle von Picasso auf Papier.

Kahnweiler konnte sich mit Werken des Kubismus schnell einen guten Namen in der Pariser Kunstszene verschaffen. So sah Rupf auch Bilder von Georges Braque und Juan Gris – und kaufte sie, oft unmittelbar nach der Fertigstellung. Dazu kamen mit den Jahren Bilder von André Derain, Fernand Léger und André Masson, auch von Paul Klee, den Rupf wohl 1912 in Bern kennengelernt und Kahnweiler in Paris empfohlen hatte.

Juan Gris, Le livre ouvert. 1925. Öl auf Leinwand. Hermann und Margrit Rupf-Stiftung, Kunstmuseum Bern.

Was beim Besuch der Ausstellung sofort auffällt, ist die durchwegs hervorragende Qualität der Werke. Beide Freunde müssen einen ausgesprochen hohen Kunstverstand und ein gutes Auge besessen haben. Rupf blieb stets der Sammler, Kahnweiler bildete sich ständig weiter und schrieb später selbst Bücher über Gegenwartskunst. – Aber eine kunsthistorische oder künstlerische Ausbildung brauchte keiner der beiden.

Die Werke der Hermann-Rupf-Stiftung besitzen Formate, die in ein Privathaus passen, keine besonders grossen Werke. Denn Hermann Rupf und seine Frau Margrit wollten ihre Bilder anschauen, mit den Bildern leben. Es waren nicht nur Geldanlagen, wie man zuweilen beobachtet.

Paul Klee, Der Niesen, 1915. Aquarell und Bleistift auf Papier auf Karton. Hermann und Margrit Rupf-Stiftung, Kunstmuseum Bern.

Während Rupf stets in Bern verankert blieb, erlebte Kahnweiler die Widrigkeiten der beiden Weltkriege und des Nationalsozialismus. Als deutscher Staatsbürger musste er 1914 nach dem Ausbruch des 1. Weltkriegs aus Frankreich flüchten. Rupf lud ihn nach Bern ein. Die Galerie in Paris musste leider geschlossen werden, und der französische Staat beschlagnahmte die Kunstwerke. Nach dem Ende dieses Krieges konnte Kahnweiler nur einen kleinen Teil dieser Werke u.a. mit Hilfe seiner Freunde zurückkaufen. Rupf war eine wichtige finanzielle Stütze für seinen Freund. Er kaufte ihm ein Haus, als Kahnweiler wieder nach Paris zurückkehren konnte, und erhielt dafür exzellente Kunst.

Wassily Kandinsky, Construction légère, 1940, Öl auf Leinwand. Hermann und Margrit Rupf-Stiftung, Kunstmuseum Bern.

Ihrer Freundschaft konnten solche Ereignisse nichts anhaben, im Gegenteil. Während Kahnweilers Jahren in Bern vertiefte sich ihre Freundschaft. Der andauernde Dialog über Kunst schärfte den Kunstverstand der beiden und bildete eine wichtige Grundlage für die entstehende Sammlung hochkarätiger Werke.

Für ein Kunstmuseum wie das Bernische sind solche Sammlungen von besonderem Wert: Sie sind historisch bedeutend und erhöhen die Relevanz des gesamten Museumsbestands. Das Berner Kunstmuseum besitzt glücklicherweise mehrere solcher Sammlungen.

Die intensivste Zeit ihrer Freundschaft waren die 1930er Jahre bis zum 2. Weltkrieg. Über die früheren Jahre gibt es nur wenige Informationen, denn erst seit 1928 dokumentierte Rupf seine Ankäufe und bewahrte den Briefwechsel auf. Eine wichtige Quelle für die Forschenden, zumal das Kahnweiler-Archiv nicht zugänglich ist.

Fernand Léger, Contraste de formes. 1913. Öl auf Leinwand. Hermann und Margrit Rupf-Stiftung, Kunstmuseum Bern. © 2024 ProLitteris, Zurich

Darauf folgte die – besonders für Kahnweiler – schwierigste Zeit: Mit dem Einmarsch der Hitler-Truppen musste Kahnweiler seine Galerie Freunden übergeben und selbst nach Südfrankreich fliehen. Der Briefwechsel mit Rupf wurde weitergeführt, so lange es möglich war. Als Rupf 1943 plötzlich keine Nachrichten mehr erhielt, schaltete er das Internationale Rote Kreuz ein. Erst 1944, als Paris befreit war, konnte Kahnweiler aus seinem Versteck nach Paris zurückkehren.

Neben den Gemälden und einigen ebenfalls qualitätvollen Skulpturen räumt die Ausstellung dem Briefwechsel der beiden und einigen Dokumenten aus schwierigen Jahren einen bedeutenden Platz ein. In einem abgedunkelten Raum können wir ausgewählte Ausschnitte aus dem Briefwechsel hören, gelesen von Thomas Sarbacher. Nehmen Sie sich dafür etwas Zeit, es ist eine wohltuende Abwechslung, von der Aufmerksamkeit des Auges auf die des Ohres umzuschalten.

von links nach rechts: Margrit Rupf-Wirz, Daniel-Henry Kahnweiler, Renée Wirz (später Ziegler) und Hermann Rupf in Mürren, um 1950

Sehr zu empfehlen ist der Katalog, ein gewichtiges und inhaltsreiches Werk zur Freundschaft der beiden, mit vielen Abbildungen, Aufsätzen, Teilen des Briefwechsels und umfangreichen Quellenangaben.

Kahnweiler & Rupf. Ein Galerist und sein Sammler, 1933-1945. Hrsg. von der Hermann und Margrit Rupf-Stiftung. Mit Texten von Michael Baumgartner, Susanne Friedli, Peter Kropmanns, Luise Mahler, Konrad Tobler, Nina Zimmer und Stefan Zweifel. 2024 Hatje Cantz Verlag. 344 Seiten, 160 Abbildungen. ISBN 978-3-7757-5648-8

Die Ausstellung «Kahnweiler & Rupf. Eine Freundschaft zwischen Paris und Bern.» ist im Kunstmuseum Bern bis 23. März 2025 anzuschauen.

Hermann und Margrit Rupf-Stiftung

Titelbild: August Macke, Gartenrestaurant, 1912. Öl auf Leinwand. Hermann und Margrit Rupf-Stiftung, Kunstmuseum Bern.
Dieses Werk kaufte Hermann Rupf anlässlich der Auktion «Entartete Kunst» 1939 in Luzern, obwohl er sich vorgenommen hatte, an dieser «Nazi-Ausstellung» nichts zu erwerben.

 

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