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Was unter der Erde verborgen war

Nicht nur für Historiker spannend: «Kurze Urgeschichte der Schweiz. 15’000 v. Chr. bis Christi Geburt», herausgegeben vom Archäologischen Dienst des Kantons Bern.

Die Geschichte der Schweiz beginnt nicht erst mit den ersten schriftlichen Zeugnissen unserer Vorfahren, auch nicht mit den ersten sichtbaren Denkmälern, seien sie noch anzuschauen oder nur in der Überlieferung verzeichnet, nein, die Geschichte beginnt mit den Funden aus der gesamten Vergangenheit seit der Altsteinzeit. Zwei ausgewiesene Experten haben sich dieser ausgedehnten Epoche angenommen.

Die beiden Autoren dieses Werkes sind Werner E. Stöckli, emeritierter Professor für Urgeschichte an der Universität Bern, und Professor Adriano Boschetti, Kantonsarchäologe und Leiter des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern.

Wer nun meint, dieses Buch aus lauter Ehrfurcht vor zwei Gelehrten mit lebenslanger Erfahrung nicht in die Hand nehmen zu dürfen, begeht einen grossen Fehler. Geschichte aus längst vergangenen Zeiten wird hier so lebendig dargestellt und durch zahlreiche gut verständliche Graphiken und Fotos so anschaulich gemacht, dass Sie sich für die Urgeschichte der heimatlichen Schweiz interessieren werden, auch wenn Sie davon bisher nichts Genaues gewusst haben. – Die beiden Professoren haben ihre Arbeit explizit «dem breiten Publikum» gewidmet.

Geschichtsschreibung ohne schriftliche Zeugnisse

Dieses Werk ist die erste umfassende, nach einheitlichen Kriterien beschriebene Geschichte zur gesamten schriftlosen Vergangenheit der Schweiz. Auf der Grundlage von zeitlich geordneten archäologischen Funden und Befunden skizziert Werner E. Stöckli im ersten Teil des Buchs die kulturellen, technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen von 15 000 v. Chr. bis Christi Geburt.

Beispiel einer Bildseite aus der «Kurzen Urgeschichte der Schweiz» mit Funden aus der Altsteinzeit (Paläolithikum) um 13 000 v. Chr. (Bild: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Cornelia Schlup)

Der zweite Teil ergänzt die historische Darstellung anhand von 73 Bildseiten. Wie in einem Museum sind wichtige oder typische Funde und Fundsituationen aus der ganzen Schweiz in chronologischer Folge abgebildet. Darauf fusst die Konstruktion der Urgeschichte. Sie stützt sich streng wissenschaftlich auf Funde, soweit sie vorhanden sind. So schreibt Stöckli über die Altsteinzeit: «Da aus den Fundstellen nur Knochen von Wildtieren bekannt sind, schliessen wir, dass die damalige Bevölkerung Wildbeuter, d.h. Jäger und Sammler(innen) waren.» An anderer Stelle erklärt er, dass die Forscher zuweilen nur aus Vergleichen mit Menschen in anderen Weltgegenden fundierte Erkenntnisse ziehen können.

Chemie und Physik dienen der Urgeschichtsforschung

In den letzten fünfzig Jahren haben die Wissenschaften ungeahnte Fortschritte gemacht. Man kann heute an Knochenmaterial aus Gräbern aus der Epoche der Glockenbecherkeramik (nach 2’400 v.Chr.) genetische Untersuchungen durchführen und erfährt dann, dass einige der Skelette in Gräbern bei Sion VS zugewandert waren, während die Kinder alle in der Gegend aufgewachsen sind.

Die Wissenschaftler schliessen daraus (neben vielen anderen Indizien), dass es sich bei den Einwanderern aus Mitteleuropa um Kelten handeln muss. Von da an herrschte bis zu Caesars Zeit in der Schweiz eine kulturelle Kontinuität. Forscher wie Stöckli gehen aber noch weiter: Dieser «Kulturbruch» vollzieht sich nicht einheitlich, in der Ostschweiz bis in die Region Zürich bestanden schon länger Beziehungen zu Gruppen in Mitteleuropa. Erst später öffneten sich die Menschen in der Westschweiz diesen Impulsen. Auch für das Tessin lassen sich Beziehungen nach Mitteleuropa nachweisen.

Verkohltes Brot aus der jungsteinzeitlichen Seeufersiedlung Twann, Bahnhof.
Der Fund aus der Zeit um 3550 v. Chr. ist das älteste vollständig erhaltene Brot Europas.
(Bild: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Roger Grisiger)

Der Autor folgt in seiner Erzählung nicht einfach dem Verlauf der Jahrtausende, sondern stellt Sachthemen in den Vordergrund. So hat auch «Umweltgeschichte» Platz in der vielschichtigen Abhandlung. Denn auch Witterungseinflüsse, Kälteperioden oder trockene Phasen lassen sich heutzutage nachweisen. Nicht nur Ackerbau und Viehzucht beschreibt Stöckli, sondern wie Wirtschaft eine wichtige Basis des gemeinschaftlichen Zusammenlebens bildete und die Nutzung von Metallen (Bronze und Eisen) die Gesellschaft veränderte. – Es lässt sich sagen: «Trotz zahlreicher Funde war die Schweiz in der Vorzeit nicht besonders reich.»

Schönheit ist zeitlos

Wer sich für Kunst und Kultur interessiert, richtet seine Aufmerksamkeit auf kunstvolle Grabbeigaben und andere Schätze, die bei Grabungen ans Tageslicht kommen und in grossen Abbildungen zu bewundern sind. Über Kulte, über Rituale, Opferhandlungen und die religiösen Vorstellungen der Menschen lässt sich logischerweise wenig aussagen, da fehlen die sprachlichen Zeugnisse. Immerhin lassen vergrabene und wiedergefundene Münzschätze darauf schliessen, dass gegen Ende der beleuchteten Epoche, Geld einen wichtigen Wert darstellte.

Keltische und römische Silbermünzen des Schatzfundes vom Belpberg. Der Schatz umfasst heute 221 Silbermünzen und wurde kurz nach 42 v. Chr. vergraben. (Bild: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Roger Grisiger)

Auf Menhire, Steinstelen, die in der Westschweiz zu finden sind, geht Werner Stöckli nur kurz ein. Zwar haben sie schon immer die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, genau deshalb wurden sie ausgegraben oder versetzt und sind für die exakte Geschichtsschreibung nur noch bedingt von Nutzen. Die aufschlussreichen Abbildungen im zweiten Teil ersetzen zwar keinen Museumsbesuch – etwa im Laténium in Neuenburg -, sind aber äusserst hilfreich, um sich die Ausführungen konkret vor Augen zu führen. Der Schreibenden sind besonders die schönen Formen der Gefässe aufgefallen. Sinn für Schönheit besassen die Menschen seit eh und je.

Werner E. Stöckli und Adriano Boschetti, Kurze Urgeschichte der Schweiz.
15 000 v. Chr. bis Christi Geburt. Bern 2024. 160 Seiten, 126 Abbildungen. Preis: 28 Franken. ISBN 978-3-9525608-8-4.
Erhältlich beim Archäologischen Dienst des Kantons Bern, adb.sab@be.ch,
Tel. 031 633 98 00 oder im Buchhandel.

Titelbild: Steinreihe von Lutry VD. Foto aufgenommen am 30.5.2004 von Arnaud Gaillard / commons.wikimedia.org

 

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1 Kommentar

  1. Sehr ausführliche und detaillierte Informationen- bloss die jahrezahlen sind irritierend 2370 vor Jesus offizielles Sintflut Datum
    4025 Erschaffung des Menschen
    Ende der Ungehorsamen Menschheit
    Nach 1.Tes.5vers3. Nach friedensdeklatation sehr bald

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