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Schmetterlinge im Bauch

„Leben ist nicht genug“, sagt der Schmetterling. „Sonnenschein, Freiheit und eine kleine Blume gehören auch dazu“ (aus dem Märchen von Hans Christian Andersen).

Wenn die Tage lang sind und die Nächte kurz, sirrt die Hitze über den Asphalt. Das Kino schliesst, das Hallenbad geht in Revision. Die Menschen sollen sich draussen vergnügen, an den Open-Airs oder am See. Das ist Sommer.

Schwerelos gaukeln die Schmetterlinge über die Trockenwiesen und nippen an den Blütenständen. Der erste Falter wagte sich schon im Februar auf die Narzissen in der Balkonkiste. Im Juni kam mit den Hummeln und Bienen ein Distelfalter und bediente sich am Lavendel. Atemlos bestaunen wir den Schmetterling, bezaubert von seiner Anmut und Schönheit.

Distelfalter auf Lavendelblüten

Die Schmetterlinge scheinen die Gedanken der Menschen zu beflügeln. Männer und Frauen scherzen mit ihren Nachbarn über Balkongeländer und Gartenzäune, sie fahren mit dem Velo, auf Asphalt und Up- und Downhill, klettern in Felswänden, schweben mit Deltasegeln über das Tal und lassen Träume wie bunte Ballone ins Namenlose steigen. Der Sommer setzt Fantasien frei. Die Schmetterlinge werden zu Symbolen für Liebe und Glück und für ein Leben, das sich immer wieder neu erfindet. Das sind die Schmetterlinge im Bauch, vermute ich.

Du trittst in einen Fettnapf, fotzelt mein Kollege. Der Begriff ist besetzt. Seit über 100 Jahren gelten die Schmetterlinge im Bauch als Metapher für Verliebtheit. Die amerikanische Schriftstellerin Florence Converse hat das Symbol 1908 in ihrem Buch „House of Prayer“ mit „butterflies in the stomach“ zum Leben erweckt. Converse wollte wohl mit einem Kunstkniff ihre Geschichte dramatisch beleben und rechnete nicht damit, dass die Redewendung so rasch sehr beliebt wurde und sich in Windeseile über alle die Kontinente hinweg verbreitete.

C-Falter und Kaisermantel (v.l.)

Bis ins vorletzte Jahrhundert durfte der Schmetterling als lustiger Geselle von Blume zu Blume hüpfen. Unzählige Gedichte und Geschichten winden sich um sein lockeres Leben. Hin und wieder wurde er aufgespiesst und konserviert – auch eine Art Wertschätzung – , damit man ihn länger aufbewahren und betrachten konnte. Und jetzt eingesperrt. Eine Wut im Bauch, die kann man sich vorstellen: ein unverdaulicher Klumpen. Ein Symbol der Verliebtheit einsperren, das soll wohl ein Witz sein, ein schlechter, oder ein bösartiger Racheakt. So kribbelt er denn heute in den Mägen, schafft Herzrasen und schweissnasse Hände und versetzt den Menschen in eine Art Ausnahmezustand.

Schwalbenschwanz beim ersten Flug in die Freiheit

Ein langes Leben ist dem Eingesperrten wohl kaum beschieden, keinesfalls wird er die Lebensdauer erreichen, die eine Webseite auf Internet den Singles für Verliebtheit gibt. Nach zwei Jahren sei die Lust verpufft, sagt der Ratgeber, und gibt Tipps für das erste Date, für den Kuss und für ein geschicktes Verhalten auf den Spuren eines Casanovas.

Skizze zur Geschichte «Schmetterling» von H.C. Wilhelm Busch (1832-1908)

Wem vor so viel nüchterner Planung schaudert, der flieht in den Altweibersommer. Im Ausklingen des Sommers verlaufen die Beziehungen zwangloser und gemächlicher. Der Sage nach hat der Altweibersommer seinen Namen von den Baldachinspinnen erhalten, die im Herbst an Spinnfäden durch die Luft segeln und an das graue Haar alternder Frauen erinnern. Die Spinnweben lassen sich deuten als Gespinste von Elfen, Zwergen oder vom Marienhaar. In althochdeutscher Sprache werden die Spinnfäden „geweibt“ oder geknüpft.

«Der Schmetterlingsjäger», 1840
Oel auf Platte
Carl Spitzweg (1808-1885)

In einer zweiten, etwas einfacheren Deutung wird den Frauen mit dem Altweibersommer die Hitze einer zweiten Jugend zugeschrieben, nur kurze Zeit dauernd und irgendwie unzeitig, wie Wikipedia schreibt, und damit ein bisschen anstössig. Darüber belustigen sich die Weiber. Sie geniessen die wohltuende Wärme des Sommers und gönnen den goldenen Herbst auch den Männern, mitsamt dem gesellschaftlich Unzeitigen und Anstössigen: In Bayern nennt man den Altweibersommer Ähnlsummer oder Grossvatersommer.

Mathias Gnädinger spielt im Film „Der grosse Sommer“ von Stefan Jäger den Ähnl  im Sommer. Unbeholfen stolpert er als Anton Sommer mit dem aufgeweckten 10-jährigen Kito durch Japan. Er erlebt die Schmetterlinge und lässt sich zögerlich und sprachlos auf seine Gefühle und auf eine fremde Frau ein. Den Buben schickt er weg mit einem unwirschem „das verstehst du nicht“. Wer versteht schon den launigen Sommer, den alten Mann und die Schmetterlinge? Das muss man wohl erleben.

Schmetterlinge im Bauch lassen sich ganz real mit einer Pasta-Mahlzeit geniessen
nach dem Rezept zu Farfalle Parthenope.

Quellen:
single.de
wikipedia (Schmetterlinge, Altweibersommer)

Bilder:
Wilhelm Busch, «Schmetterling», Sammelband «Und die Moral von der Geschicht», 1959
Carl Spitzweg (Wikimedia))
Fotos Schmetterlinge Barbara und Raymond Brack

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