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Dicke Fette machen fette Dicke

16.07.14 Bernhard kostet: der ein ist gut

Notvorrat 2014 wieder aktuell? – Ein Loblied auf die Rationierung 1939-1948.

Schauen wir uns einmal einige Fotos an aus der Zeit während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg: Wie schlank war Papa, wie gut geformt meine Mama. Was für ein Sprenzel war ich. Kein Wunder haben sie mich bei den Wölfli „Sprysse“ genannt.

Nein, wir mussten nie hungern

Natürlich hatte meine Mama noch vor Kriegsausbruch Notvorrat gepostet. Mit guter Einteilung und allfälligem Rückgriff auf die Vorräte reichten die bald eingeführten Rationierungsmarken knapp aus. Butter wurde hauchdünn auf das Brot gestrichen, wir assen „Schiebewurst“, das Redli Salami oder Servelat, das man mit den Lippen bis zum Ende des Brotes schob, um dann, nach der zuvor leeren Schnitte, mit Genuss in das Fleisch zu beissen.

Statt Hartkäse gab es Gerber Käsli, statt mehrmals Fleisch pro Woche nur zweimal. Eine Bratwurst. Und ein bisschen Aufschnitt. Wenn Vater im Militärdienst war, gab es auch mal Kutteln an Tomatensauce, die Mama und ich sehr gern mochten. Abends servierte Mama auch mal Kastanien mit Apfelmus (wenn die Verwandten in Lugano welche schickten). Und wenn Onkel Georges uns in Basel besuchen kam, buk Mama einen riesigen Zwetschgenkuchen, von dem der Freund der Familie (und Nennonkel) gleich die Hälfte für sich beanspruchte.

Die Hausfrauen wussten zu sparen, damals. Alte Stückchen Seife wurden aufgehoben. Wenn genügend Reste beisammen waren, steckte man sie in ein Sieb und schlug das Wasser im Becken, bis es Seifenwasser war.

Mit dem Milchkesseli für Suppe angestanden

In den späteren Kriegsjahren stand ich oft mit dem Milchkesseli bei der Soldatenküche an, wo es immer eine sättigende Erbsen- oder Gemüsesuppe gab. Gratis. Der Küchentiger wusste schon, wie er sich bei den Frauen im Quartier beliebt machen konnte. Manchmal wurde er dann auch zu einem Schnaps eingeladen.

Ganz zu Beginn des Krieges verbrachten wir einmal unsere Ferien in einer unterdessen leider abgerissenen Pension in Schlegwegbad im Emmental. Da bekamen alle die Schlegwegbad-Krankheit. (nur mein Vater und ich nicht. Er weil er es vertrug, fett zu essen, ich, weil ich Fettes seit einer Gelbsucht verabscheute und Desserts für mich keine Freude, sondern Strafe waren). Später erfuhren wir, dass sich die deutschen Soldaten in Paris mit frischer Butter den Bauch vollschlugen und dann erkrankten. Natürlich am ungewohnten Fettgehalt, und nicht, weil die Franzosen ihnen etwas ins Essen getan hätten, wie die deutsche Propaganda behauptete!

Nach dem Krieg verkaufte der Fahrer des Migroswagens, der auch unsere Strasse besuchte, erstmals wieder Schokolade. Für jede Familie zwei Tafeln. – Vater, der sonst nie in die Migros ging, kaufte, als er sich unbeobachtet wähnte, zwei Tafeln für seine Kleinfamilie. – Der im glichen Haus lebende Gewebesekretär der Stadt hielt ihm diesen «Ausrutscher» noch Jahre vor.

Von der leicht pombierten Dose Ananas, welche meine Mutter den ganzen Krieg über gehortet hatte und die wir am 8. Mai 1945 angesichts des Friedens in Europa mit Genuss verspeisten, habe ich schon einmal berichtet.

Gesund gelebt, Zivilisationskrankheiten kamen erst später

Ja, wir in der von den kriegerischen Zerstörungen kaum stark betroffenen Schweiz lebten gesund 1939 bis 1948. Dank der Rationierung funktionierte die  Lebensmittelbeschaffung ordentlich. Schweizer Schiffe, von Gottlieb Duttweiler angeregt und von der Migros-Reedrei Neptun gekauft und ausgestattet, kreuzten auf den Weltmeeren, sofern sie nicht ins Visier deutscher oder englischer Unterseeboote gerieten. Die USA haben kurz vor Kriegsende der Schweiz die Getreidezulieferung gekürzt, um uns dafür zu bestrafen, dass wir nach wie vor mit Deutschland Handel trieben. Dann gab es die ersten Kartoffelbrote – damals verzog man dazu das Gesicht, heute sind sie eine Spezialität.

Nicht nur die Deutschen frassen sich in der Zeit des Wirtschaftswunders nach 1948 Bäuche an. Auch wir Schweizer gingen in die Breite, Zivilisationskrankeiten wie Rheuma, plötzlicher Herztod und vor allem Beschwerden wegen zu grossem Fettzuwachs trafen die Schweizer Volkswirtschaft. Und das schleichende Rauchverbot der letzten Jahre führte erst recht zu dicken Bäuchen: Wer nicht mehr raucht, braucht gemäss der Binsenwahrheit, dass die Summe aller Laste gleich bleibt, viel mehr Süssigkeiten, isst Erdnüssli und zu viel Fleisch. Ich weiss, wovon ich rede: In den 14 Jahren, seit ich mit dem Rauchen aufgehört habe, habe ich 23 kg zugenommen.

Gewiss, niemand will wieder Krieg. Niemand wäre einverstanden, dass wir wieder Rationirungsmärkchen einführten. Und dennoch wäre es wohl klug, wir würden uns selber beschränken: Weniger Alkohol, weniger Süsses, weniger Salzgebäck. Und, trotz des märchenhaften Basler Brotes, das wir in Schöftland bekommen, weniger Brot!

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