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Aussteiger Paul Gauguin

Der Maler Paul Gauguin findet in der Südsee zwar kein Paradies, aber er versucht, seinen Traum zu malen

Statt eines Bilds oder eines Kalenders hing bei uns ein bedrucktes Seidencarrée mit Ta Matete von Paul Gauguin überm Esstisch. Meine erste Begegnung mit dem Maler. Das Tuch verblasste, aber das Original lernte ich im Kunstmuseum Basel kennen. Nun hängt es mit über fünfzig weiteren Meisterwerken des Malers in der Fondation Beyeler.

Fast zu Tode reproduziert – nun im Kreis von Tahiti-Bildern: Ta Matete (1892). Kunstmuseum Basel. Wikimedia commons.

Die Ausstellung Paul Gauguin, am 7. Februar eröffnet, bezeichnen die Verantwortlichen in stolzer Vorausschau als „europäischen Kulturhöhepunkt des Jahres 2015“, gehe es doch um die „hochkarätigste“ Ausstellung dieses „herausragenden und wegweisenden“ Künstlers. Ohne ihr Zutun haben sie nun noch das teuerste je gehandelte Gemälde gleich mitten in der Bilderschau. Dieser für Basel traurige Verkauf wird das seine zum Besucherrekord beitragen: Vermutlich ist Gauguins Nafea von 1892, das seit Jahrzehnten zu den Pièces de résistance des Kunstmuseums zählte, zum letzten Mal in Basel zu sehen.

Nafea faaipoipo (1892) Sammlung Rud. Staehelin

Besitzer Ruedi Staehelin habe es für 300 Millionen US Dollar nach Katar verkauft, heisst es. Zuvor hing es mit anderen zentralen Werken der klassischen Moderne als Leihgabe des Kunstsammlers Rudolf Staehelin im Museum, bis dieses die Pforten wegen der Erweiterung schloss – mit ein Grund für das Zerwürfnis mit den Erben des Sammlers.

Damit – so scheint es – kommt auch Basel mit seinen Mäzenen in die aktuelle Zeit des globalisierten Kunsthandels, welcher nichts als Teil der Finanzwelt mit einem Link zur Kultur ist. Wo Staaten von Ranking-Instituten wie Konzerne in ihrer Bonität eingestuft werden, wo der öffentlichen Hand Abermilliarden von Steuern entzogen werden, wird der Handlungsspielraum eng, und was noch vor wenigen Jahrzehnten solidarisch erreicht werden konnte – man denke an die Picasso-Bilder, welche dank einer breiten Kampagne für Basel angekauft werden konnten – ist heute absolut irreal: der angeblich gezahlte Preis ist nämlich mehr als ein Prozent des gesamten baselstädtischen Bruttoinlandprodukts.

Vor dem monumentalen Woher kommen wir? Was sind wir? Wohin gehen wir?

Aber Spass, oder besser Ärger beiseite: die in Riehen gezeigte Bilder- und Skulpturenschau ist einmalig schön. Die einzelnen Werke und Werkgruppen gewinnen erst recht durch die gescheite und einfühlsame Hängung (dafür ist Beyeler bekannt – gleich wer kuratiert). So können die Besucher Gauguins Umgang mit Motiven studieren, erfahren, wie er einzelne Elemente neu komponiert, wie er im einen Bild gleichsam ein Detail „heranzoomt“, was er mit der Natur in seinem Traum vom glücklichen und einfachen Leben in einer nicht von der Zivilisation gestörten Gesellschaft anstellt, wie er Wasser als abstrakte Farbmuster setzt, welche wiederum als Wasser zu deuten sind.

La Vision du Sermon (1888); Scottish National Gallery, Edinburgh. In der Bretagne findet Gauguin seine Bildsprache.

Gauguin war ein Aussteiger. Nach dem Besuch einer Marineschule wurde er Seefahrer zunächst in der Handelsflotte, später bei der Kriegsmarine. Dank seines Vormunds konnte er als Börsenmakler bei einer Bank einsteigen, und sein Erfolg erlaubte ihm und seiner Familie ein luxuriöses Leben. Bei dem Vormund und Freund der Familie lernte er grosse Malerei kennen, beispielsweise Eugène Delacroix oder Gustave Courbet, darauf begann er selber zu malen. Nach einem Börsencrash 1882 wollte er nur noch Maler sein, was sehr schnell zu finanziellen Engpässen führte, denn erfolgreich im Kunstmarkt war Paul Gauguin zu spät, praktisch am Ende seines Lebens. Er starb schwer erkrankt und hoch verschuldet mit nur 54 Jahren auf einer Ozeanischen Insel: sein Grab mit der in Bronze gegossenen Skulptur Oviri von 1894, die kein Pariser Sammler hatte kaufen wollen, liegt auf Hiva Oa.

  Oviri (1894). Foto: © Musée dʼOrsay, Paris, Dist. RMN-Grand Palais / Patrice Schmidt

Seine Suche nach dem einfachen Leben führte ihn zunächst in die Bretagne, deren keltisches Volk mit der fremden Sprache und den ureigenen Ritualen für die Pariser Gesellschaft aus rätselhafter Vorzeit zu kommen schien. Schnell fand Gauguin dort seine eigene Bildsprache, die er bis zum Schluss beibehielt: weg vom Impressionismus, weg vom realistischen Abbilden des Sichtbaren: „Malen Sie nicht zu viel nach der Natur. Das Kunstwerk ist eine Abstraktion. Ziehen Sie es aus der Natur heraus, indem Sie vor ihr nachsinnen und träumen,“ schrieb er 1888 an einen Freund.

Einfache voneinander abgegrenzte Formen, keine Schlagschatten, eine reiche Palette an leuchtenden Farben – im Grunde eine Rückkehr zur Kunst alter Kulturen der Khmer oder auch der Ägypter – damit versuchte Gauguin einen Neuanfang in der Malerei und beeinflusste später die Nabis, die Fauve, auch die Brücke-Künstler und Pablo Picasso oder auch Peter Doig (*1959), ein Zeitgenössischer, der sich – zeitgleich in der Fondation Beyeler präsentiert – zum Studium anbietet.

Was wäre ein Gauguin-Ausstellung ohne das Opus Magnum ‹D’où venons-nous? Que sommes-nous? Où allons-nous?› von 1897/98. Das monumentale Gemälde, in dem er das Existentielle und die Transzendenz des Daseins in der Natur verdichtete, entstand nach schwerer Krise in wenigen Wochen. Gauguin war überzeugt, dass es sein letztes und bestes Bild sein würde. Kurz nach der Vollendung wollte er sich mit Arsen vergiften, aber er überlebte und malte weiter.

Rupe rupe (1899) Foto: © Staatliches Museum für Bildenden Künste A.S. Puschkin, Moskau

Dem rätselhaft düsteren Gemälde der Lebensfragen steht mit Rupe rupe von 1899 gleichsam das gefundene Paradies gegenüber. Auf einem Goldgrund finden sich drei anmutige Frauenfiguren, während eine Figur zu Pferd in fast demütiger Haltung zuzuhören scheint. Eine Fülle tropischer Fruchtpflanzen und ein Boden voller Sonnenkringel vollenden die Idylle, möglicherweise das Paradies, von dem der Maler zeitlebens träumte.

Kurator Raphaël Bouvier zur Ausstellung

Die Ausstellung, in der sechs Jahre Arbeit der Kuratoren und der Museumsleitung steckt, bringt jenen, die Gauguins überdrüssig sind, weil er fast totreproduziert wurde und wird, die wunderbaren Gemälde wieder nahe. Sie will aber auch mit didaktischen Mitteln ein neues Interesse erschliessen. Ein multimedialer Vermittlungsraum erleichtert den Einstieg in Leben und Werk von Paul Gauguin. Neben dem wissenschaftlichen Katalog erscheint eine erschwingliche Begleitpublikation für das breite Publikum.

Bis 28. Juni 2015

Fondation Beyeler: Paul Gauguin

Teaserbild: Ausschnitt aus: Selbstbildnis mit Palette (1893/94) Privatsammlung

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