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Talente und Expertise der Babyboomer

Angst vor Demenz, vor dem Abbau der körperlichen und geistigen Kräfte im Alter – dem setzt Margrit Stamm die Potenziale der älteren Menschen entgegen.

Immer noch wird Alter mit Abbau gleichgesetzt, obwohl zahlreiche Untersuchungen dem schon heute widersprechen. Auf die Potenziale statt auf die Ängste sollte der Blick gerichtet werden! Unsere wichtigste Zukunftsperspektive ist nämlich das kompetenzorientierte Altern – wie es im erfolgreichen Film «Die Herbstzeitlosen» mit Stephanie Glaser so schön dargestellt worden ist. In einem Vortrag der CAREUM-Weiterbildung in Aarau referierte Margrit Stamm, em. Professorin für Erziehungswissenschaften, über einige Ergebnisse aus ihrer Studie Talent Scout 60+, die sie in einigen Wochen vollständig der Öffentlichkeit vorstellen wird.

Die Altersdebatte darf sich nicht auf eine Diskussion um Ängste und Defizite beschränken. Im Gegenteil: Gerade wenn es um die 60 – 80jährigen geht, die frisch Pensionierten und die rüstigen älteren Menschen, tut ein Perspektivenwandel not. Begriffe vermitteln Inhalte, zum Beispiel erlaubt «Langlebigkeit» statt «Überalterung» dem Denken die Offenheit, die Chancen wahrzunehmen, die in der statistischen Tatsache der höheren Lebenserwartung liegen.

So muss jeder, der sich mit Fragen des Alterns beschäftigt, erkennen, was Paul Baltes, einer der führenden Gerontologen weltweit, schon in den 1990er Jahren festgestellt hat: Älter werden ist ein allmählicher Prozess, der sowohl Abbau (z.B. der Merkfähigkeit) wie auch Aufbau (z.B. des Ausdrucksvermögens, der sozialen Kompetenzen) umfasst. Eine einseitige Einteilung nach Jahrgängen entspricht nicht den realen Potenzialen älterer Menschen. Der «Ruhestand», wie das Pensionsalter oft noch genannt wird, wäre äusserst schädlich, denn nur ein aktives Gehirn dient uns, unsere Potenziale zu entwickeln und adäquat zu nutzen. «Kompetenzorientiertes Altern gilt als ein Kernelement der Babyboomer-Generation», sagt Margrit Stamm.

Margrit Stamm im Gespräch mit Carsten Niebergall, CAREUM-Weiterbildung, Bereich Altern & Generationen

Die Generation der zwischen 1945 bis 1955 Geborenen ist in den letzten Jahren schon unter verschiedenen Aspekten untersucht worden. Noch nie hatten junge Menschen in Mitteleuropa so vorteilhafte Bedingungen, in Frieden und Wohlstand aufzuwachsen und sich den eigenen Wünschen und Fähigkeiten gemäss zu entfalten. Wenn die Älteren ihre Zukunft entsprechend ihrer Fähigkeiten bewusst ins Auge fassen, schaffen sie sich so Räume für die Entwicklung ihrer Talente. Das können Begabungen sein, die früher entwickelt worden sind und nun wieder gepflegt werden; ebenso lange Zeit blockierte Talente, die erst mit dem Ende des Berufslebens frei werden. Es können auch schlummernde Fähigkeiten sein, die erst durch unvorhersehbare Umstände entdeckt werden, vielleicht durch eine prägende Erfahrung oder durch eine Begegnung.

Wer beschliesst, sich seinen Talenten systematisch durch Üben, Praktizieren und Lernen zu widmen, wird dadurch mit der Zeit Expertise auf diesem Gebiet entwickeln, er (oder sie) wird Experte. – Expertenwissen erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit dem gewählten Bereich und ist nicht ohne regelmässiges Üben zu erreichen. Gerade die Älteren dürfen das Üben nicht vernachlässigen, es ist die Voraussetzung dafür, dass die Expertise erhalten bleibt.

Die Studie Talent Scout 60+ fand zwischen Winter 2012/2013 bis Ende 2014 statt und stellte konkret folgende Fragen:

  • Was sind Talente, was ist Expertise?
  • Was führt dazu, dass ältere Menschen ihre Talente entwickeln und einsetzen können?
  • Was hindert sie daran?

Alle Befragten (insgesamt 456 Personen) haben sich freiwillig angemeldet – mehr Frauen als Männer -, sie gehören den Jahrgängen 1948 bis 1953 an und wohnen in acht Deutschschweizer Kantonen. Aus der Art der Suche ergibt sich, dass die Teilnehmenden nicht den Durchschnitt ihrer Jahrgänge repräsentieren, sondern zu den «bildungsorientierten» Gruppen gehören. Es sind, wie die Befragungen zeigen, vorwiegend Menschen, die sich im Leben Ziele gesetzt haben und diese zu einem grossen Teil auch erreicht haben, «soziale Aufsteiger» nennt sie Margrit Stamm.

Sie besitzen zudem ein hohes zivilgesellschaftliches Engagement, leisten überdurchschnittlich viel Freiwilligenarbeit, waren mit ihrem Berufs- und Familienleben überwiegend zufrieden. Medienkonsum (Internet, PC, Tageszeitung, Radio) hat einen hohen Stellenwert, Social Media (Facebook, Twitter u.ä.) nutzen allerdings nur wenige. – Interessant wäre zu erfahren, ob Seniorweb zu «Internet» oder «Social Media» zu zählen wäre, die Frage wurde nicht gestellt.

Die Zukunftspläne der Babyboomer nach der Pensionierung sind weit gespannt: Befreiung vom Zwang zu beruflicher Tätigkeit, Verpasstes nachholen, Hobbies und Freundschaften pflegen, nachberufliche Engagements; kurz: die aktive Lebensgestaltung überwiegt.

Bezogen auf das eigentliche Ziel der Studie, die Talentexpertise, zeigt sich, dass diejenigen, die explizit ihre Talente entwickeln wollen, dies vor allem im künstlerischen, intellektuellen, sozialen, sportlichen und handwerklichen Bereich tun, viele davon widmen sich mehreren Bereichen zugleich. Margrit Stamm bilanziert dieses (Zwischen-)Ergebnis: Die Babyboomer-Generation «ist gesünder, fitter, besser ausgebildet als die Generation vor ihr und finanziell meist gut gestellt, mobil, selbstbewusst, individualistisch und anspruchsvoll.»

In der allgemeinen Wahrnehmung der Gesellschaft werden diese Talente und Kompetenzen der Babyboomer-Generation noch viel zu wenig beachtet und geschätzt. Allerdings gibt es bisher nur unzureichende Strukturen, wo und wie diese Potenziale in die Gesellschaft einzubringen wären. Hier zeigt es sich, dass die Altersleitbilder oder die Angebote der Altersorganisationen bisher vorwiegend auf die Defizite alter Menschen ausgerichtet sind.

Ausgehend von dem Postulat, dass Alter(n) auch die Entwicklung von Ressourcen bedeutet, fordert Margrit Stamm einen «neuen Masterplan des Lebens», der auf dem Gedanken einer lebenslangen Entwicklung des Menschen aufbaut.

Der Kanton Aargau arbeitet bereits daran, diese Erkenntnisse umzusetzen. Das erklärte Diana Müller, Leiterin Fachstelle Alter, in ihrem anschliessenden Referat. Im Aargau, betont sie, wird einiges getan: Eine Werbekampagne, Stellenlosen über 50 zu einem neuen Arbeitsplatz zu verhelfen, blieb nicht ohne Wirkung. Der Kanton bereitet ein Verzeichnis aller Angebote vor; im April findet ein kantonaler Alterskongress statt u.v.a.m.
Weitere Informationen finden Sie hier.

Zum Vortrag von Margrit Stamm: Die vollständige Studie wird am 18. März 2015 veröffentlicht. Sie dann auch auf der Webseite von Prof. Dr. Margrit Stamm nachzulesen.

CAREUM Weiterbildung Aarau

Titelbild: Senior beim Bogenschiessen © Rainer Sturm / pixelio.de

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