Falsche oder falsch dosierte Medikamente können Schaden anrichten. Patientensicherheit Schweiz richtet sein Augenmerk aktuell auf die Medikamentenverschreibung in Spitälern.
«Knapp jeder zehnte Patient erleidet im Spital medikamentenbedingte Schäden», schreibt das Kompetenzzentum Patientensicherheit Schweiz in seiner neusten Pressemitteilung. Das sind alarmierende Zahlen. Gemeint sinddamit nicht nur allfällige Nebenwirkungen der abgegebenen Pillen – wobei nicht zwingend ein Fehler vorliegt, sondern zum Beispiel aucj eine nicht voraussehbare allergische Reaktion. Auch falsche Dosierungen, vergessene Medikation oder schlicht falsche oder verwechselte Mittel gehören in dieses Kapitel. Besonders fehleranfällig sei die Medikation beim Spitaleintritt und -austritt.
Gefährliche Irrtümer
Irren ist menschlich, reicht da als Erklärung nicht aus, können doch bei falscher oder ungenauer Medikation schwere Schäden mit hohen Folgekosten entstehen. In einem Pilotprojekt, konzipiert von Patientensicherheit Schweiz, soll nun mit einem systematischen Medikationsabgleich Abhilfe geschaffen werden.
Unter dem Motto «Progress! Sichere Medikation an Schnittstellen» wird an neun Spitälern in der ganzen Schweiz im Rahmen der nationalen Qualitätsstrategie des Bundes ein Programm gestartet, das auf Erkenntnissen aus den USA, Kanada und verschiedenen europäischen Ländern basiert. Damit wurde zum Beispiel in Holland an den 15 an einem Pilotprojekt beteiligten Spitälern Unstimmigkeiten bei der Medikamentenerhebung und -verschreibung innerhalb von einem bis fünf Monaten um bis zu 75 Prozent vermindert.
Medikationsprotokoll
Dem Pilotprojekt zugrunde liegt eine systematische Erfassung aller Medikamente und Präparate, die ein Patient bei seinem Spitaleintritt eingenommen hat. Diese Liste wird während des Spitalaufenthaltes konsequent aktualisiert. Das heisst, jedes neu verschriebene Mittel wird ebenso protokolliert wie auch alle abgesetzten Medikationen.Medikationsprotokoll als «ständiger begleiter» des Spitalpatienten. (Bilder Patientensicherheit Schweiz)
Dank dieses Prozesses können nicht nur die Wirkungen der einzelnen Medikamente besser verfolgt werden, es lassen sich auch Dosierungsfehler, doppelte Vergaben und vor allem auch Wechselwirkungen vermeiden. Beim Spitalaustritt liegt dann ein umfassendes Medikationsprogramm vor, anhand dessen auch der Hausarzt die weitere Behandlung besser planen kann.
Gespräche sind notwendig
Zentraler Faktor in diesem Projekt ist die Mitarbeit des Patienten oder dessen Angehörige. «Für die Medikamentenerfassung bei Spitaleintritt ist die persönliche Befragung unerlässlich, denn meist haben nur die Betroffenen einen kompletten Überblick über all die Medikamente und nicht-rezeptpflichtigen Präparate, die ihnen verordnet wurden oder die sie selber kaufen. Nur sie wissen, welche sie davon wie oft einnehmen oder was nur auf einem Rezept steht.» erklärt die Ärztin Liat Fishman, die Leiterin des Pilotprogramms. «Wer ins Spital muss, sollte alle seine aktuellen Medikamente wenn möglich in der Originalverpackung mitnehmen».
Auf www.patientensicherheit.ch kann zu diesem Thema ein Patientenmerkblatt heruntergeladen werden.
Patienten sollten sich an die verordnete Medikation halten.
Rund 20’000 Spitalaufenthalte pro Jahr, schätzt Patientensicherheit Schweiz, sind allein in der Schweiz auf medikamentenbedingte Probleme zurückzuführen. Mit den von ihnen vorgeschlagenen Protokollen sowie interprofessionellen Schulungen von Ärzten, Pflegefachleute, Pharmazeuten sowie Verantwortlichen aus Qualitätsmanagement und Spitalleitung wären rund ein Drittel davon vermeidbar. Das Pilotprojekt an den neun Pilotspitälern ist jetzt gestartet und wird bis Ende 2016 fortgeführt.