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Ein emotionaler Seiltanz

Berufsfeld Palliative Care: Ein Gespräch mit Andrea Ott, Leiterin Pflege und Betreuung im Zürcher Lighthouse

Im folgenden Interview äusserst sich Andrea Ott, Leiterin der Abteilung „Pflege und Betreuung“ im Zürcher Lighthouse, über die Herausforderungen des Berufsfeldes „Palliative Care“. Im Zürcher Lighthouse werden seit über 25 Jahren unheilbar kranke und sterbende Menschen betreut. Ziel der umfassenden palliativen Betreuung sind würdevolle Bedingungen für eine bestmögliche Lebensqualität bis zuletzt.

Als Leiterin der Pflegeabteilung des Zürcher Lighthouse verbringen Sie täglich Zeit mit der Pflege unheilbar kranker und sterbender Menschen. Was zeichnet gute Palliative Care aus?

Andrea Ott: Da die Heilung der Krankheit unserer Patienten nicht möglich ist, geht es darum, ihre Lebensqualität zu steigern. Das erfordert viele persönliche Gespräche, denn „Lebensqualität» definiert jeder Patient individuell. Patienten, die ihren Alltag relativ selbstbestimmt meistern, haben andere Bedürfnisse als solche, die mit starken Schmerzen zu uns kommen und bettlägerig sind. Professionelle Palliative Care geht spezifisch und wertfrei auf die Wünsche des Patienten ein. Ebenso wichtig ist der Einbezug der Angehörigen in die Behandlung. Im Lighthouse verfolgen wir einen familienzentrierten Ansatz und arbeiten ohne feste Besuchszeiten. So erleichtern wir Patienten und Angehörigen das Abschiednehmen.

Worin besteht die Herausforderung für das Pflegefachpersonal?

Die Arbeit mit unheilbar Kranken ist ein emotionaler Seiltanz. Einerseits erfordert der Umgang enorm viel Empathie, denn nur wer seine Patienten und deren Familie kennt, kann sie gut – und das bedeutet persönlich – betreuen. Andererseits muss man sich abgrenzen, um jederzeit professionell handeln zu können. Dazu muss man auch lernen, in seiner Freizeit abzuschalten und neue Energie zu schöpfen.

Wie begegnet das Lighthouse-Team den emotionalen Herausforderungen?

Wir führen wöchentlich interprofessionelle Fallbesprechungen durch, wo in Anwesenheit der Seelsorge, Pflege, Psychologie und Medizin umfassend über jeden einzelnen Patienten gesprochen wird. Zusätzlich rückt eine moderierte „Intervision» die Zusammenarbeit des Teams monatlich ins Zentrum. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass das gesamte Team über die Entwicklung eines Patienten informiert ist und ihm einheitlich entgegentritt.

Wie beurteilen Sie die Palliative Care in der Schweiz?

Die Schweiz hat erst Ende der Achtziger angefangen, sich mit dem Thema Palliative Care auseinanderzusetzen, weshalb es hierzulande verhältnismässig wenig Hospize und Palliativzentren gibt. Insbesondere bei der Finanzierung spezialisierter Palliative Care im Langzeitbereich bestehen nach wie vor Defizite. Diese Form der Pflege kann auch das Lighthouse nur dank der Unterstützung durch Spenden anbieten. Da die medizinische Versorgung in der Schweiz den Kantonen untersteht, ist die Entwicklung nationaler Strategien keine einfache Angelegenheit. Von dem neuen Nationalfonds wünsche ich mir zukunftsweisende Projekte, die in unserem stark ökonomisierten Gesundheitssystem auch die Finanzierung der Integration von Angehörigen miteinschliessen.

Wünschen Sie sich auch von der Öffentlichkeit mehr Auseinandersetzung mit dem Thema?

Durchaus. Die Enttabuisierung des Themas „Sterben» würde nicht nur zu einer besseren Integration kranker und alter Menschen in unsere Gesellschaft, sondern vielleicht auch zu mehr Wertschätzung für das Leben an sich führen. Die Arbeit im Lighthouse lehrt mich gewissermassen, dass mein «normales» Leben etwas ganz Besonderes ist. Ich bemühe mich, im Alltag keine Dinge mehr auf die lange Bank zu schieben und meine Energie in Positives zu stecken, anstatt mich über Dinge aufzuregen, die ich nicht beeinflussen kann.

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