StartseiteMagazinKulturLuzern, du darfst dich glücklich schätzen

Luzern, du darfst dich glücklich schätzen

LUCERNE FESTIVAL SOMMER 2009. Kammerorchesterkonzert vom 29. August 2009. Pierre Boulez nach dem Konzert mit dem Lucerne Festival Academy Orchestra. Bild Peter Fischli/Lucerne Festival

„Lucerne Festival zu Ostern“ hat die Passionszeit wiederum mit einem illustren Progamm bereichert – und den grossen Förderer Pierre Boulez gewürdigt.

Wovon Zürich seit Jahrzehnten träumt, das besitzt die Leuchtenstadt seit 1998: das Kultur- und Kongresszentrum am See, kurz KKL. Und Luzern hat mit Michael Haefliger einen Intendanten, der – nicht nur für die Innerschweiz – Gold wert ist. Die Rede ist nicht nur vom weltberühmten Konzertsommer, der dieses Jahr vom 12.8.-11.9. nicht weniger als 28 Sinfoniekonzerte und spannende Nischenveranstaltungen anbietet, und nicht nur vom Oster-Festival (mit mehrheitlich sakralen Werken) und dem Piano-Festival im November. Es ist die „Lucerne Festival Academy“,die Haefliger dank seinem Weitblick bereits im Jahre 2000 mit Pierre Boulez in die Wege leitete und ab 2003 zur erfolgreichen Kaderschmiede junger MusikerInnen aus der ganzen Welt ausbaute. Seither haben über 1000 Instrumentalisten, Dirigenten, Komponisten und Sänger jeweils im Sommer ihre Sporen abverdient und sich mit zeitgenössischer Musik auseinandergesetzt.

Eindrückliches Gedenkkonzert für Pierre Boulez

Als das diesjährige Programm schon feststand, verstarb der grosse Mentor der Moderne im Januar. Also schob man nun am Palmsonntag ein Gedenkkonzert ein, an dem sage und schreibe 114 Musiker aus aller Welt in Luzern zusammenfanden, um innert zweier Tage unter der Leitung von Matthias Pintscher, der das Erbe von Boulez mit dem Komponisten Wolfgang Rihm antritt, ein sinnstiftendes Programm mit Werken von Boulez, Alban Berg und Strawinsky einzustudieren. Und das Konzert wurde zum Ereignis. Pintscher und die Alumni-Musiker verstanden sich wie im Traum und bezeugten mit ihrem überragenden Einsatz, welche Wertschätzung sie ihrem Förderer zollten.

Das Dreigestirn William Christie – Eliot Gardiner – Jordi Savall

Zu den Perlen gehören auch ein paar Fragezeichen. So klingenden Namen wie William Christie und „Les Arts Florissants“ mit der konzertanten Wiedergabe von Mozarts Opern-Serenata „Il re pastore“ zu begegnen, sprengte zwar etwas den Kanon der Oster-Konzerte. Sie dann aber mit dem vor Lebensfreude sprühenden und unbändig parodierenden Rolando Villazon, der virtuos schäkernden Martina Jankova und dem Luzerner Juwel Regula Mühlemann zu erleben, war dann freilich ein einnehmendes Glanzstück. Charmanter geht gar nicht, auch wenn Villazon etwas gar auf die Clown-Nase setzte.

Der reizvolle Vergleich mit Gardiners «Klassiker», der Matthäus-Passion von J.S. Bach, mit Jordi Savalls Interpretation sakraler Chorwerke Charpentiers, Händels, Vivaldis und noch einmal J.S. Bach geriet dann allerdings etwas ernüchternd. Gardiner ist nun einmal nebst Herreweghe das Mass aller Dinge. The English Baroque Soloists folgen Gardiners Intentionen mit differenziertem Zugriff  und betörendem Wohlklang. Und sein Monteverdi Choir singt die vertrackte Partitur nicht nur auswendig, sondern auch mit einer Emphase ohnegleichen. Hinzu gesellte sich Mark Padmore als begnadeter, ungemein beseelter Evangelist und Stephan Loges als Christus. Und hier beginnen die Fragezeichen: Er als Deutscher passte einfach nicht in das akkurate englische Fluidum. Wiewohl ja alle deutsch singen, ist die Artikulation und Wortbestimmtheit bei Gardiners Sängerschar in Fleisch und Blut, im Gegensatz zu Loges zwar kernigem, aber zu wenig agilem Bassbariton. Dass die anderen solistischen Partien von Choristen interpretiert werden, geschieht ganz im Sinne Bachs. Wer aber den Altisten Andreas Scholl in „Erbarm es Gott“ und „Ach, Golgatha“ in Erinnerung hat, muss diese Besetzung bedauern.

Jorgi Savall war dieses Jahr „artist-in-residence“ und mit drei Programmen, die ganz im Dienste der Multikulturalität und seiner Botschaft nach Frieden standen. Aber was für ein Unterschied zu Gardiner. Sein Vokalensemble „La Capella Reial de Catalunya“ klebt mit dem Gesicht in den Noten und strahlt einfach nicht die gleiche Souveränität aus wie die englischen Choristen. Bei der Altistin wurde man das Gefühl nicht los, sie würde aus dem Stegreif die Noten ertasten, und ihr Timbre war alles andere als barock.

Aber hier stellt sich noch eine andere Frage. Natürlich ist die Matthäus-Passion nur schon aufgrund ihrer Länge kirchensprengend. Aber Charpentiers „Te Deum“, Händels „Jubilate“, Vivaldis und J.S.Bachs „Magnificat“ sind nun einmal Sakralwerke, welche von der mystischen Aura eines Kirchenraumes begünstigt werden. Die für Chöre etwas nüchterne Akustik im KKL gereicht ihnen nicht zum Vorteil. Es ist aber schon klar, die Kasse muss einfach auch stimmen, und die harten Kirchenbänke sind nicht jedermanns Sache.

Mariss Jansons dirigiert die „Leningrader“ von Schostakowitsch

Legendenumrankt ist die 7. Sinfonie des Russen Schostakowitsch, entstand sie doch während der Belagerung Leningrads durch die deutsche Wehrmacht. Sie wurde vom Staatsapparat Stalins sowohl propagandistisch hochgejubelt als auch als zu wenig „sowjetisch“ verteufelt. Nun, Schostakowitsch war schon immer ein Gratwanderer, der um seine Existenz bangen musste. Dass die Siebte ein „patriotisches Bekenntniswerk“ ist, steht ausser Frage, aber hinter jedem Trommelwirbel schon eine Gewehrsalve der Nazis zu wittern, halte ich für eine untaugliche Vereinfachung. Jansons kennt das Opus aus dem „ff“ und das Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks seit 2003 seinen Chef. Trotzdem erwarte ich, dass bei dieser grossen Streicherbesetzung auch die hinteren Pulte absolut synchron spielen, und das war einige Male nicht der Fall. Aber gesamthaft war es doch eine packende Wiedergabe und der Beifall entsprechend warmherzig.

„Prima Donna“ – das Motto des Lucerne Festival im Sommer 2016

Frauen prägen als „artistes étoiles“ das diesjährige Sommerprogramm. Ob solistisch instrumental oder vokal, als Dirigentinnen oder Olga Neuwirth als „composer-in-residence“, das Motto belegt, dass die Bedeutung und Gleichwertigkeit des weiblichen Geschlechts in Luzern schon immer selbstverständlich war, aber auch verdient, einmal speziell hervorgehoben zu werden.

Der Kartenvorverkauf läuft, telefonisch ab dem 23. März unter 041/226 44 80 oder unter ticketbox@lucernefetival.ch.

Spenden

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, Sie zum Denken angeregt, gar herausgefordert hat, sind wir um Ihre Unterstützung sehr dankbar. Unsere Mitarbeiter:innen sind alle ehrenamtlich tätig.
Mit Ihrem Beitrag ermöglichen Sie uns, die Website laufend zu optimieren, Sie auf dem neusten Stand zu halten. Seniorweb dankt Ihnen herzlich.

IBAN CH15 0483 5099 1604 4100 0<

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Beliebte Artikel

Mitgliedschaften für Leser:innen

  • 20% Ermässigung auf Kurse im Lernzentrum und Online-Kurse
  • Reduzierter Preis beim Kauf einer Limmex Notfall-Uhr
  • Vorzugspreis für einen «Freedreams-Hotelgutschein»
  • Zugang zu Projekten über unsere Partner
  • Massgeschneiderte Partnerangebote
  • Buchung von Ferien im Baudenkmal, Rabatt von CHF 50 .-