Baden beim Rothus

Die Badestelle Rothus, ihre Geschichte und über das Vergnügen des freien Schwimmens im See, das heute unzählige weitere öffentliche Plätze am See ermöglichen.

Am längsten Tag hat die Hitze den Sommer aus der Regentraufe gehoben. Rasch sind die Temperaturen der oberen Seewasserschicht auf 20 Grad geklettert und die Seemaitli und Seebuebe, wie sich die Einheimischen jeglichen Alters hier stolz nennen, schwimmen und tauchen begeistert im Zürichsee, am liebsten vom Ufer aus, denn wer weiss schon, wann sich der Bademeister entschliesst, Wasser und Wetter für genügend gut zu befinden, um die öffentliche Badeanstalt zu öffnen.

Der Badeplatz Rothus ist ein begehrter, verschwiegener Ort am See: eine Wiese, vier Platanen und eine Ulme, eine Treppe zum Wasser, daneben ein Hafen mit einem Dutzend Bootsplätzen. Das alles eingeklemmt zwischen See und Bahntrassee, als Infrastruktur drei Holzbänke, eine Grillplatz und ein Abfalleimer. Der einfache Badeplatz ohne Komfort wird heiss geliebt von einem Stammpublikum, das sich durch Generationen aus allen sozialen Schichten zieht und das sich jeden Sommer auf dieser Wiese wieder trifft.

Wer zum Rothus kommt, der will die Sonne und die Ruhe geniessen und schwimmen, in den See hinaus oder in der Bucht, eine weite Strecke dem Ufer entlang, ohne Einschränkungen und auf eigene Verantwortung. Einzelne steigen hier das ganze Jahr hindurch in den See. Das Eintauchen ins kalte Wasser gibt dem Körper einen gewissen Kick, der eine grosse Energie freisetzt.

Badestelle Rothus heisst die Wiese im Internet. Ein widersprüchlicher Name. Die Wiese Rothus wird 1655 und die Eigentumsübertragung eines roten Hauses 1665 urkundlich erwähnt. Rothus nannten die Wädenswiler ein Quartier rund um eine Bucht am See mit einer Schiffshaab, die bis 1875 als wichtiger Schiffsanlege- und Warenumschlagsplatz diente. Damals hatte jedes Quartier einen eigenen Hafen. Hier wurden Güter umgeladen und Schiffe verankert. Die Haaben mussten mit Mauern und Steinen gegen Stürme und Hochwasser befestigt werden. In Wädenswil gab es rund ein Dutzend solcher Haaben, sie gehörten den Anwohnern, den Besitzern von je 8 bis 10 Liegenschaften, und wurden von ihnen genossenschaftlich geführt und unterhalten. Mit dem Bau der Bahn am linken Seeufer und mit der Wädenswil-Einsiedeln-Bahn um 1873 bis 1875 verloren die Haaben ihre Bedeutung, sie mussten dem Bahntrassee weichen und wurden aufgehoben. Das rote Haus wurde 1936 wegen Erweiterung der Seestrasse abgebrochen.

Wer heute zum Rothus kommt, der badet nicht, er geht schwimmen. Die 90-jährige Sonja Lehner hat das Rothus noch als Bade- und Waschplatz erlebt. Sie erinnert sich, wie ihre Mutter in den dreissiger und vierziger Jahren, zusammen mit einer Nachbarin, alle zwei Wochen morgens um 5 Uhr mit dem Leiterwagen von der Buckstrasse übers Bahngeleise zum Rothus gefahren ist und am See die Wäsche für ihre Familie gewaschen hat. Auf 6 Uhr liess sie ihre Kinder kommen. Sie zogen die frisch gewaschenen Kleider über ihre Badeanzüge an und schwammen in den See hinaus, um die Wäsche zu spülen. Dank der Hilfe der Kinder sei die Mutter mit dem Waschen rascher voran gekommen als ihre Nachbarinnen.

Waschen am See um 1950

Das morgendliche Bad im See vor Schulbeginn ersetzte den Kindern die tägliche Körperwäsche. Schwimmen konnte Sonja bereits im Kindergarten. In der Schule hätten manche Lehrkräfte ihren Schülern, voll bekleidet, vom Rand des Nichtschwimmerabteils aus das Schwimmen beigebracht: Die Kinder wurden mit einem an einem Stab befestigten Schwimmring ins Wasser getaucht und festgehalten. Wer ohne Hilfe drei Runden im Nichtschwimmerbecken schaffte, durfte aufs Floss. Sonjas Mann, mit einer militärischen Sportlehrerausbildung, anerbot der Schulpflege, den Kindern Schwimmunterricht zu erteilen, doch diese lehnte ab: Schwimmen gehöre zu den Aufgaben des Klassenlehrers.

Auch heute noch, im Alter von 90 Jahren, geht Sonja im See schwimmen, in der Nähe ihrer Wohnung, über die nächste Treppe zum See. Warum sie nicht die Bretterbadi benütze, unser öffentliches altes Badehaus mitten in der Stadt, frage ich. Die Badi öffne ja erst um 10 Uhr und das nur bei schönem Wetter, je nach Urteil des Bademeisters. Früher war das anders. Sonja nennt Namen von lokalen Geschäftsinhaberinnen, die im Sommer den Tag mit einem Schwumm in der Bretterbadi begannen.

Die erste Wädenswiler Badeanstalt, eine schwimmende „Bretterbadi“, wurde 1856 gebaut, um „dem widerwärtigen Baden der Jugend auf Haaben und an öffentlichen Plätzen Einhalt zu gebieten“. Sie wurde einmal versetzt und dreimal renoviert. Gebadet wurde nach Geschlechtern getrennt, mit gratis Badezeiten für Kinder. Da Verbote seit jeher zu deren Übertretung reizen, wie mir Historiker Prof. Dr. Peter Ziegler erklärt, hielten sich die Kinder nicht an die Regeln und nutzten weiterhin die Freiheit, jederzeit im See zu schwimmen.

Baden und Schwimmen am Zürichsee
Peter Ziegler «Der See und die Menschen»

Foto «Waschen am See» Ursula Speich
übrige Bilder Brigitte Poltera

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