StartseiteMagazinKolumnenMoskau einfach war damals

Moskau einfach war damals

Heute wird der Kreml zum Wallfahrtsort und Putin zum Vorbild.

So lange ist es gar noch nicht her. Sie erinnern sich: Wer sich nicht bürgerlich verhielt, dem wurde in der Schweiz ganz schnell – zumindest rhetorisch – ein Billet „Moskau einfach“ zugestellt. Und wer sich gar als Marxist hervortat, war dem Zorn, auch und gerade der vornehmen „Neuen Zürcher Zeitung“, ausgesetzt. Der Journalist Ernst Bieri, später Zürcher Stadtrat der FDP (1966-70) und Bankier, griff damals zum journalistischen Zweihänder und prangerte 1956 den Marxisten und Kunsthistoriker Konrad Farner in seiner Zeitung nicht nur direkt an, sondern gab auch gleich die Adresse der Familie Farner bekannt. Vor seinem Haus in Thalwil versammelte sich in der Folge eine wütige Schar Demonstranten, die lauthals skandierten: «Hängt ihn auf». Die Fassade des Hauses bekleckerten sie mit Schriftzügen wie „Kreml“. Das lokale Gewerbe boykottierte die Familie. Farners Kinder wurden auf der Strasse bespuckt und mit Steinen beworfen. „Vor dem Haus wurde auf einem grossen Schild verkündet, Farner wolle die kommunistische Tyrannei in der Schweiz errichten: „Er und wer mit ihm verkehrt, sei von allen Freiheitsliebenden verachtet.“ Mit wechselndem Text blieb das Schild zehn Jahre stehen, andere Belästigungen endeten erst, als Farner 1969 aus der PdA austrat“, wie die NZZ im Jahre 2001 in einer geschichtlichen Aufarbeitung die damaligen Ereignisse darstellt.

Konrad Farner hatte aber nicht nur Feinde im eigenen Land. Judith Giovanelli-Blocher, die Schwester Christoph Blochers, beschreibt ihn in ihrer Biografie als einen Mann, der „für nahezu alles stand, was auf dem breiten Weg sündhaft ausgelebt werden kann: Er liebte die Frauen, er war ein Charmeur und Geniesser, schätzte nicht nur die Heimatkunst“; er liebte auch sie und sie ihn, heimlich.

Moskauhörige, gar hedonistische, hatten keinen Platz in unseren westlichen Demokratien. Die Armeen des Warschauer Paktes standen an der Grenze zu Westdeutschland. Es war nur noch eine Frage des Zeitpunktes, wann wir auf breiter Front mit einem riesigen Panzerstoss überfallen würden. Die Bedrohungsszenarien in der Schweizer Armee waren jedenfalls immer und ausschliesslich auf den roten Feind aus dem Osten ausgerichtet. Was hinter dem Eisernen Vorhang vorging, war zuerst und vor allem höchst suspekt.

Und heute? Schamlos griff der Kreml in den amerikanischen Wahlkampf ein, verbreitete Fake News, versuchte die demokratische Kandidatin Hillary Clinton zu diskreditieren, versuchte Donald Trump ins Weisse Haus zu hieven. Und Donald Trump verniedlicht die Absichten Moskaus, weil er davon wohl profitierte; er wird am 20. Januar 2017 ins Weisse Haus einziehen. Er bezeichnet Putin, von dem die Aktion ausging, so die US-Geheimdienste, als einen Freund, mit dem er künftig die Welt regieren will. Putin, ein Mann, der in der Zeit des Kalten Krieges in der ehemaligen DDR ein getreuer Spion des kommunistischen Geheimdienstes KGB war. Und jetzt hat er ohne Kriegsgeschrei, ohne Waffen, heimlich, direkten Einfluss auf den souveränen Staat USA genommen, auf die Schutzmacht Europas.

Und wir? Die Empörung darüber hält sich erstaunlicherweise in Grenzen. Wie werden wir aber reagieren, wenn Moskau auch auf unsere Wahlen Einfluss zu nehmen versucht, auf die kommenden Wahlen in den Niederlanden, in Frankreich, in Deutschland in diesem Jahr. Müssten wir nicht einen Schutzwall gegen die „Cyber-Kampagne“, den „Ciber-Krieg“ Moskaus aufbauen, müssten wir nicht gemeinsam mit dem Westen eines tun: unsere Demokratie schützen, unsere Unabhängigkeit sicherstellen, den fremden Einfluss abwehren?

Ist nicht jetzt wieder Widerstand angesagt, nicht gegen einen einzelnen Menschen im Westen, wie damals gegen Konrad Farner, sondern gegen einen Machtanspruch, der von Putins Moskau ausgeht. Noch geduldet oder gar begrüsst vom künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, von Donald Trump. Wie hiess es im damaligen Verteidigungsbüchlein der Schweiz: „Wehret den Anfängen.“

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