StartseiteMagazinKulturMan muss nun mal leben…

Man muss nun mal leben…

Düster und heiter zugleich: Karin Henkel inszeniert auf der Pfauenbühne des Schauspielhauses Zürich «Onkel Wanja» von Anton Tschechow.

Der emeritierte Professor Serebrjakow reist mit seiner jungen Frau Elena in die russische Provinz, wo er auf dem Gut seiner verstorbenen ersten Frau den verdienten Ruhestand verbringen will. Seine Tochter Sonja und ihr Onkel Wanja verwalten den Betrieb seit einer gefühlten Ewigkeit, wobei sie den hart erwirtschafteten Erlös stets dem Professor zukommen liessen – war dieser doch eine Berühmtheit, der Stolz der ganzen Familie. Doch nun, da alle auf dem Gut vereint sind, beginnt dieses Bild allmählich zu bröckeln. Enttäuscht muss Wanja feststellen, dass er einem Trugbild verfallen ist, dass er sich all die Jahre für einen eitlen Blender abgerackert hat.

Zu allem Übel verliebt er sich auch noch unglücklich in die schöne Jelena. Auch den Landarzt und Umweltschützer Astrow lässt die Professorengattin nicht ganz kalt, dabei hat der enttäuschte Idealist doch längst mit der Liebe und dem Leben abgeschlossen. Sonja wiederum ist seit Jahren in Astrow verliebt und wartet verzweifelt darauf, von ihm bemerkt zu werden. Sie alle begehren ins Leere und taumeln traumwandlerisch zwischen Erwartung und Wirklichkeit.

Ein Spiel ohne Schwere und Trägheit

«Onkel Wanja», 1899 am Moskauer Künstlertheater uraufgeführt, ist ein wunderbar wehmütiges, traurig-komisches «Drama des Alltags». Karin Henkel bietet mit ihrer Inszenierung von «Onkel Wanja»auf der Pfauenbühne über weite Strecken düsteres und zugleich heiteres Unterhaltungstheater. Sie versteht es, dem Text seine Schwere zu nehmen, ohne sein Gewicht zu verringern. Die Tschechowsche Melancholie wird nicht krampfhaft vergeistigt, sondern sehr direkt, unverblümt, schalkhaft– mit effektbewussten Auftritten – gespielt. Unter ihrer Führung verlieren die Figuren an Schwere, an Trägheit und finden doch keinen Weg, sich in die Freiheit hinauszuwinden. Dafür gabs am Ende der zweistündigen Aufführung starken Applaus und Bravorufe.

Liebesspiel mit Musik (von links): Alain Croubalian, Lena Schwarz und Siggi Schwientek.

Zu Beginn steht Onkel Wanja am Bühnenrand – gewappnet mit Revolver und Wodkaflasche, erzählt müde und hasserfüllt, dass er sich um seine Arbeit betrogen fühlt, ja um sein Leben, will sich umbringen. Doch: «Man muss nun mal leben, auch wenn man es gar nicht will», sagt die umtriebige Sonja. Einer modernen Patchworkfamilie gleich zelebrieren darauf die Figuren mit Melancholie und Komik ihre überspannten Erwartungen an das Leben, an sich selbst und an die anderen, reden und streiten aneinander vorbei, vollführen effektvolle Slapstikeinlagen und heftige Umarmungen, die dem Treiben eine absurde Note verleihen. Immer mit dabei ist die Wodkaflasche, aus der bis zum Umfallen getrunken wird. Mit von der Partie ist auch ein Musiker (Alain Croubalian), der mit seiner Gitarre und rauchigen Stimme das traurige Ego-Spiel mit wehmütigen Klängen unterstützt. Und zum Schluss folgt Sonjas kitschiger Monolog über die heilsame Kraft des geruhsamen Lebens, der einen etwas verwunderlichen Kontrapunkt zum sonst so gnadenlosen Spiel setzt.

Grau und schwarz ist das von Stéphanie Laimé geschaffene Bühnenbild, das – so will es scheinen – auch eine Öko-Botschaft verkündet. Die graue Videowand im Hintergrund entpuppt sich als tropfende Eiswand, die allmählich in sich zusammenfällt und die ganze Bühne mit Wasser flutet. Eine Anspielung auf den aktuellen Klimawandel? Man kann es so deuten. Jedenfalls ist es ein effektvolles Bild für den nutzlosen Zweckoptimismus, den Tschechows Figuren verkörpern und über die bald die Sintflut hereinzubrechen droht.

Eine grandiose psychologische Studie

Das siebenköpfige Schauspielerensemble zeigt ein grossartiges Spiel. Allen voran Siggi Schwientek als Onkel Wanja. Ihm gelingt eine grandiose psychologische Studie von Selbsthass, Liebesleid und Verachtung. Mimisch gekonnt unterdrückt der hagere Spieler im buntfarbenen Pullover seinen Frust und seine Wut, die dann doch immer unkontrollierter und stets mit etwas Schalk aus ihm herausbricht. Grossartig sind auch Lena Schwarz als lebens- und liebeshungrige Professorengattin Jelena, die sich gegen das Verkümmern stemmt, ihren Gatten wie eine Busse auf sich nimmt und sich in Liebesbeziehungen mit dem Arzt Astrow verstrickt, und Carolin Conrad als hoffnungslos verliebte Professorentochter Sonja, die ständig eifrig bemüht ist, die Schicksalsgemeinschaft zusammenzuhalten und das trostlose Leben schönzureden.

Ensemble zum Blues vereint (in der Bildmitte: Siggi Schwientek als Onkel Wanja). Fotos: Matthias Horn

Markus Scheumann liefert einen recht kaputten und versoffenen Landarzt und Umweltschützer Astrow, der sich über den Landkarten verschwundener Wälder ereifert und über des Lebens Vielfalt philosophiert. Man wundert sich, was die Frauen an diesem desillusionierten Mann finden. Gottfried Breitfuss gibt einen erbärmlichen Professor Serebrjakow, der sich vernachlässigt und krank fühlt und von allen bemitleidet werden will. Besondere Erwähnung verdient noch Nikola Weisse als Mutter von Serebrjakows erster Frau. Grossartig, wie sie mit ihrer trockenen und souveränen Art mehrfach den lamentierenden Professor mit ihrem Gang zum Sanitätskasten verunsichert.

Weitere Spieldaten: 16., 21., 23., 16. Januar, 10., 12., 14., 22., 26. Februar, 1., 5. März 2017.

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