Als der Fotopionier Emil Kreis in Kriens LU sein Atelier eröffnete, gab es keine Filme, von der digitalen Fotografie ganz zu schweigen. Er fotografierte mit einer klobigen und schweren 18×24-Nettel-Kamera, die auf einem schweren Stativ stand und mit Steckblenden versehen war. Die Bilder wurden auf Glasplatten belichtet und im eigenen Labor entwickelt.
Glas war damals das erste verfügbare Trägermaterial für Fotoemulsionen. Erst mit der Erfindung des Zelluloids wurde die Herstellung von fotografischen Filmen möglich.
Hilar Stadler, Leiter Museum im Bellpark, mit der klobigen Kamera von Emil Kreis
Das Objektiv war sehr lichtstark, weil es im Atelier oft zu wenig Licht hatte. Für die Aussenaufnahmen benutzte Kreis verschiedene andere Kameras.
Der ursprünglich aus der Ostschweiz stammende Kreis war ein gelernter Schlosser und Eisendreher. Das Handwerk des Fotografen eignete er sich bei einem Freund in Rorschach während der Schlosserlehre an.
Mit solchen Steckblenden wurde damals fotografiert
Kreis verliess seinen Heimatort Arbon am Bodensee 1888 als kaum Zwanzigjähriger und ging auf Wanderschaft durch West- und Osteuropa. Ein Abstecher hatte ihn sogar auf dem Postschiff «Berlin» im Jahre 1893 für kurze Zeit nach Nordamerika geführt. Ein längerer Aufenthalt in Berlin erlaubte ihm, sich in das Fachgebiet der professionellen Fotografie zu vertiefen und sich mit dem damaligen Stand der Aufnahme- und Labortechnik vertraut zu machen.
In der Werkhalle der Firma Bell in Kriens
Fachlich bestens ausgerüstet, liess sich Emil Kreis in der zweiten Hälfte der 1890er Jahre in Kriens nieder. Er heiratete die Krienserin Maria Agatha Zons. 1898 eröffnete er sein Atelier im Oberdorf in Kriens. 1901 vergrösserte er sein «photographisches Atelier» in seinem Haus im Neuquartier.
Emil Kreis machte unzählige Portraitaufnahmen und hielt darüber hinaus das damalige Kriens aus verschiedenen Blickwinkeln mit seinen Apparaturen fest.
Im Jahre 1906 fand er die Anstellung als Werkfotograf bei der Maschinenfabrik Bell in Kriens, die bereits damals weltweit einen überragenden Namen auf den Gebieten der Wasserturbinen-Papiermaschinen- und Pressen hatte. Auch Seilbahnen und Eisenbahnbrücken gehörten zu den damaligen Spezialitäten der Firma Bell. Emil Kreis fotografierte sie alle.
Jahrelang schlummerten die 3000 Glasnegative, Stative und Kameras im Keller der Nachkommen. Der Nachlass dieses Pioniers der Fotografie wurde von den Erben, einem Enkel in Form einer Schenkung dem Museum im Bellpark überlassen.
«Wir durften den Schatz aus einem Krienser Keller bergen und sind sehr glücklich darüber, weil er die Zeit um 1900 bebildert, wo wir dachten, dass wenig Bilder existieren», erzählt der Leiter des Museums im Bellpark, Hilar Stadler Seniorweb.
Die teils vom Schimmel befallenen Glasplatten mussten gereinigt und gesichtet werden. Der Zürcher Fotograf Martin Stollenwerk hat die ausgewählten Glasplatten auf einem Leuchtpult fotografiert, verarbeitet, vergrössert und digitalisiert.
Die Portraits und Gruppenaufnahmen im Atelier zeigen, wie sich die Menschen damals fotografieren liessen. Sie waren sonntäglich gekleidet und schauten ernst in die Kamera. Sie wollten sich im besten Licht zeigen. Hilar Stadler: «Emil Kreis spannte die Leute auf einen Fotostuhl. Deshalb sehen sie manchmal auch etwas steif aus.» Damals galt ein Fotostudio als Folterkammer.
Fotos: Emil Kreis und Josef Ritler
Die Ausstellung dauert:
15. Juni bis 21. Juli 2019
24. August bis 10. November 2019
30. November 2019 bis 16. Februar 2020
Das Buch:
Fabrik und Atelier. Menschen und Dinge. Emil Kreis. Fotografie um Neunzehnhundert.
ISBN 3-9521018-5-0
http://bellpark.ch