«DAS THEATER an der Effingerstrasse» in Bern zeigt zum Saisonbeginn eine Aufführung, die sowohl mit dem Inhalt und Gehalt des Textes als auch mit der einmalig starken und differenzierten Interpretation von Heidi Maria Glössner, der grossen Dame des Theaters, hohe Massstäbe setzt.
Die weit über Bern und die Schweiz hinaus bekannte Darstellerin steht und geht im Rhythmus ihrer Gedanken in einem 80 Minuten dauernden Monolog auf der Bühne. Immer präsent ihr vielseitiger mimischer Ausdruck und die Phrasierung des Textes, abgestimmt mit ihren Bewegungen im Spielraum und mit dem Hantieren mit den spärlichen Requisiten. Alles das sind adäquate Elemente zum Thema des Stücks, zur Auseinandersetzung mit einer persönlichen Tragödie und zu deren sprachgewandten Bewältigung.
Kennt man die Schauspielerin von ihren langjährigen Bühnenauftritten her, glaubt man das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Regisseur der Aufführung, Wolfgang Hagemann feststellen zu können. Passend zur Atmosphäre der Inszenierung und des Auftritts der Darstellerin ist auch die beinahe eine klinisch reine und damit auch leise beängstigende Stimmung vermittelnde Gestaltung des Spielraums von Peter Aeschbacher, vorwiegend in Weiss und abgeschlossen von der Umwelt, von realem Leben – bis auf das Schlussbild, das sich der wirklichen Welt wieder zu öffnen scheint. Das Kostüm von Sybille Welti fügt sich übereinstimmend in diese bildliche Symbolik ein.
Heidi Maria Glössner als Joan Didion. © Severin Nowacki.
Der Handlungsablauf fesselt, lässt die Tiefe der Trauer, der Erschütterung und der Verletzung erkennen. Der Monolog – das Monodrama – beschreibt den unvorbereiteten plötzlichen Tod des Ehemannes. Der Titel: Das Jahr magischen Denkens. Es wird durchaus klar, worin dieses magische Denken besteht: Witwe Joan weiss jederzeit in ihrem stets ungetrübten Denken genau, dass ihr John gestorben ist. Trotzdem lässt sie noch Monate nach seinem Tod seine Schuhe stehen: Er braucht sie, wenn er wiederkommt. Darin besteht das Magische: Die Tragödie souverän wegstecken -vordergründig. Im Wissen um das Unwiederbringliche, Endgültige andererseits mit derselben Selbstverständlichkeit immer wieder die Rückkehr denken, mit einer Hoffnung, die von einer Art surrealen, esoterischen Wirklichkeit bestimmt ist.
Formal äusserst spannend kommt hinzu, dass im Verlauf des Monologes, der Handlung auf der Bühne, kontrapunktisch neben dem unerwarteten, plötzlichen, hoffnungslosen Todesfall ein von hoffnungsvollen Phasen unterbrochenes langes Sterben stattfindet. Diese beiden Handlungslinien machen das Jahr magischen Denkens bei Joan aus.
Joan Didion ist keine Theaterrolle, sie ist eine reale Person, geboren 1934 in Sacramento, Kalifornien. Sie lebt und arbeitet als Essayistin, Journalistin, Drehbuch- und Romanautorin in New York. 1964 heiratet sie John Gregory Dunne, Schriftsteller und Mitherausgeber des New Yorker Time Magazine. Am 30. Dezember 2003 bricht er am Tisch vor dem Abendessen unvermittelt tot zusammen. Beider Adoptivtochter liegt zu dieser Zeit im Koma und stirbt im August 2005. Joan Didion verfasst aufgrund ihrer zwei Bücher über diese Schicksalsschläge den Bühnenmonolog The Year of magical Thinking, deutsch von Terence French (Quelle: Programmheft).
Aufführungen bis 20. September 2019.