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Die Welt als Ware

Mit «Circular Flow – Zur globalen Ökonomie der Ungleichheit» thematisiert das Basler Kunstmuseum Gegenwart Fragen und Konfliktfelder der Globalisierung. Die Ausstellung präsentiert verschiedene Themenkreise mit historischen Werken aus der Sammlung sowie mit Arbeiten und Installationen von jungen Kunstschaffenden.

Seit Menschen existieren, gibt es Wanderbewegungen und Austausch über weite Strecken. Mit der Entdeckung Amerikas und den gut organisierten Handelskompagnien nach Übersee und Asien haben sich die Kontakte ausgedehnt. Mit der heutigen Vernetzung rückt die Welt noch näher zusammen, so dass die Auswirkungen überall sichtbar sind.

Alghiero Boetti, Mappa, 1988, Stickerei auf gewebter Baumwolle, 120 x 214,6 cm. Kunstmuseum Basel/©2019, ProLitteris, Zurich.

Die Migration ist heute meistens eine Folge von Kriegen, ungleich verteiltem Wohlstand, Armut, Nationalismus, Klimawandel – mehr als 70 Millionen Menschen befanden sich Ende 2018 weltweit auf der Flucht. Aufgrund der Dringlichkeit des Themas beginnt die Ausstellung mit dem Bild des Flüchtlingslagers. Der irische Künstler Richard Mosse (*1980) filmte während eines mehrjährigen Aufenthalts in Griechenland die Erstaufnahmeunterkunft «Moria» auf Lesbos. Mit den Aufnahmen gestaltete er auf 16 grossformatigen Flachbildschirmen die Videoinstallation Grid (Moria), welche beim Betrachter unangenehme Gefühle weckt.

Ein weiterer Themenbereich befasst sich mit dem Kampf um begehrte Waren. Im 17. Jahrhundert brach in den Niederlanden der «Tulpenwahn» aus. Tulpenzwiebeln wurden wie Gold gehandelt, bis die Spekulationsblase 1637 kläglich zusammenbrach und der Wirtschaft grossen Schaden zufügte. Claus Richter (*1971) stellt in der Installation Omnia peribunt solche ökonomischen Kreisläufe mit Figuren und kugelförmigen abstrakten Produkten dar.

Claus Richter, Omnia peribunt, 2019. Foto: rv. Wie der Hype um die Tulpenzwiebeln, zeigt der Künstler in der Installation, dass trotz der Kämpfe am Ende ‘alles vergänglich ist’.

Andere Künstlerinnen und Künstler beschäftigen sich mit den komplexen Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik hinsichtlich des weltweiten Geschäfts mit Rohstoffen wie seltenen Erden, Erdöl, Wasser oder den Patenten für lebensnotwendige Ressourcen wie Saatgut.

Lisa Rave (*1979) zeigt eine Videoinstallation über die Seltene Erde Europium (2014), die heute als das Geschäft der Zukunft gehandelt wird. Europium ist ein Schlüsselelement in Farbbildschirmen von Handy, Tablet, Fernseher oder Laptop. Es hat die Eigenschaft in einem Farbton zu phosphoreszieren, der mit technischen Mitteln nicht synthetisiert werden kann. Das Material findet sich in den Gehäusen von Tiefseeorganismen, wie Muscheln. Dafür wird der Meeresboden um Papua-Neuguinea ohne Rücksicht auf Flora und Fauna umgegraben.

Bureau d’études, Petropolitics (Ausschnitt) stellt auf der 14 m langen Wandtapete die komplexen Beziehungen zwischen Staaten und transnationalen Organisationen wie Finanzunternehmen, Regulierungsbehörden, Waffenherstellern u.a. mit Karten und Diagrammen dar.

Öl ist der weltweit am meisten verbreitete Rohstoff und die damit verbundenen Industrien bilden den global grössten Wirtschaftszweig. Die französische Künstlergruppe Bureau d’études untersucht den globalen Ölhandel vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute und erarbeitete für die Ausstellung eine Wandtapete Petropolitics, welche die historischen und aktuellen Entwicklungen innerhalb des globalen Ölhandels mit Kartografien und Diagrammen aufzeigt.

In den alten Industriestaaten dominieren zunehmend Berufe im Dienstleistungssektor. Die industrielle Produktion wird in andere Teile der Welt zu Billiglöhnen ausgelagert. Der chinesische Dokumentarfilmer Wang Bing (*1967) zeigt diese Realität in seinem Film 15 Hours (2017). Wang folgt darin einer Gruppe von Arbeiterinnen und Arbeitern durch eine Kleiderfabrik in China. Auf Akkordbasis werden während sieben Tagen in der Woche von 8 bis 23 Uhr tausende von Kleidungsstücken hergestellt. Mit der Dauer von 15 Stunden entspricht der Film genau der Länge einer normalen Schicht.

Simon Denny, Amazon worker cage patent drawing as virtual King Island Brown Thornbill cage (US 9,280,157 B2: «System for transporting personnel within an active workspace» 2016), 2019. ©Foto: Jesse Hunniford / MONA.

Mit der Gewinnmentalität der neoliberalen Unternehmen setzt sich Simon Denny (*1982) auseinander. Seine Installation bezieht sich auf die unmenschlichen Arbeitsbedingungen von Amazon. 2016 reichte Amazon ein Patent beim US-amerikanischen Markenamt ein für die Erfindung eines fahrbaren Geräts aus Drahtgeflecht mit mechanischen Greifarmen. In diesem Käfig, der von aussen mit einem Code-Schloss verriegelt werden kann, sollten die Angestellten durch das Lager rollen und die Waren verschieben. Offiziell hiess es, dass der Käfig die Angestellten vor Verletzungsgefahr schützen sollte. Nach massiver öffentlicher Kritik distanzierte sich der Konzern 2018 von der Erfindung.

Seit den 1990er Jahren wird ein deutlicher Anstieg des «Menschenhandels» im Zusammenhang mit Migration, Mobilität und Sexarbeit verzeichnet – eine direkte Konsequenz der Globalisierung sowie sozioökonomischer Faktoren. Die Grenzen zwischen der «freiwilligen» Arbeit als Dienstleisterinnen und der bis zu moderner Sklaverei reichenden Zwangsarbeit sind fliessend. Dazu recherchierte Ursula Biemann (*1955) während zweier Jahre und reiste mit ihrer Kamera von Manila nach Nigeria, von Burma nach Thailand, von der Ukraine und Bulgarien nach Mitteleuropa.

Die Ausstellung bietet weitere Plattformen wie die Installation von Alice Creischer (*1960) mit der «Versuchsanordnung, die so tut, als ob sie dazu dient, einen Apparat zu konstruieren: ein Apparat zum osmotischen Druckausgleich von Reichtum bei der Betrachtung von Armut» (2005-2007) und endet mit den museumseigenen sozialen Plastiken und Installationen von Joseph Beuys (1921-1986).

Die Ausstellung Circular Flow ist weitläufig und regt an, sich über unsere eigenen Lebensbedingungen Gedanken zu machen. Sie zeigt, dass die Basis unseres Wohlstands das Elend der anderen ist, dass deren Armut der Garant für das Funktionieren unserer Ökonomie ist – der ewige Kreislauf von Arm und Reich.

Alice Creischer, Apparat zum osmotischen Druckausgleich von Reichtum bei der Betrachtung von Armut, 2005-2007 (Ausschnitt aus der Installation). Foto: rv

Bis 3. Mai 2020
Kunstmuseum Basel I Gegenwart, Circular Flow – Zur Ökonomie der Ungleichheit.

Zur Ausstellung gibt es einen Reader in englischer Sprache, u.a. mit Beiträgen einzelner Künstler. CHF 19.00.

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