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Zum Tode von Christophe Keckeis

Der erste Chef der Armee – mit internationaler Reputation

Plötzlich rückt alles viel näher. Am Freitag spätabends klingelt das Telefon: Philippe Zahno, mein welscher Kollege, war am Telefon: „Pilo, unser Freund Christophe Keckeis (75) ist gestorben». Ich frage: «Was war der Grund, war gar Corona im Spiel?“ Gehörte er doch mit seinem Alter und seiner Vorerkrankung zur Risikogruppe. 2014 hatte er, der bis 2012 als Fluglehrer und als Präsident des Genfer Zentrums für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte aktiv war, einen Schlaganfall erlitten.

Ich bin erschüttert. Ein Bild taucht vor mir auf: Ein eleganter Offizier, hager, stets mit akkuratem Bürstenschnitt, oft mit einer Pilotenbrille versehen, erinnerte mich Christophe Keckeis, der ehemalige Chef der Schweizer Armee, stets an einen gutaussehenden US-amerikanischen Bomberpiloten. Ein untypischer 3-Sterne-General in der Reihe der höchsten Schweizer Offiziere. Und trotzdem: Bundesrat Samuel Schmid, damals noch in der SVP, hatte ihn auserkoren. Er sollte als erster alleiniger oberster Chef die Schweizer Armee in die Zukunft führen.

Es war kurz vor Weihnachten im Jahre 2002, als er mich anrief. Er werde ab 2003 neuer Generalstabschef der Schweizer Armee, vom Divisionär zum Korpskommandanten befördert. Ab 2004, wenn alles nach Plan laufe, werde er der erste Chef der Schweizer Armee. Er brauche in der kommenden Zeit einen kritischen Geist, der ihn begleite, der ihn mit den Fährnissen der Medien vertraut mache. Er klärte mich darüber auf, dass die Funktion des Chefs der Armee mit dem Armeeleitbild XXI geschaffen werde. Als Armeechef sei er künftig verantwortlich für die Entwicklung und Führung der Armee. Er habe die beiden Teilstreitkräfte Heer und Luftwaffe, die Höhere Kaderausbildung, die Logistikbasis, den Planungsstab und den Führungsstab der Armee zu führen.

Ich war erfreut, aber auch ein wenig irritiert, im ersten Augenblick gar etwas überfordert. „Wie er sich die Aufgabe denn vorstelle?», fragte ich ihn. „Das wird sich ergeben“, seine lakonische Antwort.

Bis zu seinem Rücktritt im Jahre 2007 verbachten wir viele Stunden miteinander. Manchmal sahen wir uns öfter, dazwischen gab es Pausen. Ich begleitete ihn auf Reisen, schrieb Reden, bereitete mit ihm und seinem Stab Pressekonferenzen vor, wir trainierten gemeinsam vor der Kamera. Ich lernte einen Menschen näher kennen, der nur eines wollte: eine gutausgebildete, moderne Armee. Eine Armee, die in einem künftigen Krieg bestehen könne. Wie oft haderte er wegen seiner Generäle. Ich höre es noch heute in meinen Ohren, als wäre es erst gestern gewesen: „Wenn ich als Pilot einen Fehler mache, stürze ich ab, die machen tagtäglich Fehler und fühlen sich noch wohl dabei.“ Ich  versuchte ihn zu besänftigen: Jahrzehnte hätten diese Männer auf ihrem Weg nach oben, im Rahmen der Raumverteidigung. die grossen Panzerschlachten im Mittelland trainiert. Sie hätten damals mit Gegenschlägen der Panzerverbände, unterstützt von der Flugwaffe, die Infanterie im Mittelland aus der Klemme befreit.

Mit der Armee 21 nahm die Schweiz Abschied von diesem grossen Heer, von den vier grossen Armeekorps, von der eigentlichen Verteidigungsarmee, letztlich vom Slogan: „Wir haben keine Armee, wir sind eine Armee“. Er liess Leo-Panzer einmotten und musste dabei feststellen, dass die Armee von diesen Exemplaren mehr hatte, als im entsprechenden Etat verzeichnet waren. Er spekulierte darauf, bereits 2005-2007 die Flugwaffe mit einem neuen Kampfjet zu erneuern, die Politik dafür zu gewinnen. Widerstand kam interessanterweise auch aus der SVP. Die Leute um den damaligen Nationalrat Ulrich Schlüer hängten der grossen Feldarmee nach. So dauerte es wiederum Jahre, bis Bundesrat Ueli Maurer es wagte, eine Flugzeugvorlage vor das Volk zu bringen. Er scheiterte mit seiner Vorlage für 22 Gripen aber im Mai 2014 mit 64 Prozent Nein deutlich. Bundesrätin Viola Amherd versucht es jetzt erneut. Abgestimmt wird am 27. September über einen Kredit von 6 Mia Franken für neue Kampfjets.

Grosses Gewicht legte Christophe Keckeis auf die internationale Zusammenarbeit im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden. Er war in Europa hochangesehen. Als er mit seinem Stab in Brüssel wegen einer wetterbedingten schwierigen Landung etwas verspätet im Nato-Konferenzsaal erschien, erhoben sich alle Generalstabschefs der versammelten Länder und klatschten. Er konnte mit allen in den jeweiligen Sprachen reden, konnte sich erklären, konnte in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch die Verteidigungsanliegen der Schweiz darlegen, Verständnis für den Sonderfall Schweiz wecken.

Christophe Keckeis stärkte die Rolle der schweizerischen Nachrichtendienste im Austausch und in der Kooperation mit den Geheimdiensten der ausländischen Partner-Staaten. Als im Jahre 2004 Madrid mit Anschlägen auf die Eisenbahnen heimgesucht wurde, dabei über 190 Menschen den Tod fanden, kontaktierte der spanische Armeechef Christophe Keckeis und wollte von ihm wissen, wie er denn die grossen Bahnhöfe in der Schweiz schützen würde, welchen Rat er ihm geben könne.

Und als es im Jahre 2003 im Vorfeld des G8-Treffens in Evian am Genfersee zwischen den USA und Frankreich zu Unstimmigkeiten über den Schutz des Treffens kam, vermittelte Christophe Keckeis nicht nur unter den grossen Mächten, sondern auch zwischen den Kantonen am Genfersee und nicht zuletzt in der sicherheitspolitischen Delegation des Bundesrates.

Es waren zwei Ereignisse, die einen Schatten auf seine Karriere werfen. Einmal, als er 2007 vor der Pensionierung stand. Er musste einsehen, dass er Divisionär Jakob Baumann, seinen Ziehsohn, in der Politik, insbesondere bei der SVP, nicht als seinen Nachfolger durchsetzen konnte. Er lenkte auf den Vorschlag von Bundesrat Samuel Schmid ein, Brigadier Roland Nef zum Nachfolger zu küren. Einen Mann, den Schmid zu wenig überprüfen liess und sich von ihm schon nach einem halben Jahr wegen Nötigung einer Frau trennen musste.

Und das zweite Ereignis, das Schlagzeilen machte, war, als ich und Philippe Zahno, sein damaliger Kommunikationschef, ein Buch über ihn publizierten und es allen 5000 Stabsoffizieren der Schweizer Armee überreichen wollten. Samuel Schmid stoppte das Unterfangen; das VBS wollte auf Intervention von aussen die Selbstkosten des Buches nicht übernehmen. Es gelang uns aber, Fliegerfreunde von Christophe Keckeis davon zu überzeugen, dass der erste Chef der Schweizer Armee eine Würdigung in dieser Form verdient hat. Sie sprangen ein und übernahmen die Kosten.


Anton Schaller (76), der ehemalige Tagesschau-Chef und LdU-Nationalrat, war Oberst im Armeestab und in ziviler Funktion Berater und Begleiter von Chistophe Keckeis während seiner Zeit als Generalstabschef und Armeechef.

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