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Noch wenig Lust auf Shopping

Mailand ist sozusagen meine Heimatstadt. Dort bin ich aufgewachsen. Jede Rückkehr ist auch eine Heimkehr. Ich wollte wissen, wie es meiner Stadt geht, sobald möglich und verantwortbar. Vor einer Woche war es soweit.

Der Zug aus dem Tessin ist fast leer. Die Internationalen Züge zwischen der Schweiz und Italien fahren immer noch nicht. Dafür rollt der Regionalzug aus Bellinzona pünktlich in die Stazione Centrale ein. Da ist es ruhig, die Bar gleich neben der grossen Treppe geschlossen. Wo sie müssen, warten die Menschen brav in der angeordneten Distanz. Der Taxifahrer hat die hinteren Sitze abgetrennt. Eine Kunststofffolie soll verhindern, dass sich Fahrer oder Gäste mit Corona anstecken.

Es ist halb zehn. Via Manzoni ist so leer, wie ich seit 30 Jahren nicht mehr gesehen habe, ebenso die Piazza della Scala. Die Mailänder sind noch nicht unterwegs, Touristen fehlen.

Die Galleria Vittorio Emanuele, sonst auch früh am Morgen wacker besucht, ist ebenfalls verwaist. Vom Eingang von der Scala her sieht man hindernislos den Wolkenkratzer weit hinter dem anderen Ausgang. Dort ist die Terrazza Martini, einer der grossen Salons für Empfänge, wenn Mailänder Gäste aus dem Ausland mit dem wundervollen Blick über die Stadt beeindrucken wollen.

Die nahezu leere Galleria gibt den Blick frei bis zur Terrazza Martini.

Das Caffè des berühmten Restaurant Savini in der Galleria ist noch geschlossen: «Apriamo tra mezz’ora». Dafür hat schräg gegenüber ein neues Caffè geöffnet, das Cracco. Aber das geliebte An-der-Bartheke-stehen-und-Cappuccino-trinken-und-Brioche-essen ist verboten. Es hat bereits vier Leute «al banco». Also: «Prego, si accomodi al tavolino». Eher ungewohnt in Mailand.

Es ist jetzt 10 Uhr. Vor dem Lift auf das Dach des Duomo stehen die Menschen um diese Zeit sonst Schlange. Jetzt lungert nur das Personal herum. Bloss zwei Personen dürfen in den Lift, der eigentlich Platz hat für vier. Die Domterrasse nahezu ohne Menschen zu erleben, ist selbst für mich ein besonderes Erlebnis. Die freie Sicht zwischen den Guglie hindurch, den zahlreichen Statuen und Marmorverzierungen des Doms, lädt jetzt zum Fotografieren aus jedem Blickwinkel ein. Heute sind seltene Perspektiven möglich!

So leer ist die Terrasse des Duomo selten.

Auffallend ist, wie wenig Mailand nach dem Shutdown lebt. Die Läden im Designerviereck bei der Via Montenapoleone haben zwar geöffnet, wenigstens jene der grossen internationalen Marken. Aber Kunden fehlen. Einheimische kaufen ohnehin nicht hier ein und die paar verirrten aus fremden Landen wirken verloren.

Richtig viel Kundschaft haben die Lebensmittelläden: Beim legendären «Peck» in der via Spadari, wo ich jeden Tag gern einkaufen würde, wenn ich könnte und man sozusagen alles bekommt, was fein ist auf dem Tisch. Ebenso beim neueren «Eatal»y an der Piazza 25 Aprile ganz nah beim mondänen Corso Como und dem neuen Wolkenkratzerquartier beim Bahnhof Porta Garibaldi. Überall ist die Auswahl gross und die Menschen stehen an, als ob es nie Corona gegeben hätte. Trügen die Köche nicht Schutzmasken, sähe man keinen Unterschied zu früher. Doch einen: Es gibt, wie in vielen Läden, einen Eingang und einen abgetrennten Ausgang. Man versuche nicht, diese Regel zu brechen. Dafür steht neben dem Ausgang bei «Peck» wie eh und je der gleiche Bettler vermutlich aus Afrika, der die Kunden kennt, die den Laden verlassen, und weiss, wer ihm etwas gibt.

In der Bar Brera stehen die Tische auseinander und ragen weit in die Via Brera. Als erstes desinfiziert der Kellner den Tisch. Sonst ist alles beim alten. Der Campari ist fein, die Chips werden im offenen Korb gereicht, da sieht man Corona nicht mehr so eng.

Renato Simoncini, liebenswürdiger Gastgeber im Lieblingsrestaurant, dem «Rigolo» am Largo Treves, begrüsst herzlich wie immer. Seine Familie hat das Restaurant, eine traditionsreiche toskanische Trattoria, 1958 eröffnet und aufgebaut. Zusammen mit seiner Mutter Vilma führt er es heute. Das gewohnte Händeschütteln fällt aus, an den Ellenbogengruss wird man sich gewöhnen. «In Mailand geben derzeit pro Tag weit über 100 Restaurationsbetriebe ihre Konzession zurück», erzählt er nach dem Essen. Das sind meistens kulinarische Eintagsfliegen, von denen in den letzten Jahren unzählige entstanden sind. Sie boten eine irgendwie exotische Küche aus Weissichwoher, aber meistens standen Chinesen in der Küche. Und die sind weg.

Wie auch die Gäste in den guten Häusern: «Ich habe Verständnis für sie», sagt Simoncini weiter, «die Leute waren wochenlang eingeschlossen in ihren Wohnungen und Häusern. Sie gehen nicht als erstes ins Restaurant. Sie wollen jetzt endlich wieder einmal ans Meer oder an die Seen.» Er ist zuversichtlich. Seine Stammklientel kommt schon wieder, wie wir auch.

Wo sonst Tourist an Tourist steht, hat es jetzt viel Platz.

Das Tragen von Masken ist in der ganzen Stadt obligatorisch und wird eingehalten. Während in der Schweiz noch viele, vor allem auch ältere Menschen befürchten, mit Maske doof auszusehen, oder nicht den Mut haben, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, sind Mailänderinnen und Mailändern frei von solchen Empfindungen. Der Lockdown war hart, niemand will das nochmals erleben. Also hält man sich an die Empfehlungen.

War das jetzt Mailand? Ja, aber ganz anders als sonst. Die Stadt ist auch so attraktiv. Und sie wird sich erholen. Mailand gibt nie auf.

Übrigens, wenn es Sie interessiert: Fieber habe ich keines. Es wurde mir an diesem Tag sicher zehn Mal gemessen.

Titelbild: Wahrzeichen auf einen Blick vom Dom aus, Palazzo Reale, Torre Velasca und Arengario. Fotos: Jürg Bachmann

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