StartseiteMagazinGesellschaftInnovation Heroes: Tragen wir Sorge zum lokalen Gewerbe

Innovation Heroes: Tragen wir Sorge zum lokalen Gewerbe

Am Montag, 16. März 2020, zog der Bundesrat um 15.15 Uhr der Schweiz den Stecker. Lockdown. Ein Wort, das vorher niemand kannte, paralysierte die Menschen. Zum Glück nicht alle. In Bern setzte sich gleichentags ein kleines Team in Gang und gründete zur Unterstützung des lokalen Gewerbes Local Hero. Daraus wurde noch viel mehr. Sogar ein spannendes Buch.

Nik Eugster (Bild), zusammen im Team habt Ihr nur drei Tage nach der Verkündung des Lockdowns die Website www.local-hero.ch aufgeschaltet. Was war das Ziel und wieso die Eile?

Nik Eugster: Die Idee einer Webseite, welche aufzeigt, welche lokalen Geschäfte, Gastronomen und selbständig Erwerbende unter den neuen Umständen noch wie ihre Dienstleistungen anbieten, war nicht revolutionär. Aber ja, wir waren sehr schnell und deshalb hatten wir einen grossen Erfolg. Es gab zwei Schlüsselmomente, welche uns befeuerten.

Das erste?

Ich wohne in einem Gebäude mit über 140 Wohnungen und als ich am besagten Montagabend nach Hause kam, lagen beim Eingang sicher 200 Pakete. Alle von grossen Versandhändlern aus der Schweiz und aus Übersee. Mir wurde schlagartig bewusst, dass der Lockdown für das lokale Gewerbe zur existenzgefährdenden Herkulesaufgabe würde. Wie sollten sie nun mit geschlossenen Ladengeschäften noch ihre Kundschaft finden?

Und das zweite?

Der zweite Schlüsselmoment war am nächsten Tag. Bereits Wochen vorher hatte ich mit zwei Kolleginnen für den Dienstag abgemacht, um mit ihnen über die Gründung eines neuen Unternehmens zu reden. Wir wussten, dass der Zeitpunkt für die Gründung eines solchen Unterfangens eher suboptimal war und fragten uns, was wir sonst tun könnten. Und da kamen mir die Pakete des Vortags wieder in den Sinn.

Daraus entstand Local Hero?

Ja, das Angebot schlug ein wie eine Bombe. Bereits 36 Stunden später waren wir mit Local Hero online und hatten erste Inserate online. Da wir alle im Medienbereich arbeiten, zogen wir alle Beziehungsregister und erreichten so schon zum Start eine breite Öffentlichkeit. Die Medien suchten nach dem ersten Schock des Lockdowns positive Geschichten wie die unserer Plattform. Und so wurde Local Hero innerhalb kürzester Zeit zum Selbstläufer.

Und wie konntet Ihr die Aufmerksamkeit behalten?

Je mehr Geschäfte über unsere Plattform ihre Dienste anpriesen, umso mehr Kunden guckten vorbei und unsere täglichen Newsletter wurden zu Tausenden abonniert. Innerhalb einer Woche wuchsen wir von einer Website mit drei Mitarbeitenden auf fünf Städte-Webseiten mit 17 Mitwirkenden. Wir waren in einem wahren Startup-Rausch und arbeiteten Tag und Nacht.

Konnten die betroffenen lokalen Betriebe damit einen Teil ihres Umsatzes retten?

Diese alternativen Lieferwege waren bestimmt für viele nur einen Tropfen auf den heissen Stein. Aber dennoch war es für viele Betriebe auch eine Möglichkeit, sich einmal einer neuen Kundschaft präsentieren zu können, und viele, welche tolle regionale Produkte während dem Lockdown über Local Hero kennen gelernt haben, kaufen diese noch heute. Wir bekamen sehr viele positive Feedbacks sowohl von Anbieter- wie auch von Kundenseite.

Seit dem Start des Lockdowns sind acht Monate vergangen. Jetzt stecken wir in der zweiten Welle. Was ist aus Local Hero geworden?

Local Hero war von Anfang an ein nicht kommerzielles Projekt, welche für Anbieter und Kunden gratis war. Der Aufwand war immens, aber wir wussten, dass wir damit was Wichtiges und Gutes taten. Nach den Lockerungen vom 11. Mai 2020 sank das Interesse sowohl bei den Anbietern wie auch bei den Kunden. Für viele stand wieder der stationäre Verkauf im Fokus und das ist ja auch gut so. Wir machten deshalb eine Flucht nach vorne auf verschiedenen Ebenen.

Wie habt Ihr Eure Idee weiterentwickelt?

Einerseits schlossen wir uns mit vier anderen Pattformen zusammen, suchten eine solide Finanzierung über Stiftungen, gründeten einen Verein und bauten die Nachfolgeseite www.better-local.ch auf, welche nun die Kräfte all dieser vorherigen Plattformen bündelte. Andererseits kamen wir wieder auf unser ursprüngliches Vorhaben zurück, nämlich dass wir ja eigentlich eine Firma gründen wollten. Und so entstand die Innovationsagentur 4HEROES, welche – ähnlich der Grundidee von Local Hero – kleine und mittlere Unternehmen unterstützen will, solche Krisen zu bewältigen und sich zukunftsfit zu machen.

Und was ist aus dem ursprünglichen Local Hero geworden?

Local Hero selber gibt es nur noch in der Form eines wöchentlichen Newsletters für die Region Bern, mit dem wir weiterhin für alle Seiten kostenlos unsere Tipps zur Förderung lokaler Unternehmen kommunizieren.

Der Lockdown und die Zeit danach haben uns den Wert der einheimischen Produktion und des lokalen Gewerbes gezeigt. Der frische Salat vom Hofladen schmeckt halt viel besser als jener, der schon quer durch Europa gereist ist, und die Eier nach Eier und nicht nach Fischmehl. Hat Local Hero in Bern und in den anderen Städten, wo die Aktion lief, die Haltung der Menschen verändert?

Für eine grosse Verhaltensänderung braucht es definitiv mehr als drei Monate Lockdown. Aber im Kleinen haben wir schon bemerkt, dass sich viele Leute Gedanken über ihr Konsumverhalten gemacht haben. Sie realisierten, dass es gar nicht so kompliziert ist, das lokale Gewerbe zu unterstützen, statt beim grossen Internethändler zu bestellen.

Also ein Plädoyer fürs lokale Gewerbe?

Ja. Lokal einzukaufen ist sowohl ökonomisch wie auch ökologisch klug, denn dadurch werden unnötige Transportwege vermieden und die Wertschöpfung entsteht dort, wo auch konsumiert wird. Wir sind zuversichtlich, dass sich diese Denkweise nach und nach durchsetzt.

Diese Tage ist Dein Buch «Innovation Heroes» erschienen. Du beschreibst, wie heldenhafte Ideen entstehen und umgesetzt werden. Seid auch Ihr Innovation Heroes?

Der Titel zielt vor allem auf die Anbieter, also die lokalen Gewerbetreibenden, Gastronomen und selbständig Erwerbenden. Wir haben während dem Lockdown mit den Inseraten auf der Plattform und mit einem Wettbewerb, bei welchem wir für innovative Ideen eine Preissumme von 100’000 Franken vergeben konnten, gesehen, wie innovativ diese Unternehmen eigentlich sind. Es gab so viele schöne Geschichten und Ideen. Das sind die «Innovation Heroes». Sie sollen mit diesem Buch Modelle erhalten, noch mehr innovative Ideen generieren zu können, um so solche Krisen besser bewältigen zu könmnen und zukunftsfit zu werden. Das Buch ist jedoch auch sehr unterhaltend, denn es erzählt auch unsere Local Hero-Geschichte und es zieht Parallelen zu Superhelden. Es liest sich wie ein Krimi, ist jedoch ein Sachbuch.

Du schreibst im Buch: «Gute Ideen sind nicht einfach plötzlich da. Sie entstehen viel früher, schlummern in uns in Form von Wissen, Talent oder persönlichen Eigenschaften.» Wie werden diese Ideen wach und real?

Hier spielen viele Faktoren mit. Oft ist es die richtige Zusammensetzung der beteiligten Leute, wie das bei uns auch der Fall war. Wir wussten, dass wir uns gut ergänzen und wollten ja zusammen eine Firma gründen. Dann spielen Faktoren wie Zeit oder bisheriges Wissen eine grosse Rolle. Ich wusste, wie man eine solche Plattform aufbaut und wir hatten aufgrund von Kurzarbeit plötzlich sehr viel Zeit.

Was ist sonst noch wichtig?

Das Netzwerk spielt eine Rolle, wir mussten ja die Plattform rasch bekannt machen. Oder äussere Faktoren wie zum Beispiel der Lockdown selber, der uns zwang, kreativ zu werden. Die Idee selber war nicht revolutionär, aber es stimmte einfach alles zusammen, und so wurde es dennoch eine richtig gute Idee, welche durch die Decke ging.

Für Innovation seien Herkunft und Superkräfte nötig, lese ich. Wie lassen sich diese Faktoren beeinflussen?

Genau, das Buch orientiert sich an der Entstehung von Superhelden, bei welchen ja auch immer eine Herkunftsgeschichte eine grosse Rolle spielt. Wirklich etwas bewirken können sie aber erst, sobald sie ihre Superkräfte haben. Bei der Innovation ist das ähnlich: Es braucht gewisse Faktoren, welche man bereits mitbringt. Und dann braucht es gewisse Faktoren, welche eine frisch entstandene Idee befeuern und überhaupt zum Durchbruch verhelfen. Hier gehören das persönliche Netzwerk, Durchsetzungsstärke oder dass man sich persönlich für die Idee exponiert dazu.

Nichts geht ohne Marketing, schreibst Du. Die beste Idee kommt nicht weiter, wenn sie nicht fesselnd erzählt wird. Wie bekommt man heute Aufmerksamkeit?

Um eine gute Idee fesselnd zu erzählen, kann man sich an den Grundsätzen des sogenannten «Storytellings» orientieren, also der Grundform, wie Geschichten erzählt werden.

Was sind die Kernelemente?

Wir haben rund um Local Hero eine Heldenwelt kreiert und unsere Kommunikation sehr stark auf dieser aufgebaut. Dies hat uns einmalig gemacht, hat unsere Anbieter/innen und Kund/innen ebenfalls zu Helden gemacht und das hat kommunikativ sehr gut funktioniert. Will man heute Aufmerksamkeit, muss man die Personengruppen, welche man ansprechen will, emotional erreichen. Dies geschieht am besten über Geschichten.

«Gute Ideen liegen auf der Hand oder oft in der Luft», schreibst Du. Wieso wird so oft nichts Konkretes daraus?

Jede und jeder von uns hat schon mal gedacht: «Warum bin ich nicht selber darauf gekommen?». Gute Ideen sind oft einfache Lösungen auf bekannte Probleme. Oft sind es neue Kombinationen von bekannten Lösungsansätzen, welche eine neue Lösung entstehen lassen. Hierzu müssen die richtigen Personen und die richtigen Gedankengänge zusammenfinden. In Innovationsteams in Unternehmen wird genau das gemacht. Aber eine gute Idee allein reicht nicht: Gute Ideen setzen sich erst dann durch, wenn alles stimmt, wenn die richtigen Personen im richtigen Moment die richtigen «Superkräfte» haben.

In jedem Projekt sei die persönliche Exposition wichtig fürs Gelingen, schreibst Du. Auch Influencer exponieren sich. Bloss gelten sie heute eher als Leute, die wenig wissen, für Geld aber alles erzählen, was gewünscht wird. Wo ist der Unterschied zwischen persönlicher Exposition und Influencing?

Influencer verkaufen die Ideen anderer Leute, was nur bedingt erfolgsversprechend ist. Eine Person, welche seine eigene Idee oder sein eigenes Produkt öffentlich vertritt, ist wesentlich authentischer und somit erfolgreicher. Ich spreche hier von Personen wie Steve Jobs, dem verstorbenen Gründer von Apple, oder Elon Musk, dem Gründer von Tesla. Ohne ihre Person wären die Produkte wesentlich weniger emotional. Mit einem Kopf an der Spitze, und sei es nur der Bettwarenfabrikant vom Zürichsee, wird ein Produkt emotionalisiert und es entsteht eine Geschichte. Somit wären wir wieder beim «Storytelling».

Was ist Euer vorläufige Eindruck: Wird Local Hero nachhaltig sein?

Local Hero ist ein Mosaikstein vieler Bestrebungen, welche nun aus dieser Erfahrung und ersten Phase des Lockdowns entstanden sind. Und all diese Bestrebungen werden bestimmt dazu führen, dass sowohl auf Anbieterseite, wie auch auf Kundenseite ein Umdenken stattfindet. Wir hoffen das sehr. Damit die Anbieterinnen und Anbieter agiler und zukunftsfähiger werden. Und damit die Kundinnen und Kunden bewusster konsumieren. Und wir hoffen natürlich, dass Local Hero auch für uns nachhaltig sein wird und wir damit nun auch noch unternehmerisch den einen oder anderen Erfolg erzielen können.

Du willst jetzt in die Politik einsteigen. Passen parlamentarische Arbeit auf Gemeindeebene und Innovation Heroes zusammen?

Sehr sogar. Viele Rahmenbedingungen für das lokale Gewerbe werden auf kommunaler Ebene gemacht. Es ist deshalb wichtig, auch auf dem politischen Parkett das lokale Gewerbe zu unterstützen. Allerdings ist mein Einstieg in die Politik nicht der Arbeit für Local Hero geschuldet. Dieser geschah schon wesentlich früher. Aber die Arbeit für Local Hero hat mich zusätzlich motiviert, mich auf allen Ebenen für unsere Ziele einzusetzen. Denn wir sahen mit Local Hero, wie viel man bewegen kann, wenn man die richten Leute am richtigen Ort hat.

Nik Eugster, «Innovation Heroes. Wie heldenhafte Taten entstehen», Verlag buchundnetz.com, zu bestellen unter www.innovationheroes.info oder im Buchhandel.

 

 

 

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