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Ein Abschied für immer

Bei der Königinnen-Trilogie von Gaetano Donizetti ging es im Opernhaus Zürich diesmal um „Anna  Bolena“, aber eigentlich auch um die jüngst verstorbene Edita Gruberova, der diese Premiere gewidmet ist.

Intendant Andreas Homoki würdigte zu Beginn die Verdienste der unvergleichlichen Belcantistin und bat um eine Schweigeminute. Wenn sich die Musikzunft um Superlative bemüht, dann fallen bei Edita Gruberova überschwängliche Begriffe wie „Primadonna assoluta des Belcanto“, „Aus einer anderen Musikgalaxis“, „Grossmächtige Koloraturprinzessin“, „Ein Sonnenstrahl, durch einen Diamanten gebrochen“ und „Polierte Tonperlenketten“. Hinter alldem steckt das Bemühen, einer ganz aussergewöhnlichen Gesangsstimme Tribut zu zollen.

Edita Gruberova als gefeierte Anna Bolena in einer ihrer Glanzrollen / Foto © Opernhaus Zürich

Ihr jäher Tod erschütterte die Opernwelt und Zürich insbesondere, der die Slowakin von 1978 bis 2018 mit einem längeren Unterbruch in über 200 Vorstellungen und 17 Rollen angehörte. 2018 feierte sie an der Limmatstadt noch ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum, bevor sie sich ganz aus der Öffentlichkeit zurückzog. 

Eine Vielzahl von Dirigenten und Regisseure säumten die Bretter, die ihr alles bedeuteten. Vor allem aber das Zweiergespann Nikolaus Harnoncourt und Jean-Pierre Ponnelle ab 1981, aber auch Nello Santi ab 1986, Marcello Viotti mit Daniel Schmid und Fabio Luisi mit Christof Loy in den letzten Jahren.

Ob in den Anfängen Strauss’ „Zerbinetta“, die Mozart-Partien, Verdis „Gilda“ und dann immer häufiger Donizetti und Bellini, die Gruberova wurde zum Mass aller glorifizierenden Belcanto-Attribute und bleibt mit ihren entrückenden Klangskalen und ihren im „morendo“ verströmenden Pianissimi unauslöschlich in Erinnerung.

Neuinszenierung unter einem guten Stern

Es wäre unfair, das Rollendebut von Diana Damrau mit Edita Gruberovas Jahrhundertstimme zu vergleichen. Auch nicht mit Anna Netrebko, die mit dieser Partie schon in Zürich gastierte. Die Anspannung war sicher gross für sie,  aber sie wich mit einem herzerwärmenden, verdienten Schlussapplaus einem strahlenden Lächeln. Ihre Stimme ist ja nicht allzu gross gegenüber den andern Protagonisten, die sie herausforderten. Dazu zählt die französische Mezzosopranistin Karine Deshayes, die als ihre Rivalin Giovanna Seymour ein überzeugendes Rollen- wie Hausdebut gab. Sie verfügt über ein sehr vielfältiges, auch raueres Farbspektrum und kann dem rabaukigen Tyrann Enrico VIII, der buchstäblich über Leichen geht,  die Stirn bieten und mit gleicher Münze zurückzahlen. Eine prägende Entdeckung.

Enrico VIII (Luca Pisaroni) will einen männlichen Thronfolger und opfert deshalb Anna Bolena (Diana Damrau) seiner dritten Frau Giovanna Seymour (Karine Deshayes) / Foto © Toni Suter

Luca Pisaronis kernig-schwarzer Bass passt ausgezeichnet zum Finsterling, der Anna Bolena letztlich nur dem Henker opfert, weil sie ihm statt eines Sohnes eine Tochter geboren hat. Selbst wenn im 16. Jahrhundert andere Sitten herrschten, muss man sich vorstellen, was diese menschenverachtende Willkür für die Frauen bedeuten musste. Dass auch heute noch weltweit Hunderttausende von Schwangerschaften abgebrochen oder geborene Mädchen getötet werden, weil sie dem Wunschgeschlecht nicht entsprechen, ist nicht minder verwerflich.

Enrico VIII zeigt als geifernder Machtpotentat auch den Nebenbuhlern, dass er nur eine Maxime gegenüber jedem Widerstand kennt, und die heisst Folter und Tod. Alexey Neklyudov (Lord Riccardo Percy und Jugendfreund Annas) verfügt über eine tenorale Ausstrahlung, die sich sehr schlüssig ins Ensemble einfügt. Auch Stanislav Vorobyov als Lord Rochefort und Nadezhda Karyazina in der Altisten-Hosenrolle Smeton gefallen durch beherzten, glaubwürdigen Zugriff. 

 Enrico VIII bezichtigt Lord Riccardo Percy (Alexey Neklydov), den Jugendfreund von Anna Bolena, des Ehebruchs

Die Visitenkarten von Regisseur David Allen und Dirigent Enrique Mazzola

Die einleitende Sinfonia beginnt auf der Bühne mit einem einnehmenden Bild: Die kleine Elisabetta, Tochter von Anna Bolena und spätere Königin von England, kauert traumverloren auf dem überdimensionierten Thron und zerreisst die goldene Papierkrone, die man ihr aufsetzt. Alles ist gesagt über den Fluch der Krone, von der Anna klagt: „Ich wollte eine Krone und bekam eine Dornenkrone.“  

Der amerikanische Regisseur David Alden, der die Königinnen-Trilogie szenisch betreut, streut in ein mauerähnliches, steinernes Halbrund ein paar spärliche Requisiten. Kein barockes Gepränge, sondern schlichte Staffage und die Ohren frei für die Musik. Wände werden eingelassen, wenn es angezeigt ist, die Askese dominiert. Etwas Humor darf auch sein, wenn ein englischer Rasen ausgerollt wird und die Knappen mit der Nagelschere den Millimeter-Schnitt zurechtstutzen. Die Ausstattung von Gideon Davey verzichtet auf historisches Ambiente, etwas englische Dezentheit soll genügen. 

Der Tod lauert überall: Giovanna Seymour (Karine Deshayes) mit dem Knochenmann auf dem Thron und mit Ensemble und Chor

Die berührenden Momente werden ganz von Donizettis erfahrener Musikdramaturgie alimentiert. Und hier erweist sich Enrique Mazzola, derzeit Generalmusikdirektor der Lyric Opera of Chicago, als inspirierender Impulsgeber für die Bühne und die akkurat auf ihn eingehende Philharmonia Zürich. Mazzola betont auch im Interview, wie wichtig ihm die Temporelationen und die Legatobögen sind, die früher allzu oft lieblos und pauschal heruntergespielt wurden. In den drei Stunden Musik gibt es allerdings auch einige Längen und einen Donizetti-Zierrat, wie er halt in seinen insgesamt 71 Opern unüberhörbar ist. Doch die Wiedergabe erfüllt sehr viele Erwartungen und hinterliess ein bewegtes und dankbares Publikum. Auch ich verabschiede mich mit dieser Rezension von Seniorweb – für immer. 

Weitere Vorstellungen: Dezember 9, 14, 18, 23, 29, Januar 2, 5, 9, 13

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1 Kommentar

  1. Welch bitterer Abschiedsgruß! Ein herber Verlust für das senior.web. Ich werde Ihre stets inspirierenden Beiträge sehr vermissen! Danke für die vielen fachkundigen und engagierten Texte der letzten Jahre.

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