Skizzenbücher eines bildenden Künstlers sind so etwas wie Etüden für einen Musiker: Fingerübungen, Variationen zu einem Thema, Studien. Nichts, was zwingend in die Öffentlichkeit gehört. Das Kunsthaus Zürich macht nun aber die Skizzenbücher von Rudolf Koller dem Publikum zugänglich – real, aber auch digital. Eine interessante Begegnung mit einem der Grossen der Schweizer Malerei.
Rudolf Koller, das ist doch der mit der «Gotthardpost», mag sich manch einer denken, der von der neuen Ausstellung im Zürcher Kunsthaus erfährt. Ist der nicht längst veraltet, vorbei, abseits der modernen Kunstszene? Stimmt. Aber wer die kleine Werkschau im Moserbau des Kunsthauses besucht, kommt nicht so schnell mehr weg von diesen Skizzenblättern, von den mehr oder weniger ausgearbeiteten Detailstudien. Da tritt eine Malerpersönlichkeit zutage, die nach der vollendeten Form sucht, die nichts von Routine hält, sich vorwiegend in kleinen gestalterischen Kreisen bewegt und deshalb auch heute noch zu überraschen vermag.
67 der noch vorhandenen 85 Skizzenbücher des Malers Rudolf Koller sind im Besitz des Kunsthauses Zürich. Ergänzt werden die daraus gewählten Zeichnungen in der Ausstellung durch einige wenige Ölbilder.
Koller ist bekannt als Tiermaler. Seine Kühe mit ihren schönen, nachdenklichen Augen und ihren massiven und doch anmutigen Leibern begleiten seinen ganze Schaffenszeit. Pferde, Ziegen, Hunde, ja, auch Löwen, erfasst er als Individuen mit ganz spezifischen Charakteren. Schafe, als Herden skizziert, finden ihr Äquivalent in einem der wenigen ausgestellten Ölbilder, wo ein einzelnes Schaf mit seinem Körper den Rhythmus des hinter ihm ansteigenden Weges fortführt. Und es ist ein Schaf, eindeutig, ein Herdentier, das so ganz allein etwas verwundert aus dem Bild glotzt. Herrlich.
Eine der Vorarbeiten zur fast schon legendären «Gotthardpost». Koller fertigte mehrere Studien an, bevor er sich für die endgültige Fassung entschied.
An der «Gotthardpost» kommt die Ausstellung natürlich nicht vorbei. Das Ölbild war bis in die 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts das meist reproduzierte Gemälde im Kunsthausbestand. In der aktuellen Ausstellung ist nun allerdings nur eine kleinformatige Studie in Öl zu sehen. Die beweist, wie auch zahlreiche weitere Skizzen, wie sehr Koller an dem Werk gearbeitet und geschliffen hat, bis dann die Postkutsche mit den wilden Pferden, die die Gotthardstrasse herunterrast und dabei ein zu Tode erschrockenes Kalb vor sich her treibt, die richtige Dramatik ausstrahlte. Das Gemälde war das Abschiedsgeschenk für den «Eisenbahnkönig» Alfred Escher, der 1873 als Verwaltungspräsident der Nordostbahn-Gesellschaft zurücktrat. Genau dieser Alfred Escher war es, der die Gotthardbahn-Gesellschaft gründete, die1882 mit der Eröffnung des Gotthard-Eisenbahntunnels dem Postkutschenbetrieb und damit der Gotthardpost auf der Strasse ein Ende setzte.
Kühe sind eines der ganzen grossen Themen im Schaffen Rudolf Kollers. (Alle Bilder Kunsthaus Zürich)
Die Ausstellung mit Exponaten aus Rudolf Kollers Skizzenbüchern markiert das Ende einer mehrjährige Restaurierungs- und Digitalisierungsphase der Skizzenbücher des auch heute noch gerne nachgefragten Künstlers. 67 der insgesamt 85 noch erhaltenen Skizzenbüchern Kollers werden in der Grafischen Sammlung des Kunsthauses aufbewahrt und – aus konservatorischen Gründen eher sparsam – auszugsweise präsentiert. Neben der nun zwölf Wochen dauernden Ausstellung ist es jetzt auch möglich, auf digital.kunsthaus.ch in zehn Skizzenbüchern virtuell zu blättern. Und so einen Virtuosen sowohl mit dem Zeichenstift wie auch mit dem Pinsel neu kennenzulernen.
Die Ausstellung «Rudolf Koller. Die Skizzenbücher» dauert bis 14. August. Infos unter www.kunsthaus.ch