StartseiteMagazinGesundheitWir wissen, wovon wir reden!

Wir wissen, wovon wir reden!

Zum Tag des Alters am 1. Oktober einige notwendige Gedanken: Statt immer die Alterung der Gesellschaft als Ursache des Kostenanstiegs im Gesundheitswesen anzuprangern, muss die Polymedikation in der Alterspflege hinterfragt werden. Das fordert die Vereinigung aktiver Seniorenorganisationen Schweiz VASOS.

Sollen sich die Alten aus dem aktiven Leben zurückziehen, brav konsumieren, Steuern zahlen und ansonsten zu allem schweigen? – Viele Zeitgenossinnen und Zeitgenossen erwarten das von uns Älteren. Vor allem die Alterspolitik sollen wir Jüngeren überlassen.

Wohin das führen kann, ist mir bewusst geworden, als ich kürzlich die Wohnung meiner verstorbenen Tante räumen musste. In einem Schrank waren Hunderte von Medikamenten verstaut. Ich hatte keine Ahnung davon, was die alte Frau alles täglich verschluckt hatte. Erst jetzt verstand ich die sarkastische Bemerkung einer Pharmakologin, dass man bei Patienten, die gleichzeitig mehr als fünf Medikamente einnehmen müssten, nur noch die Nebenwirkungen behandle.

Eine Studie von Max Giger, Markus Anliker und Guido Barteff über Polymedikation im Alter besagt, dass in Schweizer Pflegeheimen fast der Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner neun oder mehr verschiedene Arzneimittel verschrieben werden. Als besonders heikel gelten die sog. Neuroleptika, sedierende Psychopharmaka zur Ruhigstellung. Diese können Schwindel und damit Stürze und Spitalaufenthalte auslösen, Hirnschläge und weitere lebensbedrohliche Effekte zur Folge haben.

Es bestehe dringender Verdacht, so die Studie, dass diese Medikamente nicht selten mit fraglicher Indikation verabreicht würden, was den KVG-Grundsatz von Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) widerspricht.

Bea Heim, ehem. Nationalrätin und
Co-Präsidentin VASOS

Wäre es angesichts der steigenden Krankenkassenprämien nicht höchste Zeit, die Übermedikation in der Alterspflege zu untersuchen. Die jährlichen Kostenfolgen würden gegen eine Milliarde ausmachen, schätzt ein befreundeter Arzt. Nun, wenn damit nur schon ein paar hundert Millionen Franken pro Jahr eingespart werden könnten, wäre dies für die Prämienzahlenden ein Gewinn. Vor allem aber auch für die betroffenen Seniorinnen und Senioren. Sie würden wieder ein Stück Lebensqualität zurückerhalten, wie der ehemalige Zürcher Stadtarzt Albert Wettstein es schon vor Jahren aufzeigen konnte.

Statt immer wieder die Alterung der Gesellschaft als Ursache des Kostenanstiegs im Gesundheitswesen anzuprangern, wäre es doch nun wirklich mehr als an der Zeit, die Polymedikation in der Alterspflege zu hinterfragen.

Das fordert die Vereinigung aktiver Seniorenorganisationen Schweiz VASOS.
Wir wissen, wovon wir reden!

Studie von Max Giger, Markus Anliker und Guido Bartelt: Polymedikation und Neuroleptika in Schweizer Pflegeheimen in den Jahren 2019 und 2020

Titelbild: © Andrea Damm / pixelio.de

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1 Kommentar

  1. Ein absolut wichtiges Thema, das Sie zur Sprache bringen und ich bin ganz Ihrer Meinung, Frau Heim. Leider gilt dieser legere Umgang mit Medikamenten auch in vielen privaten Arztpraxen, was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Dabei fehlt es oft an Empathie und soliden Kenntnissen der Altersmedizin. Betagte Menschen und ihr alternder Körper und Geist haben andere Bedürfnisse und Ansprüche als jüngere, noch im Berufs- und Familienleben stehende Menschen. Meines Erachtens werden Menschen über 70 generell zu wenig wahr und ernst genommen und kaum gefragt, was SIE eigentlich wollen. Schlimm finde ich, dass diese Altersgruppe für die immerzu steigenden Krankheitskosten verantwortlich gemacht wird und dabei die eigentliche Misere negiert wird.
    Verantwortlich ist vor allem unser krankes Gesundheitswesen, das durch falsche politische, medizinische und marktwirtschaftliche Anreize, wie den freien Wettbewerb der Krankenversicherungen, Ärzte und Spitäler, Einsparungen seit Jahrzehnten verunmöglicht. Mit einer gesamtschweizerischen Einheitskrankenkasse für die Grundversicherung, deren Prämien einkommensabhängig sind, wären schon einige Probleme vom Tisch und man könnte sich den Aufwand für die Prämienverbilligungen sparen. Weitere Schritte, wie eine transparente und gerechte Preisgestaltung bei Medikamenten und operativen Eingriffen, eine starke Förderung von breit ausgebildeten Hausärztinnen und Hausärzten, die nahe an den Menschen in Wohngemeinden praktizieren, anstelle von teurem Spezialistentum in Ballungszentren, würden zu einem Gesundheitssystem beitragen, das diesen Namen auch verdient. Unter diesen Voraussetzungen würde auch ein entspannter Umgang mit den Ältesten in unserer Gesellschaft sicher gelingen und es bräuchte nicht immer noch mehr Tabletten.

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