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Vom Plakat zum Aquarell

Eugen Bachmann-Geiser, Grafiker und Plakatgestalter, stellt im Engel Haus in Twann 89 kleinformatige Aquarelle aus, die berühren.

Die Ausstellung befindet sich in den Kulturräumen des grossen Winzerhauses aus dem 17. Jahrhundert, das vor kurzem zum Mehrgenerationenhaus umgebaut wurde. Betritt man die Ausstellungsräume, ist man anfänglich überwältigt von den vielen zarten Aquarellbildern auf dem alten Gemäuer. Und es braucht etwas Zeit, in die Bilder einzutauchen und sie zu lesen. Vordergründig erscheinen sie duftig und leicht, bei vertiefter Betrachtung schluckt man leer, denn viele thematisieren Unrecht, Krieg und seine Folgen.

Eugen Bachmann, Christbaum auf der Flucht.

Das Schicksal von Menschen, die sich auf der Flucht befinden, beschäftigt Eugen Bachmann seit langem. Er widmete ihnen eine Serie, die er anfangs Jahr neben abstrakten Landschaften im Aarberghus in Ligerz ausstellte. Den Erlös aus dem Verkauf der Bilder spendete er der Flüchtlingshilfe.

Viele der Aquarelle in Twann sind voller märchenhafter Poesie, etwa Baum im Regen, Weihnachtsstern oder Baum im nächtlichen Gegenlicht. Auch skurrile Bilder findet man, wie Porträt mit drei Zähnen oder Fisch im Baum und die Luzerner Fasnacht bekommt mit Bohème-Musig ebenso ihren Platz. Zahlreicher sind jedoch Darstellungen, die den Menschen und die Umwelt kritisch beleuchten, etwa Verstrahlte Landschaft, Sperrgut im All, Total verliebt in sich selbst.

Von links nach rechts: Sperrgut im All, Weihnachtsstern, Engel auf der Flucht

Mehrere Aquarelle beschäftigen sich mit dem Thema Krieg. Bilder, die zum Teil noch vor dem Ukrainekrieg entstanden sind. Auf dem Saalblatt sind die Titel der ausgestellten Werke aufgelistet, etwa Vom Krieg gezeichnet, Flucht nach der Bombardierung, Kranker Flüchtling. Die kleinen Aquarelle, die in zarten Farbnuancen so hübsch erscheinen, erschüttern bei genauer Betrachtung und gemahnen an Schrecken, Gewalt und Zerstörung.

Eugen Bachmann, v.l.n.r. Explosion am Himmel, Ukrainer, Exhumierte Hand, Baum nach dem Brand.

Eugen Bachmann (*1942) stammt ursprünglich aus der Zentralschweiz. In Luzern liess er sich nach einer Flachmalerlehre an der Kunstgewerbeschule zum Grafiker ausbilden. Er gestaltete unabhängig von industrieller Werbung von 1965 bis 2012 über zweihundert künstlerische Plakate für Tourismus, Konzerte, Theater und Ausstellungen, die 2013 in einem Sammelband erschienen sind. Vor zwei Jahren sind er und seine Frau, die Musikethnologin Brigitte Geiser, von Bern nach Ligerz an den Bielersee umgezogen.

Eugen Bachmann-Geiser neben zwei Aquarellen, oben «Hände eines russischen Soldaten», unten «Flucht nach der Bombardierung».

Eugen Bachmann-Geiser war als Grafiker erfolgreich. Viele seiner Plakate für das Luzerner Theater oder Tourismus sind noch heute vertraut, wenn man Abbildungen davon sieht. Viele dieser Plakate basieren auf Vorlagen, die er in Aquarell auf A4 Papier entwarf, erklärt er.

Plakat, 1980. Nach einer Federzeichnung, die der Künstler von der Cellistin Esther Nyffenegger 1979 machte. Bild: aus dem Buch Plakate von Eugen Bachmann.

Eine Besonderheit sind Bachmanns Plakate für Musikveranstaltungen mit Zeichnungen aus dem Konzertsaal. Dafür skizzierte er jeweils eine Musikerin oder einen Musiker beim Musizieren, Singen oder Dirigieren während des ganzen Vortrags. Mit der Feder nahm er die Musik zeichnend in sich auf und schuf dabei künstlerische Porträts. Diese dienten ihm anschliessend häufig als Plakatentwürfe für Konzerte.

In seinem Schaffen fällt auf, dass sich der Künstler schon als Plakatgestalter immer wieder gegen Willkür auflehnte, auch mit eigenen Ressourcen. Mehrfach initiierte er Plakate – ehrenamtlich zusammen mit Kollegen, sogar mit einem Gratisaushang durch die APG –, um möglichen Opfern eine Stimme zu geben. So reagierte er blitzschnell, als er hörte, dass der Kanton Bern aus Spargründen die Kantonale Geigenbauschule in Brienz schliessen wollte. Die kleine 1944 gegründete Fachschule hatte weder eine Lobby noch einen Gönnerkreis. In wenigen Tagen entstand ein Plakat, das weitgestreut wurde. Und in Windeseile wusste man im ganzen Kanton, dass es in Brienz «brennt».

Plakat «Rettet die Geigenbauschule Brienz», 1998, Siebdruck.

Für das Plakat zur Rettung der Geigenbauschule Brienz kaufte Bachmann eine billige Geige bei einem Trödler. Diese befestigte er an einem Gestell und zündete sie im Garten an. Der Fotograf musste sich beeilen, denn das trockene Holz wurde rasch zu Asche. Jedes Mal, wenn eine Saite riss, schrie die Violine auf, erinnert sich Bachmann. Im Atelier setzte er die Fotos in ein Aquarell um und der Lithograf verarbeitete dieses im Computer. So entstand das Plakat als freiwilliger Beitrag für die Kultur, und das mit Erfolg. 2009 wurde die Geigenbauschule Brienz mit dem Kulturpreis des Kantons Bern ausgezeichnet.

Fotos: rv

Bis 11. Dezember 2022
Ausstellung «Eugen Bachmann-Geiser Aquarell», im Engel Haus Twann, Öffnungszeiten SA/SO 12 – 17 Uhr, mehr siehe hier

Eugen Bachmann, Die Plakate – Werke von 1965 bis 2012, mit verschiedenen Essays. Verlag Martin Wallimann, Alpnach Dorf, 2012. ISBN 978-3-905969-17-7

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