StartseiteMagazinKulturWillkommen in Tausendundeiner Nacht

Willkommen in Tausendundeiner Nacht

Mit «Re-Orientations. Europa und die islamischen Künste» widmet das Kunsthaus Zürich dem Einfluss von islamischen Künsten auf das europäische Kunstschaffen eine umfassende Ausstellung.

Ein orientalisch anmutender Raum zieht die Besucherinnen und Besucher beim Eingang magisch an. Die tiefblauen Wände sind mit Arabesken verziert, der riesige kubische Leuchter im Zentrum strahlt warmes Licht aus. Die ganze Rauminstallation besteht aus ornamental durchbrochenen lasergeschnittenen und lackierten Stahlkonstruktionen, die leicht und luftig wirken, der Boden ist mit einem riesigen Orientteppich belegt. A Beautiful Despair nennt die pakistanische Künstlerin Anila Quayyum Agha ihre Installation. Sie fühlt sich in ihrer Heimat als Frau und Künstlerin diskriminiert, ebenso in den USA als Muslimin und Person of Colour. Mit ihren Installationen will sie Räume schaffen, in denen sich alle willkommen fühlen.

Anila Quayyum Agha, A Beautiful Despair, Installation, 2023. Ein Raum wie aus Tausendundeiner Nacht, in dem sich alle willkommen fühlen.  Foto: © René + Elisabeth Bühler

Re-Orientations zeigt, wie die islamischen Künste durch die erste Weltausstellung in London 1851 Eingang in den Westen fanden, auch bei der breiten Bevölkerung. Erstmals wurden Exponate aus dem indischen Mogulreich sowie islamische Objekte präsentiert. Nach weiteren Ausstellungen in London, Wien, Paris und Algier setzte die Münchner Ausstellung Meisterwerke muhammedanischer Kunst von 1910 neue Massstäbe: Islamische Objekte wurden wie europäische zu «Meisterwerken» erhoben.

Blick in die kaleidoskopartig aufgebaute Ausstellung. Gemälde «Odaliske mit Sessel» von Henri Matisse, Möbel und Stoffbehang aus der Sammlung von Matisse. Im Zentrum oben ein Leuchter aus der Glasmanufaktur J. & L. Lobmeyr. Foto: © René + Elisabeth Bühler.

Die Begeisterung erfasste auch zahlreiche Kunstschaffende, die wie Henri Matisse, Franz Marc, Max Laeuger oder Le Corbusier die Münchner Ausstellung besuchten. Auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen erforschten sie die Stilmittel der islamischen Künste, passten sie ihren Bedürfnissen an und kreierten eigenständige Schöpfungen. In der angewandten Kunst wurden die Formen hingegen weitgehend originalgetreu übernommen, etwa vom französischen Keramikmeister Théodore Deck oder von der österreichischen Glasmanufaktur J. & L. Lobmeyr.

Gabriele Münter, Eine Frau vor einem Töpferwarengeschäft in Tunis, 1905. Münthers Fotografien aus Tunis dienten ihr und Kandinsky als Vorlagen für ihre Gemälde. © 2023, ProLitteris, Zurich

Henri Matisse, Wassily Kandinsky, Gabriele Münter oder Paul Klee bereisten die damaligen Kolonien, genauer gesagt Protektorate Algerien, Marokko oder Tunesien. Sie profitierten von den kolonialen Strukturen, die ihnen den Aufenthalt erleichterten.

Wenngleich Matisse kein Verfechter des kolonialen Systems war, hinderte es ihn nicht, Gegenstände und Textilien aus Nordafrika zu kaufen und sie als Requisiten in seinen Bildern darzustellen. Auch scheute er sich nicht, das orientalische Motiv der Odaliske in den 1920er Jahren zu vermarkten. Zugleich zollte er der islamischen Kultur hohen Respekt. Er schrieb 1947: «Die Erleuchtung kam für mich aus dem Orient».

Wassily Kandinsky, Arabischer Friedhof, 1909. Das Gemälde entstand nach Fotografien von Gabriele Münter. Foto: Hamburger Kunsthalle © Elke Walford

Die Bewunderung der Kunstschaffenden für islamische Objekte beschränkte sich hauptsächlich auf formalästhetische Aspekte, ohne vertiefte Auseinandersetzung mit der ursprünglichen Funktion, dem jeweiligen Kontext oder den Schöpfern. Aus heutiger Sicht erscheint ihre Beschäftigung eher oberflächlich, sich aneignend, ohne Interesse an den Menschen dieser Länder und spiegelt die hegemoniale Einstellung der Zeit wider.

Paul Klee, Fenster und Palmen, 1914, Aquarell. Kunsthaus Zürich, Grafische Sammlung, 1930

Es zeigt sich, dass Kunstwerke heute hinterfragt werden müssen. Dazu verhilft der Blick auf zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, die mit mehreren Werken in der Schau vertreten sind. Etwa Gülsün Karamustafa oder Bouchra Khalili, die mit ihren Videos postkoloniale Themen aufgreifen. Oder die Fotografien von Marwan Bassiouni, die den Islam mitten unter uns vor Augen führt. Geboren 1985 in der Schweiz mit ägyptisch-amerikanischen Wurzeln besucht Marwan Bassiouni verschiedene Moscheen in der Schweiz und fotografiert die Umgebung aus dem Fenster der Moschee.

Marwan Bassiouni vor «New Swiss Views», Blick aus der Moschee. Mit seinem Objektiv schafft er auf Distanz eine Verbindung zwischen seiner und der Schweizer Kultur. Foto: © René + Elisabeth Bühler

Der Austausch zwischen der westlichen und der muslimischen Welt hat dank der Handelsrouten eine jahrhundertlange Tradition. Die Kulturen sind stets miteinander verflochten und keine in sich geschlossene Einheiten.

Fliesenpaneel, Türkei, Iznik oder Kütahya, osmanisch, 16.-17. Jh., Historisches Museum Bern. Foto: rv

In der Vergangenheit wurde der gesamte islamische Raum als Orient zusammengefasst, ein Begriff, der heute im postkolonialen Diskurs heftig diskutiert wird. In der Wissenschaft hat sich heute der Begriff Islamophilie durchgesetzt als Wertschätzung der islamischen Künste sowie als Hinweis auf transkulturelle Prozesse.

Titelbild: Ausstellungsansicht. Foto: © René + Elisabeth Bühler
Fotos: Vom Kunsthaus Zürich zur Verfügung gestellt;
© René + Elisabeth Bühler; rv

Bis 16. Juli 2023
«Re-Orientations. Europa und die islamischen Künste, 1851 bis heute» im Kunsthaus, Bührlesaal, Zürich. Weitere Informationen finden Sie hier
Katalog mit zahlreichen Essays und Abbildungen, Verlag Hirmer, CHF 59.00

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