Ein Fantasy-Spektakel in der Zürcher Schiffbauhalle: Schauspielhaus-Intendant Nicolas Stemann inszeniert zusammen mit dem Theater Hora und dem Helmi-Puppentheater Berlin «Riesenhaft in Mittelerde», eine Bearbeitung von J. R. R. Tolkiens «Herr der Ringe».
J. R. R. Tolkien hat für sein Epos «Herr der Ringe», das zu den meistgelesenen Fantasy-Büchern der Welt zählt, ein ganzes Fantasieuniversum erschaffen. Seine Geschichte bewegt sich souverän zwischen Mythos, Legende, Heldengeschichte, Märchen und Kitsch. Schauspielhaus-Intendant Nicolas Stemann hat zusammen mit Stefan Stock (Theater Hora) und Florian Loycke (Helmi-Puppentheater Berlin) Tolkiens Epos in einer spektakulären Inszenierung auf die Bühne im Zürcher Schiffbau gebracht.
Es grenzt beinahe ans Unmögliche, die mit vielen Abenteuern gespickte Heldenreise der Hobbits Frodo und Sam, die den Ring nach Mordor tragen, an einem Theaterabend von zweieinhalb Stunden zu präsentieren. Möglich gemacht wird das, indem keine detailtreue theatrale Nacherzählung geboten wird, sondern ein Kunterbunt an skurrilen Figuren, die erzählend, tanzend, musizierend facettenreich einzelne Szenen der Ring-Saga spielen. Die Besucherinnen und Besucher sind Teil des Spiels, können mit einem Plan in der Hand zwischen den einzelnen Szenen zirkulieren, ihre Perspektiven verändern, an den beiden Saalenden sitzend das Treiben mitverfolgen.
Eine begehbare Inszenierung
Die Schiffbau-Halle gleicht einem Tollhaus mit mehreren Stationen und Videoeinspielungen auf riesigen Leinwänden. Die Stationen tragen Namen wie «Das Theater zwischen den Welten», «Taverne zum Crazy Hose»., «Der Säulenwald», «Der Turm der Verwandlung» und «Der klingende Turm». In der Bühnenmitte steht «Der Marktplatz», ein Podest mit Treppenaufgang, ähnlich einem Boxring. An den Wänden hängen pflanzen- und puppenartige Gebilde aus Schaumstoff und anderen Materialien (Bühnenbild: Katrin Nottrodt).
Die Welt ist im Wandel: Das auf dem Marktplatz versammelte Ensemble stellt sich vor.
Dicht gedrängt zirkuliert die Besucherschaft anfänglich durch die begehbare Inszenierung, dazwischen die Schauspielerinnen und -spieler in langen Gewändern, mit langen Bärten, hohen Hüten, die Zwerge, Hobbits, Zauberer, Orks und Elben verkörpern, sowie Angestellte mit Live-Cams. Donnerlärm signalisiert den Beginn des Spiels. Die Spielenden sammeln sich zum Sprechgesang «Die Welt ist im Wandel. Ich spür es im Wasser. Ich riech es in der Luft» auf dem Marktplatz, stellen sich einzeln auf originelle Art vor, so Kay Kysela, der eher Arthouse-Filme als Fantasy mag und als Frodo genauso wenig Ahnung hat von dem Ganzen wie er selbst. Mit von der Partie sind neben Frodo die Saga-Figuren Sam, Gandaif, Eowyn, Arwen, Aragorn, Elron, Boromir, Saruman und andere mehr. Auch der Autor Tolkien ist dabei und wacht über die Rechte.
Gigantische Kostümparty und pralle Spielfreude
Die Story wird kapitelweise schauspielerisch und teils mit Hilfe von Videoeinspielungen abgearbeitet. Gespielt werden einzelne Kernszenen, Schauspieler Gottfried Breitfuss sorgt als Chronist für reibungslose Übergange, Musiker im klingenden Turm feuern das Spektakel mit Heavy-Metal-Klängen an, Podeste werden hin und her geschoben, draussen gedrehte Filme (Berglandschaften, Bunker am Uetliberg) auf die Leinwände im Schiffbau übertragen. Einzelne Szenen bleiben haften, so jene mit Elrond (Lukas Vögler) und seiner vorwitzigen Tochter Arwen (Caitlin Friedly), der unter dem Gemurmel seiner Gefolgsleute kampfesmüde das weitere Schicksal des Macht verleihenden Rings bestimmen muss, weiter jene mit Frodo, der vergeblich den Ring mit mehreren Anläufen im feurigen Schlund zu versenken versucht, oder jene, wie die Spieler mühsam den Uetliberg hoch krempeln und mehrere verzweifelte Anläufe demonstrieren, bis das Tor zum Bunker sich öffnet.
Pralle Spielfreude: Andy Böni als Ringfischer inmitten der begehbaren Inszenierung. Fotos: Philip Frowein
Atmosphärisch gleicht die Inszenierung einem bunten Jahrmarkttreiben, einer gigantischen Kostümparty mit etlichen überraschenden Effekten. Inhaltlich bietet sie kaum nennenswerte Erkenntnisse, abgesehen von einzelnen ironischen Anspielungen auf heutige Ereignisse. Wie dem Programmhaft zu entnehmen ist, erfolgte die Wahl des Stücks auf Wunsch der Hora-Mitglieder, die sich im Spiel voll und ganz einbringen. Die mit Humor gewürzte Aufführung bereitet viel Spass und einen Augenschmaus an eindrücklichen Szenen praller Spielfreude.
Titelbild: Kay Kysela als Frodo mit dem Macht verleihenden Ring.
Weitere Spieldaten: 14., 26., 28., 30. April, 2., 5., 11., 16., 17., 21., 27., 31. Mai, 1. Juni