StartseiteMagazinLebensartDer für den Geissle-Zwick sorgt

Der für den Geissle-Zwick sorgt

Für die einen ist es Musik in den Ohren, für andere nur Krach. Tatsache ist: Das Chlausjagen und Geisslechlepfe erfreut sich in der Zentralschweiz einer langen Tradition. Zu Besuch in Arth SZ bei Walter Fässler (94), einem legendären Geisslemacher.

Walter Fässler, auf dem Kopf eine alte Militärmütze, begrüsst uns mit einem kräftigen Handschlag. Obwohl heuer 94 Jahre alt geworden, besteigt er mit Schwung sein altes Militärvelo («mein Geschäftsfahrzeug») und heisst uns, ihm zu folgen. Der Gaden liegt geschätzte 150 Meter von seinem Wohnhaus in Arth entfernt. Hier in der ungeheizten Werkstatt hat er noch bis vor Kurzem Geisseln hergestellt. Damit ist nun Schluss. «Wältl» Fässler erklärt: «Mir fehlt zunehmend die Kraft dazu. Auch meine Frau darf ich nicht mehr auf Händen tragen …»

Gut 100 Geisseln hat er pro Jahr eigenhändig fabriziert, und dies seit vielen Jahrzehnten. Kein Wunder, sind die allermeisten Geisslechlepfer, die jeweils am Dreikönigstag auf dem Schwyzer Hauptplatz zum traditionellen Priis-Chlepfä antreten, mit einer Fässler-Geissel ausgerüstet. Auch, weil Walter Fässler die in der Zentralschweiz gebräuchlichste Fuhrmanns- oder «Chrüzlistreich»-Geisseln herstellt.

Geisseln auf Vorrat

Fässler gilt in der Zentralschweiz als die Kapazität auf seinem Gebiet. Seine Geisseln sind ähnlich hergestellt wie jene von Beat Mathis aus Wolfenschiessen. Im Gegensatz zu Mathis, der auf einen Fiberglasstab setzt um dem gedrehten Stecken aus Zürgelholz die nötige Spannung zu verleihen, schwört er aber auf Federstahl. Die Geisseln seines «Konkurrenten» bezeichnet er deshalb etwas despektierlich als «Fischerruten». Das verschmitzte Lächeln zeigt aber sogleich, dass er es nicht ganz so ernst meint damit.

In seinem Gaden und im Keller seines Hauses hängen derzeit noch gut und gerne 200 Geisseln. Seine Kinder («vorläufig vier», wie er schelmisch grinsend sagt) sowie hiesige Chlepfer hätten ihn gebeten, noch möglichst viele Geisseln auf Halde zu produzieren. Beim Zeigen seines Vorrates meint er lachend: «Ihr sollt nicht meinen, ich sei ein fauler Cheib gewesen …» Der «Wältl» liebt das Sprücheklopfen, ist gut aufgelegt. Die Verbindung vom «Stäckä» zur Schlinge aus Leder nennt sich Mannli. Er kommentiert: «Die heissen so – obwohl ich die Wiibli immer lieber gehabt habe.»

«Dise het gsäit …»

Walter Fässler erblickt am 2. September 1929 das Licht der Welt. Hier in Arth, wo er sein ganzes Leben verbracht hat. Mit Ausnahme der Rekrutenschule in Zürich und später als Geisselkünstler auf diversen Folklore-Kreuzfahrtschiffen bleibt er in Arth. Wird wie sein Vater Landwirt.

Und eben Geisselmacher.

Im Keller des Hauses lagert Walter Fässler seinen Vorrat an Geisseln. Seinen Töff fährt der 94-Jährige nicht mehr. Fotos Christian Roth

Sein erstes «Geisseli» hält er mit fünf Jahren in Händen. Seither hat ihn die Faszination am Chlepfen nie mehr losgelassen. Selbst damals nicht, als er mit 60 zwei Fingerbeeren verliert. Wie und wann er zum Handwerk des Geisselmachens gekommen ist, mag er sich nicht mehr erinnern. Ein befreundeter Geisselchlepfer habe ihm aber beweisen können, dass es schon Ende der 1950er-Jahre gewesen sein muss. Walter Fässler: «War das Wetter mal schlecht, habe ich halt an Geisseln herumgebastelt …» Bald war sein Name in der Szene bekannt und seine Geisseln gefragt. Schliesslich ist das Anfertigen von Geisseln eine Wissenschaft, die viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl verlangt.

Verheiratet ist «Wältl», wie er allerorten gerufen wird, seit 66 Jahren mit Leni. Ganze vier Jahrzehnte hätten sie gemeinsam das «Heimeli» bewirtschaftet. In seiner Freizeit hat er sich den Geisseln gewidmet – in der Werkstatt und draussen beim Chlepfen. Ab 1991 ist er nicht mehr zum Priis-Chlepfä angetreten. Zwölf Kränze und weitere Trophäen im Wohnzimmer zeugen von Fässlers Aktivzeit als Chlepfer.

Hoffnungen ruhen auf Grosskind

Seit dem Kürzertreten habe er nun mehr Zeit, seiner Frau im Haushalt zu helfen. Das Kopfschütteln von Leni Fässler verrät, dass dies wohl wieder nicht so ganz ernst gemeint ist. Dann relativiert er auf seine Art selber: «Dise het gsäit, für das han i ghürote…» Oder: «Diese het gsäit, me sött zwee Fraue ha – eini für am Sunntig und eini für am Wärchtig. Aber für am Wärchtig wett er en kei anderi …» Leni überhört derlei Sätze geflissentlich, serviert stattdessen «Kaffi fertig» und feine Apfelkrapfen.
«Wältl» hat ausnahmslos «Chrützlistreich»-Geisseln hergestellt. Wie viele, wisse er nicht. Es dürften aber mehrere Tausend sein. Buchhaltung sei seine Sache nicht, sagt er und schiebt wieder unter Lachen nach: «Dise het gsäit: Wenn der Lehrer nid gstorbe wär, müesst i allwäg no hüt in d Schuel…»

Wie auch immer. Als Geisselmacher geniesst «Wältl» Fässler einen ausgezeichneten Ruf. Gleichzeitig wissen alle: Noch ist niemand in Sicht, der das Handwerk so versteht wie der «Wältl». Dessen Hoffnungen ruhen auf Enkel Marco Fässler (20). Dem wolle er sein ganzes Wissen weitergeben, damit er sein Werk fortführen könne. Etwas, was wohl alle aktiven Chlepfer ebenfalls hoffen.

Es chlepft wieder…: Werner «Gingel» Fässler, Sohn der Fässlers und mehrfacher «Schwyzermeister», trägt die Tradition des Geisslechlepfens weiter. 

«Überhaupt die Jungen», sagt der Geisselfachmann, «die sind gut im Chlepfen.» Davon könne er sich jedes Mal am Priis-Chlepfä überzeugen. In Schwyz seien es sicher mehr als hundert, die das Chlepfen beherrschen, «so dass öppis usechunnt us dene cheibe Geissle». Und damit meint Fässler natürlich den Knall … Auch in Arth selber gebe es ein richtiges Chlepfernest, berichtet er. Auch er und sein Junior Werner – in Chlepferkreisen «Gingel» gerufen – hätten jeden Abend nach getaner Arbeit auf Feld und im Stall nach der Geissel gegriffen und geübt. Das hat sich ausbezahlt: An einem Priis-Chlepfä wurde er Schwyzermeister bei den Senioren und Werner gleichzeitig bei den Junioren. Seither hat der Sohn seinen Vater längst überholt: Werner wurde ganze 18-mal Schwyzermeister.
Ganz besonders in Erinnerung bleibt das 50-jährige Priis-Chlepfä von 2017: Marco Fässler, der Enkel, wurde zum vierten Mal Schülermeister. Damit brachte er den 25. Sieg zur Geissel-Familie Fässler. Das Chlepfen liegt den Fässlers eben im Blut.

Tipp: Einer der letzten – und gleichzeitig der bekannteste – dieser «Geislemacher» ist Walter Fässler aus Arth. Der Film, gedreht im Jahre 2016, zeigt das anspruchsvolle Handwerk, die Beschaffung des Rohmaterials im In- und Ausland und das Brauchtum des «Chlepfens» in Innerschwyz. Und auch wieso es für den ehemaligen Landwirt so schwierig ist, einen Nachfolger für sein Handwerk zu finden.

LINK

Video «Geislemacher» 2016 (Drehbetrieb)

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