Das Wanderbuch mit dem englischen Titel «Why go far away when everything is Closeby (Warum weit weg gehen, wenn alles in der Nähe ist)« will Vielflieger mit Wanderlust animieren, hiesige Doppelgänger weltberühmter Naturschönheiten zu besuchen.
Wandern ist nicht erst seit Corona eine Trendsportart. Aber einfach durch den nächsten Wald oder mit dem öV zum Startort auf den übernächsten Zwei- oder Dreitausender steigen, ist wohl weniger cool als in einer exotischen fernen Gegend zu einer weltbekannten Sehenswürdigkeit der Natur wandern.
Die Werbung einer Fluggesellschaft für Wanderferien weit weg.
Allerdings sind Fernflüge als Anfang und Ende der Wanderferien zum Kilimandscharo oder zum Grand Canyon gar nicht klimafreundlich. Nun liegt ein Rezept für klimabewusste Weltenbummler vor. Es hat als Nebenwirkung einen kleineren ökologischen Fussabdruck als Wanderungen am anderen Ende der Welt:
Fünfzehnmal anzuwenden innerhalb der Schweizer Landesgrenzen. Und dabei den Vierzeiler Erinnerung von Johann Wolfgang von Goethe memorieren:
Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen:
Denn das Glück ist immer da.
So hat Goethe gedichtet. Und der Volksmund hat aus der ersten Zeile Warum denn in die Ferne schweifen? gemacht. Sei’s drum. Das Poem passt perfekt zur Idee des Buchs, mit dem uns Karin Rey, Lukas Schönbächler und Maja Haus zum nachhaltigen Wandern verführen wollen.
Fünfzehn Orte in der Schweiz, die ebenso spektakulär oder eindrücklich sind wie ihre berühmten Zwillinge irgendwo auf der Welt, haben sie jeweils in eintägigen Wanderungen inklusive Bahn- oder Bus getestet.
Statt stundenlang in andere Weltgegenden zu fliegen, um dort Wanderferien zu machen, kann man CO2 sparen und hier bleiben. Darum geht es nämlich: Wer fliegt, ist massiv am CO2-Ausstoss beteiligt. Wieviel, das haben die Autorinnen ausgerechnet.
Beispiel Costa Rica, wo es Abenteurerinnen und Weltenbummler hinzieht, um den Wasserfall La Fortuna zu besuchen. Beim Berglistüber im hinteren Glarnerland erinnert sich Karin Rey an ihre Zeit in Costa Rica, wo sie «bei einem ähnlichen Wasserfall war. Mit dem erfreulichen Unterschied, dass wir hier nicht nach Schlangen Ausschau halten müssen.»
Beispiel Bhutan: «Himalaya-Feeling mitten im Wallis» finden Fussgänger, wenn sie von Leuk aus durch den Pfynwald den Weg zur Bhutanbrücke gehen. Die Punakha-Brücke im Königreich Bhutan ist wirklich eine Schwester, denn die Brücke mit den Gebetsfahnen im Wallis wurde in Zusammenarbeit mit dem Königreich Bhutan gebaut.
Beispiel Arizona, USA: Was der Colorado River mit dem Horseshoe Bend bietet, kann der Vorderrhein mit der Ruinaulta, der Rheinschlucht auch, allerdings im kleineren und für Wandersleute passenderen Format.
Statt den Zurich Airport von oben sehen, kann man die Flieger von unten sehen und hören – leider beinahe überall in der Schweiz.
Das Besondere an den Wandervorschlägen für die heutige Vielflieger-Gesellschaft, aber auch an jene, die seit der Klimadebatte nie mehr Flugreisen machen, ist die beigefügte CO2-Rechnung: Reisen Sie ins Königreich am Himalaya, verschleudern Sie nämlich 1840 kg CO2. Fahren Sie mit der Bahn nach Leuk und wandern dann zur Bhutanbrücke, sind es 2,1 kg CO2. Wenn die Reise zum Colorado River geht, sind 832kg CO2 auf dem Konto, für den Ausflug in die Rheinschlucht brauchen Sie gerade mal 5 kg.
Wie fast alles in der Schweiz ist die naheliegende Doublette – hier sind die Walliser Suonen statt die Levadas in Madeira das Wanderziel – etwas kleiner als das ferne Original. Dafür kann man im Lauf eines langen Sommers gleich alle präsentierten Destinationen besuchen, ohne auch nur einmal in einem Flughafen einchecken zu müssen. Und der gemäss der Optik auf den Fotos gewählte Standort zusammen mit dem guten Gewissen, CO2 zu sparen, bringt’s. Jedenfalls eine witzige Idee zur Klimadebatte, die in diesen Wanderführer gepackt wurde. Die Routen sind nicht nur gut beschrieben, man kann sie dank QR-Code auch gleich auf dem Handy mitnehmen. Die Autorinnen geben auch ganz praktische Tipps für Ausrüstung und Verpflegung.
Der kleine Reiseführer, der dich mitnimmt auf eine Reise quer durch die Schweiz – so der Untertitel – ist gut 130 Seiten stark. Ergänzt durch einen Annex aus 15 dicken Postkarten, parat zum Versand an die Lieben zuhause. Vorn sind die Zwillinge abgebildet, hinten steht, wieviel Kohlendioxyd bei dem Tagesausflug ins Landesinnere gespart wurde.
Titelbild: Der Grand Canyon der Schweiz liegt im Kanton Neuenburg und heisst Creux du Van. Foto: Roland Zumbühl, picswiss.ch
Maja Haus, Karin Rey: Why go far away when everything is Closeby. Mit Routenskizzen, GPS-Daten und 15 heraustrennbaren Postkarten. ISBN 978-3-03973-013-1, Rotpunktverlag, Zürich 2023