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Menschen mit Demenz kreativ begleiten

Am 9. St. Galler Demenzkongress unter dem Titel «Dementia Care im Wandel der Zeit» befassten sich Mitte November 850 Fachleute und Interessierte mit der Welt von Menschen mit Demenz. Wie sehen Menschen mit Demenz ihre Welt und wie können sie darin bestmöglich begleitet werden?

Der von der Ost- Ostschweizer Fachhochschule veranstaltete Kongress bot viele Impulse für einen kreativen, fördernden Umgang mit demenzbetroffenen Menschen. Im Folgenden seien nur einige Anregungen hervorgehoben.

Bilderwelt von Menschen mit Demenz

Oliver Schultz, Bildender Künstler und Germanist, arbeitet künstlerisch seit über 20 Jahren mit demenzbetroffenen Menschen. In ihren Zeichnungen komme eine lebendige Ausdruckswelt zum Vorschein – mit dem «Eigensinn» von starken Persönlichkeiten. Demenz als einen Zustand von «Geistlosigkeit» zu sehen, werde durch die Zeichnungen widerlegt.
«In ihren Zeichnungen machen Menschen mit Demenz sichtbar, was sonst unsichtbar ist.
Wenn wir ihnen beim Zeichnen zusehen, sind wir zu Gast im künstlerischen Spielraum dieser Menschen», so Schultz. Weitere Bilder siehe unter https://www.oliverschultz.info/die-kunst-der-demenz/

Personenzentrierte Pflegekultur

Aus der Sicht von Hanna Mayer, Professorin an der Karl Landsteiner Universität in Krems, ist die fehlende Personenzentrierung eine der Hauptursachen des Fachkräftemangels. Denn Pflege müsse personenzentriert sein. Pflege als Abfolge von verschiedenen Verrichtungen mit hierarchischen, machtbezogenen Strukturen mache den Pflegeberuf unattraktiv. Dementia Care wirke in Wesentlichen als Beziehungsgeschehen zwischen der Person mit Demenz und der Pflegefachperson. In ökonomisierten Gesundheitssystemen würden jedoch passende Strukturen für eine personenzentrierte Pflegekultur fehlen.

Prof. Dr. Hanna Mayer fragt: Personenzentrierung in Zeiten des Fachkräftemangels – unmöglich oder notwendig? Ein Rahmenkonzept zur Gestaltung Personzentrierter Praxis in der Langzeitpflege (PeoPLe) siehe unter https://www.curaviva.ch/files/KIO0O0O/personzentrierte_praxis_langzeitpflege__arbeitsinstrument__universitaet_wien__2020.pdf

Perspektiven für Dementia Care

Am Nachmittag ermunterte Heidi Zeller von der OST in ihrem Abschlussreferat die Anwesenden, Dementia Care weiter zu denken, «denn das ist zwingend erforderlich, um die Situation der Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen würdevoll zu gestalten. Dabei gilt es auch, die Würde der beteiligten Fachpersonen im Blick zu haben». Dazu einige Fragen an Heidi Zeller:

Seniorweb: Heidi Zeller, im Zentrum Ihrer Ausführungen am Nachmittag stand eine würdevolle Lebensgestaltung im Umgang mit Demenz für alle Betroffenen. Was ist zu beachten, um die Würde aller Beteiligten hochzuhalten, in erster Linie die Würde des Menschen mit Demenz?

Heidi Zeller: Grundvoraussetzung ist, dass eine gute Pflege und Betreuung der Betroffenen nicht von deren finanziellen Ressourcen abhängen dürfen. Egal ob aus der öffentlichen Hand, aus der Krankenkasse oder der eigenen Tasche bezahlt wird: Ein niederschwelliger Zugang zu Unterstützungsangeboten sollte für alle möglich sein. Ebenfalls muss eine personzentrierte Pflege und Betreuung gewährleistet sein. Das bedeutet unter anderem, dass der individuelle Bedarf und die individuellen Bedürfnisse zentraler Orientierungspunkt pflegerischen Handelns sind. Zudem ist zu berücksichtigen, dass insbesondere in den ersten und mittleren Phasen der Erkrankung die Selbstbestimmungsbedürfnisse ernst genommen werden, so dass sich Betroffene als selbstwirksam erleben können. Dazu gehört auch, dass sie soziale Kontakte pflegen und sie genügend Raum für aus ihrer Sicht sinnstiftende Aktivitäten haben können.

Sind Bedürfnisse nach Selbstbestimmung, Selbstwirksamkeit und sozialen Kontakten nicht ein Hauptgrund, dass Betroffene möglichst lange zu Hause bleiben wollen?

Ja schon, aber das muss auch kritisch gesehen werden. Ist das Leben zuhause wirklich immer der beste Ort? Wäre eine Wohngruppe besser?  Wann sind Tages- oder Nachtbetreuung ausserhalb angezeigt, wann ist ein Übergang in ein Pflegeheim besser. All dies ist im Verlauf der Entwicklung der Demenz und der sich zuhause verändernden Lebensbedingungen im Auge zu behalten.

Prof. Dr. Heidi Zeller spricht über aktuelle und zukünftige Entwicklungen in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz.

Wie kann die Würde der beteiligten Fachpersonen hochgehalten werden?

Fachpersonen müssen sich selbst und ihre Grenzen der Belastbarkeit ernst nehmen und sich selbst in ihrem Tun achten können. Zudem braucht es eine Kultur der Wertschätzung im Team und von Seiten der Vorgesetzten, damit Pflegende fachkundig und liebevoll arbeiten können.

Was sind zentrale Elemente einer wertschätzenden Führung?

Zur Wertschätzung gehört nicht nur eine angemessene Entlöhnung. Mitarbeitende schätzen durch das Jahr hindurch immer wieder wertschätzende Gespräche mit Vorgesetzten auch im kritisch-konstruktiven Sinn. Wertschätzung im Rahmen eines Mitarbeitergesprächs einmal pro Jahr genügt nicht. Zudem ist wichtig, den Mitarbeitenden Weiterbildung zu ermöglichen in fachlicher Hinsicht, aber auch in Fragen der Persönlichkeitsbildung und des Umgangs mit stressigen Situationen.

An welche Weiterbildungsangebote denken Sie?

Die Angebotspalette ist vielfältig. Wenn man sucht, findet man immer was Passendes. Das können betriebsexterne Weiterbildungen sein, etwa in Fachhochschulen. Im Rahmen der fachlichen Weiterbildung trifft man auch auf Kolleginnen und Kollegen in ähnlichen Situationen, mit denen man sich gewinnbringend austauschen kann und so den Horizont über die eigene Institution hinaus erweitert. Betriebsinterne Weiterbildungen haben den Vorteil, dass man passgenau die Probleme anschauen, besprechen und lösen kann, die sich momentan stellen. Die Umsetzung von gefundenen Lösungen sind bei betriebsinternen Weiterbildungen leichter und werden vom Team getragen. Wertvoll sind immer auch betriebsinterne Gefässe für Supervision, Intervision und Fallbesprechungen.

Wie kann die Würde der beteiligten Angehörigen hochgehalten werden?

Betreuende Angehörige sind durch die jahrelange Begleitung von Betroffenen gewissermassen zu Expertinnen und Experten geworden und wissen viel über die Biografie, Vorlieben, Stärken und Schwächen von Betroffenen. Fachpersonen sollen den Angehörigen immer auf Augenhöhe begegnen. Wenn Betroffene dies wollen, sind nahe und unterstützende Angehörige in Entscheidungsprozesse über Pflege, Betreuung und Begleitung anerkennend und wertschätzend einzubeziehen.

Prof. Dr. Heidi Zeller ist Leiterin des Kompetenzzentrums Demenz am IPW (Institut für Pflegewissenschaft OST- Ostschweizer Fachhochschule). Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Versorgungsmodelle, Praxisprojekte sowie Pflege- und Betreuungskonzepte im Bereich Dementia Care und herausforderndes Verhalten/Aggression in der Pflege von Menschen mit Demenz.

Programm des 9. Demenzkongresses 2023: https://demenzkongress.ch/frontend/index.php?page_id=752

Titelbild: Prof. Dr. Birgit Vosseler, Leiterin des Departements Gesundheit der OST, begrüsst die Gäste.

Fotos: ©OST:

 

 

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