StartseiteMagazinGesellschaftIst eine 13. AHV-Rente die faire Lösung?

Ist eine 13. AHV-Rente die faire Lösung?

Am 3. März stimmt das Schweizer Stimmvolk über die Einführung einer 13. AHV-Rente ab. Die vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) lancierte Initiative ist umstritten. Seniorweb befragte SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (Titelbild) nach den Gründen, die für eine Annahme der 13. Altersrente sprechen.

Im Jahr 1925 hatte das Stimmvolk dem Verfassungsartikel zur Schaffung einer Alters- und Hinterlassenenversicherung an der Urne zugestimmt. Am 1. Januar 1948 schliesslich trat die AHV in Kraft. Die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) ist das Fundament der schweizerischen Altersvorsorge. Mehr als 2,5 Millionen Pensionierte erhalten gegenwärtig eine AHV-Rente. Die AHV-Rente soll den Existenzbedarf im Alter angemessen decken. Die meisten Pensionierten haben weitere Einkommen, insbesondere eine Pensionskassenrente. Wer seinen Lebensunterhalt damit nicht bestreiten kann, hat Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL).

Die Stimmbevölkerung kann am 3. März über die Initiative für eine 13. AHV-Rente abstimmen. Die Initiative «Für ein besseres Leben im Alter» verlangt, dass alle Rentnerinnen und Rentner Anspruch auf eine 13. AHV-Rente haben. Sie wurde vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund im Mai 2021 eingereicht. Bundesrat und Parlament empfehlen die Ablehnung der Initiative. Sie sehen finanziell keinen Spielraum für eine zusätzliche 13. AHV-Altersrente.

Die Initiative will die Altersrenten der AHV um eine Monatsrente erhöhen. Zu den 12 Monatsrenten käme jedes Jahr eine 13. Rente dazu. Die maximale jährliche Altersrente würde für Einzelpersonen um 2450 auf 31 850 Franken und für Ehepaare um 3675 auf 47 775 Franken steigen. Die Initiative bestimmt auch, dass wegen der 13. Rente die Ergänzungsleistungen nicht gekürzt werden dürfen. Bei der Einführung würden die Kosten für die 13. AHV-Rente voraussichtlich etwa 4,1 Milliarden Franken betragen; davon müsste der Bund rund 800 Millionen Franken bezahlen. Die Gegner der Initiative bringen besonders folgende Argumente vor: Eine pauschale Erhöhung aller AHV-Renten sei eine sozialpolitisch verschwenderische Giesskanne, da sie nicht nur der relativ kleinen Minderheit der armen Rentner zugutekomme, sondern auch den vielen gutgestellten Rentnern einschliesslich jenen mit überdurchschnittlichem Einkommen.

Es trifft durchaus zu, dass es auch im Kreise der Leserschaft des Seniorwebs Befürworter und Gegner der Initiative zu finden sind. Wir unterhielten uns im Bundeshaus  mit Ständerat Pierre-Yves Maillard und Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes und wollten aus der Sicht der Initianten wissen, was für die Annahme der Initiative spricht. Der Entscheid liegt bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern.

Herr Maillard, der SGB schlägt eine 13. AHV-Rente vor. Aber der AHV fehlt das Geld. Wie sollen wir uns das leisten können?

Pierre-Yves Maillard: Im Gegenteil, die AHV hat viel Geld. Sie hat heute 50 Milliarden Franken Reserven und bis 2030 werden weitere 20 Milliarden dazukommen. Gemäss den Prognosen des Bundesrates zahlen wir in den nächsten Jahren jährlich 3,5 Milliarden mehr Beiträge in die AHV-Kasse, als sie Renten ausbezahlt. Diese Marge ist schon fast so hoch wie die Kosten einer 13. AHV-Rente. Und falls wir in einigen Jahren eine zusätzliche Finanzierung brauchen, würden zum Beispiel 0,4 Lohnprozente für Arbeitnehmende und Arbeitgeber genügen.

Aber brauchten wir dies neue Leistung überhaupt? Den Pensionierten geht es doch gut.

Seit drei Jahren erleidet die Bevölkerung einen unglaublichen Kaufkraft-Verlust. Die Krankenkassenprämien, die Mieten, die Lebenshaltungskosten, die Heizungskosten, alles wird brutal teurer. Und es gibt für die Rentnerinnen und Rentner keine Kompensation. Die Anpassung der AHV an die Teuerung ist völlig ungenügend und bei den Pensionskassen gibt es sie gar nicht. Und der Bundesrat unternimmt nichts dagegen. Die Mehrheit des Parlaments will auch nichts machen, ausser zusätzliche Leistungskürzungen wie bei der Witwenrente zum Beispiel. Sogar ein Teuerungsausgleich von sieben Franken pro Rentner und Monat wurde vom Parlament abgelehnt. Das zeigt: Sollte das Volk Nein zu unserer Initiative sagen, würde nichts anders in Aussicht stehen.

Aber gemäss einer in der NZZ publizierten Studie sind die Rentnerinnen und Rentner vermögend und reich?

Diese Aussagen sind ebenso schockierend wie falsch. Natürlich leben viele Rentnerinnen und Rentner in ihrem eigenen Haus. Aber deswegen sind sie noch lange nicht reich. Im Gegenteil: Oft ist genau dies der Grund, weshalb sie keine Ergänzungsleistungen erhalten, auch wenn sie eine ungenügende Rente bekommen. Ich kenne eine Rentnerin, die ihren Heizölkessel nicht auffüllen konnte, weil ihr dafür das Geld fehlte. Nun heizt sie mit einem kleinen Elektroöfeli den Raum, in dem sie sich gerade befindet. Aber gemäss der NZZ ist sie reich, weil sie ein Haus besitzt.

Warum haben Sie denn nicht gezielte Massnahmen nur für die ärmeren Rentnerinnen und Rentnern vorgeschlagen?

Das Problem betrifft nicht nur die Ärmeren, sondern auch den Mittelstand. Und immer, wenn man gezielte Massnahmen vorschlägt, werden sie mit dem Argument bekämpft, der Mittelstand würde davon nicht profitieren, sondern müsste sie bezahlen. Das werden wir wieder hören, wenn wir im Juni 2024 über die Begrenzung der Krankenkassenprämien diskutieren werden. Für diejenigen Kreise, die sich nur um die Reichsten kümmern, gibt es immer einen guten Grund, nichts gegen die Kaufkraft-Verluste der breiten Bevölkerung zu machen.

Aber warum sollen auch die Reichen eine 13. AHV-Rente bekommen?

Die AHV ist keine Sozialhilfe, sondern eine Sozialversicherung. Sie ist nichts anderes als zurückgestelltes Einkommen, das während der aktiven Zeit angehäuft und während des Ruhestands zurückbezahlt wird. Und dieses System ist so gut, dass 90 Prozent der Bevölkerung mehr Leistungen erhalten, als sie je bezahlt haben. Darum ist es absurd zu sagen, von einer Verbesserung der AHV würden die Reichen profitieren. Wären wir solchen Argumenten gefolgt, hätten wir die AHV gar nie geschaffen. Das Gegenteil ist richtig: 90 Prozent der Bevölkerung werden von dieser 13. AHV-Rente nur profitieren. Wenn Herr Ermotti 0,4 Lohnprozentpunkte mehr auf seinem Millionenlohn an AHV-Beiträgen zahlen muss, dann bezahlt er 4000 Franken mehr pro Monat. Dafür bekommt er 200 Franken mehr Rente. Das ist für ihn kein toller Deal, aber es wird ihm nicht wehtun. Und für fast alle anderen ist das ein guter Deal.

 

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7 Kommentare

  1. Ich stimme mit Herrn Maillard weitgehend überein. Einzig bei den finanziellen Auswirkungen der 13. AHV- Rente samt der allgemeinen AHV Entwicklung ist festzuhalten, dass die AHV anfangs 2030er Jahre wieder jährlich rote Zahlen schreiben wird, falls keine zusätzlichen Einnahmen generiert werden.
    Ein wichtiges Argument zu Gunsten der 13. AHV-Rente sei noch erwähnt: Mit dieser Rentenerhöhung kommen wir dem verfassungsmäßigen Auftrag ein klein wenig näher, wonach 1.und 2. Säule „die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung“ (BV 113, 2) zu ermöglichen hat. Mit rund 50% des letzten Lohnes sind wir davon weit entfernt und entfernen uns je länger je mehr, denn die Umwandlungssätze der PKs sind von 7% noch von 10 Jahren inzwischen bereits auf 5% gesunken – Tendenz weiter sinkend.

  2. Roman Weissen schreibt im Einstieg zum Interview mit Ständerat Pierre-Yves Maillard: «Die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) ist das Fundament der schweizerischen Altersvorsorge. Mehr als 2,5 Millionen Pensionierte erhalten gegenwärtig eine AHV-Rente. Die AHV-Rente soll den Existenzbedarf im Alter angemessen decken.» Seien wir stolz auf dieses «Fundament» der Altersvorsorge!

    Seit Bestehen der AHV ist es so, dass die junge Generation im Arbeitsprozess ihren Beitrag leisten an der Basisfinanzierung der AHV. Gewiss, die Stabilisierung der AHV muss zu jeder Zeit absolute Priorität haben. Die AHV-Renten und deren Finanzierung hätten schon lange einer zielkonformen Revision bedurft. Die Politik ist gefordert!

    Erfreulich ist es, dass am 3. März die Schweizer f/m über den notwenigen Ausbau des Sozialstaates abstimmen können. Frau und Mann haben an der Urne die Möglichkeit über eine 13. AHV-Rente abzustimmen. Die Initiative «Für ein besseres Leben im Alter» verlangt, dass alle Rentnerinnen und Rentner Anspruch auf eine 13. AHV-Rente haben.

    Die steigenden Preise treffen Pensionierte mit einer tieferen Rente besonders hart. Darunter sind überdurchschnittlich viele Frauen. Sie erhalten immer noch rund ein Drittel weniger Rente als Männer. Das sind jährlich 17’000 Franken weniger. Diese Rentenlücke entsteht, weil Frauen sich Tag für Tag um unsere Familien kümmern, unsere Kinder erziehen, Angehörige pflegen und dafür sorgen, dass das Essen auf dem Tisch steht.

    Keine Argumente der GEGNER haben mich inzwischen verführt. Wenn der Staat zur Rettung der Banken Geld und weiss Gott für viele nicht prioritäre Anliegen, sollte man in unserem Wohlfahrts-Land auch die 13. AHV-Rente finanzierbar sein. Keine Argumente der GEGNER haben mich inzwischen zu einem NEIN verführt. Die Initiative für eine 13. AHV-Rente verdient ein J A! Auch im Interesse der Frauen und der Senioren/Innen, während ihrem aktiven Arbeitsleben die AHV mitfinanziert haben.

    • Der Staat hat nie Geld zur Rettung «DER BANKEN» ausgegeben.
      Sowohl bei UBS als auc bei CS waren es Bürgschaften bzw. die Uebernahme von Wertpapieren. In beiden Fällen war es für den Staat ein gutes Geschäft. Einige Spekulanten und Grossanleger haben allerdings viel Geld verloren, eben aufgrund der staatlichen Lösung.
      Das Missverständnis liegt aber anderswo:
      wenn eine Grossbank kollabiert, reisst sie einen Teil iher Kunden mit in den Strudel. Hunderte, wenn nicht tausende von KMUs können dadurch in den Konkurs getrieben werden, und zehntausende Arbeitsplätze können wegfallen.
      DAS war der Grund für die Intervetion.
      DIE Banken, das von den Linken dämonisierte Wesen wären übrigens nicht die Leidtragenden eines Konkurses. Die Manager würden höchsens den Job aber nicht ihr Verögen verlieren.

  3. Bundesrat Albert Röste führte an der SVP-Versammlung aus, dass die 13. AHV-Rente die AHV gefährde. Das ist natürlich kompletter Unsinn. Das Geld ist vorhanden, die Frage ist bloss, für was man es ausgeben will.

    • «Das Geld ist vorhanden»
      Können Sie das begründen?
      Meines wissens torkelt die AHV seit Jahrzehntn von Finanzspritze zu Finanzspritze.

  4. Der Titel der Initiative ist eine wohlklingende Mogelpackung, wo man die Wähler emotionell ansprechen will. Klingt doch besser als die verlorene Initiative zur Rentenerhöhung vor ein paar Jahren.

    In ehrlichen Worten ausgedrückt ist es banz banal eine 8.3% ige Erhöhung der Renten, um die es hier geht.

    Wenn ich da sehe, dass die arbeitende Bevölkerung um 1% oder 2% Lohnerhöhung kämpft, so soll jetzt das Füllhorn für die Rentner komfotabler gefüllt werden. – Was noch nirgends in dieser Diskussion gesagt wurde, dass die AHV auch einem regelmässigen Teuerungsausgleich praktiziert, so zumindest das Gesetz.

  5. Schlaue Rechnung, Herr Svoboda. SP-Mitglied Dorothea Walther Steiger und ich werden wohl Nein stimmen. Mit der 13. Giesskanne würden Steigers wohl eine zusätzliche Ferienwoche machen oder den schönen Teppich kaufen. Sie, Herr Svoboda und viele andere würden das Geld wohl ebenso vergänggele. Trudi Müller im Tscharni, 17. Stock, Bümpliz, hätte bessere Verwendung. Aber eine höhere EL würde ihr noch mehr nützen.

    Ach ja, den Gewerkschaftsboss Maillard zu fragen, ob R13 richtig sei, ist ebenso sinnvoll, wie den Papst um Auskunft über den Wert der Katholischen Kirche zu bitten.

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