Beim Landwirtschaftszentrum Rütti in Zollikofen ist ein Weltacker entstanden. Das Ziel dieser auf mehrere Jahre geplanten Initiative ist es zu zeigen, wie nachhaltige Landwirtschaft die gesamte Erdbevölkerung ernähren kann.
Schon letztes Jahr hatte ich bei einem Spaziergang bemerkt, dass auf der Rütti, dem seit mehr als 200 Jahren bestehenden Schulungszentrum für Landwirtschaft, ein Weltacker angelegt wurde. – Was ist ein Weltacker, dachte ich mir, die ganze Welt auf einem Acker oder für die ganze Menschheit nur ein einziger Acker?
So extrem ist es nicht gemeint. «Teilen wir die global verfügbare Ackerfläche durch die Zahl der Erdenbürgerinnen und -bürger», schreibt das Organisationskomitee, «ergibt das etwa 2000 Quadratmeter pro Kopf. Darauf muss vieles wachsen, was die Menschen ernährt und versorgt – also nicht nur Lebensmittel wie Weizen, Linsen und Tomaten, sondern auch Mais und Soja für Tierfutter, Baumwolle für Kleider und mehr. Zusätzlich stehen pro Person 4400 m² Wiesen und Weiden zur Verfügung, die dank Kühen, Schafen und Ziegen für Milch, Käse und Fleisch sorgen.»
Der Weltacker auf der Rütti Zollikofen (Foto mp)
Darüber sollten wir Wohlstandsbürgerinnen und -bürger uns ein paar Gedanken machen. Wieviel Ackerboden erfordert es, um jeden einzelnen, jedes Kind, jede alte Frau zu ernähren? Und wieviel Boden steht den Menschen in Afrika, Indien oder in den Hochtälern der Anden in Südamerika zur Verfügung? Kann der Boden sinnvoll und nachhaltig genutzt werden, wer bestimmt, was gesät wird. Nützt der Anbau von Früchten, von Getreide den Menschen des Landes, wo sie kultiviert werden? Oder wird vielleicht Soja nur für den Export als Tierfutter angebaut und dann in andere, reichere Länder verkauft?
Genug Nahrung für alle
Als abschreckendes Beispiel sei Amarant genannt. Diese Scheingetreidepflanze existiert in vielen Varianten und in vielen Weltgegenden, wo das Klima dafür geeignet ist. Eine besondere Art Amarant, die nur in den Hochtälern der Anden wächst und der einheimischen Bevölkerung seit Jahrhunderten als Nahrungsgrundlage dient, wurde in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts von den Verfechtern alternativer Ernährung entdeckt. Daraus wurde eine Mode, die den Preis dieses Getreides in die Höhe trieb, so dass die einfache Bevölkerung in den Anden überhöhte Preise für ihr eigenes traditionelles Nahrungsmittel zahlen musste – oder ihr ureigenes Getreide nicht mehr bezahlen konnte.
Neben den beiden Äckern gibt’s eine Menge zu sehen, rechts eine Weidenhütte (Foto mp)
Auf dem Weltacker Bern auf der Rütti werden auf 2000 m² die fünfzig weltweit häufigsten Kulturen massstabgetreu angesät, angepflanzt und gepflegt. Dieser Acker kann als begehbares «Exempel» dienen und uns bewusst machen, wie in der Landwirtschaft fast alles mit allem in Verbindung steht, so werden biologische und ökologische Zusammenhänge erkennbar. Die Besucherinnen und Besucher erhalten Denkanstösse rund um Essen, Landwirtschaft und Umwelt.
Pferde statt Traktoren
Den Boden klimafreundlich und schonend bearbeiten, ist ein Anliegen des Bildungsprojektes Weltacker Bern. Im März dieses Jahres wurde deshalb erstmals ein Teil der Ackerfläche mit Pferden gepflügt, geeggt und angesät, eine bei uns total veraltete Methode. Welcher Bauer geht heutzutage ohne Traktor aufs Feld! Zum Glück gibt es die IG Arbeitspferde. Sie wurden Partner des Projekts Weltacker.
Die Struktur der Ackerscholle beeindruckt mich. (Foto mp)
«Mit Pferden arbeiten ist klimafreundlich und bodenschonend», erklärt Ernst Rytz von der IG Arbeitspferde. Denn das benötige kaum fossile Energie und der Boden werde nur punktuell verdichtet. «Die Hufabdrücke schaffen eine Kraterlandschaft, die bei Regen zusätzlichen Speicherplatz für Wasser bietet», erklärt er aus seiner langjährigen Erfahrung. Der Boden kann mehr Wasser zurückhalten, was die Gefahr von Erosion vermindert. Rytz arbeitet regelmässig mit Pferden. Da sei es unabdingbar, die Pferde für diese Arbeit zu trainieren, denn die Muskulatur für diesen speziellen Arbeitseinsatz müsse erst aufgebaut werden. Das Wichtigste für den Pferdehalter jedoch sei die Freude an der Arbeit mit seinen Tieren.
Altes Wissen neu nutzen
«Wir wollten etwas Neues ausprobieren, um den Boden möglichst schonend zu bearbeiten», erklärt Hans Reinhard, Co-Leiter Weltacker Bern. Denn eine Botschaft der Weltacker-Idee sei, dass der Zustand des Bodens zentral sei für eine nachhaltige Ernährung. Da der Weltacker vor allem der Information, der Bildung und unserer Bewusstseinsschärfung dienen soll, konnte ich den Acker vor einigen Tagen noch frisch gepflügt betrachten – ein eindrucksvoller Anblick, der etwas Urtümliches hat.
Zur Zeit nur provisorisch aufgestellt – auf dem Weltacker wächst und verändert sich alles. (Foto mp)
Neben den beiden Ackerflächen gibt es viele Informationen zu Ackerbau und Nachhaltigkeit. Das beginnt bei den gängigen Getreidearten in aller Welt, führt zu den Feldfrüchten, den Kartoffeln zum Beispiel, und zu den Pflanzen, die seit alters in den Gärten der Bäuerinnen und Bauern gezogen werden. Ein wichtiges Kapitel ist der Umgang mit den sogenannten Abfällen, die auch beim Landbau anfallen. Was wird kompostiert und wie wird der Kompost verwendet. Bei meinem Spaziergang sehe ich auch kleine Beete mit Setzlingen, eine Permakulturecke und viele Informationstafeln.
Die Vielfalt im Erdboden – ein Thema in diesem Jahr
Den Boden schonend zu bearbeiten, begründet den Schwerpunkt des Jahres 2024 «Wunderwelt Boden bestaunen, berühren und begreifen». Dabei kommen auch neue Entwicklungen zum Einsatz: Ernterückstände und Gründüngungen werden mit einer leichten, ferngesteuerten Maschine gemulcht, der Kompost – ganz traditionell – mit Schubkarren verteilt. Ausserdem soll der Boden während des ganzen Jahres möglichst bedeckt bleiben, entweder mit Untersaaten, Gründüngungen oder einer Mulchschicht.
Last, but not least: Wie lebendig der Boden auf dem Weltacker Bern ist, können Besucherinnen und Besucher ab Mai hören. In Zusammenarbeit mit Sounding Soil werden Bodenmikrofone installiert, so dass die Geräusche all der vielen Lebewesen auch oberhalb des Bodens hörbar werden.
Der Weltacker – ein wichtiger Ort, um spazierenderweise das Bewusstsein für die Komplexität unserer Ernährung zu stärken.
Weitere Informationen und Hinweise auf Veranstaltungen finden Sie auf der Webseite.
Es gibt noch weitere Weltäcker in der Schweiz und anderswo!
Titelfoto: Im März 2024 kamen die Pferde zum Pflügen. © Weltacker Bern