Das Lucerne Festival lädt seit drei Jahren Jugendorchester ein, die im Vorfeld zum offiziellen Eröffnungskonzert auftreten. Den Auftakt machte dieses Jahr am Dienstag das Youth Symphony Orchestra of Ukraine unter der ukrainischen Dirigentin Oksana Lyniv.
Der Krieg in der Ukraine dauert an. Doch dieses Jugendorchester besteht noch und soll laut seiner Gründerin Lyniv Hoffnung und Kraft geben. Es war bereits vor zwei Jahren beim Lucerne Festival zu Gast, nun erfolgte eine Wiedereinladung. Seit 2023 steht das Orchester unter der Schirmherrschaft der Berliner Philharmoniker.
Eine interessante Dirigentin
Die Dirigentin Oksana Lyniv hat sich international einen Namen gemacht, sie war Assistentin von Kirill Petrenko und Dirigentin an der Bayerischen Staatsoper. 2021 debütierte sie als erste Dirigentin an den Bayreuther Festspielen den Holländer, den sie auch dieses Jahr dirigiert. Zudem ist sie seit 2022 Generalmusikdirektorin am Teatro Comunale di Bologna und damit die erste Frau an der Spitze eines italienischen Opernhauses.
Mit im Gepäck hatte das Youth Symphony Orchestra of Ukraine das «Requiem for a Poet» des Komponisten Evgeni Orkin, das zur Uraufführung kam. Er schrieb es nach dem Tod des jungen Dichters Maksym Krwyzow, der an der Front nahe Charikiw gefallen ist. Als Textvorlage nahm er einen Facebook-Austausch, den der ukrainische Dichter in den Tagen vor seinem Tod mit seinen Fans hatte. Sie nannten ihm Seiten- und Zeilenzahl seines ersten Gedichtbands, er antwortete mit den entsprechenden Versen.
Originelle Sampler-Töne
Ein Teil dieses Textes wurde vom Bariton Andrei Bondarenko gesungen, anderes kam vom Sampler, von einer Frau gesprochen. Auch Tippgeräusche und Nachrichten-Piepser wurden digital zugespielt. Das gross besetzte Orchester sorgte in erster Linie mit den Streichern und dem reichhaltigen Schlagzeug für den Background-Sound des Sängers, die Bläser wurden kaum eingesetzt.
Die Dirgentin Oksana Lyniv und der Bariton Andrei Bondarenko. (Lucerne Festival/ Patrick Hürlimann)
Diese Trauermusik ist auf einem pendelnden Sekundschritt aufgebaut, der sich schwankend durch die ganze Partitur zieht. Zudem singt der Sänger Vokallinien, die vielfach die Sprachmelodie der Gedichtfragmente nachbilden, das wirkt lamentoartig. Es breitet sich eine Monotonie aus, die nur durch vereinzelte Eruptionen des Orchesters unterbrochen wird. Der tonale streicherlastige Orchesterklang hatte etwas Romantisches.
Lyrische Kantilenen Fürs Cello
Mit Edward Elgars Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll op. 85 folgte diesem Requiem ein lyrisches Werk, welches im Schatten des Ersten Weltkriegs entstanden ist. Diese Kantilenen «sang» der Cellist Uladzimir Sinkevich innig aus, es ist ein nachdenkliches, resigniertes Werk von kammermusikalischer Intimität. Der Solist wird fast ununterbrochen gefordert, sein sonorer Klang in der Tiefe hat etwas Magisches. Auch das Orchester wurde in diesem Konzert mehr gefordert, es begleitete Sinkevich engagiert und aufmerksam.
Mit Schumann endet das Konzert mit heiteren Klängen, getreu dem Motto «Vom Dunkel ins Licht».
Der Abschluss mit der «Frühlingssinfonie» Nr. 1 von Robert Schumann war programmtechnisch eine gute Idee. Vom Dunkel ins Licht war das Motto des Abends. Seine erste Sinfonie komponierte Schumann 1841, kurz nachdem er seine geliebte Clara hatte heiraten können. Die jungen Musikerinnen und Musiker des ukrainischen Jugendorchesters kamen so richtig in Fahrt, die Dirigentin Lyniv hatte sie rhythmisch präzise im Griff. Und endlich konnten hier auch einmal die Bläser auftrumpfen.
Lucerne Festival 13. 8. – 15. 9. 2024. Offizielles Eröffnungskonzert: Freitag, 16. 8., 19.30 h. www.lucernefestival.ch