Die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben ein Zeichen gesetzt. Weit deutlicher als angenommen. Die BVG-Vorlage ging mit 67% Nein-Stimmen bachab. Verloren hat der Bundesrat, weil er sich im parlamentarischen Verfahren zu wenig für seine ursprüngliche Vorlage eingesetzt hat. Verloren haben die Wirtschaftsverbände, weil sie sich vom Deal mit den Gewerkschaften, den der Bundesrat übernommen hatte, zunehmend distanzierten. Verloren haben die bürgerlichen Frauen, allen voran die Zürcher FDP-Nationalrätin Regina Sauter, die St. Galler FDP-Ratskollegin Susanne Vincenz-Stauffacher sowie die an vorderster Front kämpfende Melanie Mettler von den Grünliberalen Bern. Sie meinten es zwar gut mit den Frauen und Teilzeitbeschäftigten, blieben aber bei der Reform auf dem halben Weg stehen.
Gewonnen haben die Gewerkschaften, allen voran Gabriela Medici, die unermüdlich für ein Nein einstand, und nicht zuletzt der Gewerkschaftsboss: Ständerat Pierre-Yves Maillard, der immer wieder an den ausgehandelten Deal zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften erinnerte. Gewonnen haben aber auch Kleingewerbler, Coiffeusinnen und Coiffeure, Wirtinnen und Wirte, die Bäckerinnen und Bäcker, Metzgerinnen und Metzger, tatkräftig unterstützt von der St. Galler SVP-Ständerätin und Wirtin Esther Friedli. Sie überzeugten. Das Stimmvolk folgte ihnen und versenkte die Vorlage, die als Bundesratsentwurf gut gestartet war, aber in den parlamentarischen Beratungen als Flickschusterei der besonderen Art endete.
Was nun? Eigentlich ist es ganz einfach. Bundesrat und Parlament nehmen das Verdikt des Volkes ernst und beugen sich dem Volkswillen, gehen noch einmal auf Start und winken als Sofortmassnahme die ursprüngliche Fassung des Bunderates ohne grosses Getöse schlicht und einfach durch. Das wäre Grandezzas, ein feierliches, hoheitsvolles Benehmen, was dem Bundesrat und insbesondere dem Parlament mehr als nur gut anstehen würde. Ist ihm doch weit mehr Weitblick als Kleingeistigkeit zu wünschen, weil danach erst recht eine umfassende, eine echte Reform der Altersvorsorge an die Hand zu nehmen ist.
Und Weitblick ist notwendig, damit auch die kommenden Generationen über eine Rente verfügen können, mit der sie anständig, würdig altern können. Unsere Vorahnen hatten das Ziel gesetzt: Nach dem Berufsleben sollten die Renten aus den zwei Säulen rund 60% des letzten Lohnes betragen. Zwischenzeitlich erreichten wir das Ziel sogar, leider nicht für alle. Aber immerhin. Jetzt sind wir leider wieder weit davon entfernt. Es liegt jetzt in unserer Verantwortung, die Weichen richtig zu stellen. Dazu braucht es einen neuen Ansatz, für eine echte Reform ist es jetzt höchste Zeit. Darauf habe ich in meiner Kolumne schon mehrmals hingewiesen.
Die erste Säule wäre zu einem existenzsichernden Grundeinkommen auszubauen, die 2. Säule zu liberalisieren, weg vom Zwangssparen, weit stärker in die Eigenverantwortlichkeit zu überführen. Sie wäre nicht freiwillig. Arbeitgeber hätten einen gesetzlich festgelegten Beitrag zu leisten: etwa 5% des Einkommens. Die Höhe des persönlichen Beitrages an die 2. Säule könnten die Arbeitnehmenden selbst bestimmen; sie könnten auch steuerbegünstigt einen Beitrag analog der 3. Säule leisten. So könnten sie die Höhe ihrer Rente aus der 2. Säule selbst festlegen, jederzeit ändern, neu bestimmen. Die Grundsicherung, etwa 3’500 Franken, wäre durch die AHV gewährleistet. Für diese AHV hätten die Arbeitgeber und Arbeitnehmer je rund 7,5% einzuzahlen, deutlich mehr als heute. Insgesamt müsste die Arbeitgeberseite etwa gleich viel wie heute leisten. Selbstverständlich müsste eine so ausgerichtete Reform einer genauen Berechnung unterzogen und entsprechend angepasst werden. Das braucht Zeit. Wenn nun aber sofort gehandelt, die ursprüngliche Fassung des Bundesrates umgesetzt wird, gibt es die notwendige Zeit, um umfassend zu reformieren.
mir wäre die idee von jacqueline badran sympathisch: allen eine rente von fr. 6000. finanziert teilweise aus der 2. säule mit ihrem bestand von 1200 milliarden.
oder einfacher: eine schweizerische rentenversicherungsanstalt.
billig verwaltet wie die schweizerische unfallversicherungsanstalt.
Ihr Wort in Bundesrats und Parlamentariers Ohr. (Wenngleich ich da wenig optimistisch bin…)
Das BVG ist ein Erfolgsmodell. Das BVG basiert auf dem Kapitaldeckungsverfahren und an diesem Prinzip darf nicht gerüttelt werden.
Rund 85% der Personalvorsorgeeinrichtungen (PVE) (nachfolgend als 85% genannt) haben liberal gehandelt, ihre Hausaufgaben gemacht und einen überobligatorischen Plan. Viele dieser 85% sind in der Gestaltung dieses Pakets sehr initiativ. Sie haben sich den Bedürfnissen der Zeit angepasst, wie z.B. durch Senkung des Koordinationsabzugs, flexible Pensionierung, systematisches Partizipieren am Erfolg der Personalvorsorgeeinrichtung. Dank diesem Plan geht es diesen Rentner so gut wie noch nie.
Rund 15% der PVE (nachfolgend als 15% genannt) haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht und für diese Minderheit wurde die nun verworfene Rentenreform ausgearbeitet. Wider besseren Wissens haben diese 15% am BVG-Minimum und am realitätsfremden Umwandlungssatz von 6,8 mit dem Segen des Volkes über Jahrzehnte festgehalten. Um das teilweise zu korrigieren, hätte in einer Übergangsfrist von 15 Jahren der Umwandlungssatz auf immer noch realitätsfremde 6 reduziert werden sollen. Das hätte Kosten von rund CHF 12 Mia verursacht: Diese Kosten hätten die Jungen der 15% getragen. Was die Reform wollte, nämlich keine Umverteilung von Jung zu Alt hätte damit nicht erreicht werden können. Im Gegenteil, der immer noch falsche Umwandlungssatz wäre für 15 Jahre zementiert worden und die zusätzliche Lebenserwartung von rund 2,5 Jahren während dieser Zeit hätte eine noch grössere Lücke beim Deckungskapital verursacht.
Die 15% haben möglicherweise damit gerechnet, dass ihr Problem durch den Staat oder den 85% gelöst wird. Nachdem die 15% eine freiwillige Reform über Jahrzehnte verschleppte, wird es immer schwieriger, eine angemessene Lösung zu finden. Was aber nicht sein darf ist, dass sich die 15% auf die Vermögen der 85% stürzen
Mir wäre die Zahlenjonglierei und Erklärungsversuche der BVG-Verteidiger völlig egal, wenn es um freiwilliges und privates Sparen ginge; jede/r kann schliesslich sein Zuviel an Geld dort hintragen wohin sie/er will. Doch hier geht es um ein vom Staat verordnetes zweites Obligatorium, für das jede/r Berufstätige und jede/r Arbeitgeber/in zu unfreiwilligen Zwangsabgaben genötigt wird.
Was unser Rentensystem so unsozial macht ist, dass man von der nicht kostendeckenden AHV-Rente allein nicht leben kann und dass das Geschäft mit der zweiten Säule ausschliesslich zu den Bedingungen der privaten Finanzwirtschaft und der Rentengeber gemacht wird. Die zweite Säule ist ursprünglich auf Druck der Banken und Versicherungsgesellschaften entstanden und sie sind es, die schon lange nicht mehr ehrliche Rentenleistungen im Fokus haben, sondern ihr lukratives Geschäft mit jährlichen Höchstgewinnen, nebst den zusätzlichen viel zu hohen Verwaltungskosten.
Wenn es nach dem Willen der Rentenversicherer geht, muss die arbeitende Bevölkerung befürchten, monatlich immer höhere Lohnbeiträge leisten zu müssen um im Alter eine immer tiefere Rente zu bekommen. Das ist nach meinem Rechtsempfinden nichts anderes als Rentenklau. Ich bin deshalb mit Anton Schaller einverstanden, es braucht eine grundlegende Reform unseres Rentensystems und eine rechtliche Abklärung, wer die Verantwortung für dieses Vorgehen gegenüber den Beitragszahlern übernimmt und wem das Milliardenvermögen der Rentenversicherer zusteht.