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Wie das kranke Gesundheitswesen heilen

Am 24. November stehen wir wieder einmal gleichsam am Krankenbett des Schweizer Gesundheitswesens. Wir können zur einheitlichen Finanzierung der Gesundheitskosten Efas Stellung nehmen, so oder so abstimmen, weil die bange Frage nicht eindeutig geklärt ist, ob nun ein Ja oder ein Nein das richtige Rezept ist, damit das Gesundheitswesen tatsächlich gesundet. Werden die Kosten tatsächlich sinken oder gar steigen? Wird die Schweizer Bevölkerung noch besser, weil zielgerichteter, klug koordiniert, versorgt werden oder doch nicht? Eines vorweg: Die Vorlage wird es nicht vorbehaltlos leisten, weil sie, also das so reformierte Krankenversicherungs-Gesetz, nicht die Gesundheitspolitik insgesamt regelt, sondern nur die Finanzierung. Von den rund 92 Milliarden Franken, die das Gesundheitswesen kostet, werden damit nur gegen 50 Milliarden erfasst. Dennoch haben Bundesbern, Bundesrat und Parlament während 17 Jahren an dieser Vorlage herumgedeutelt.

Denn die Finanzierungs-Regelung zwischen den Krankenkassen und den Kantonen, welche das Krankenversicherungs-Gesetz KVG festlegt, ist tatsächlich nicht das zentrale Problem des Gesundheitswesens. Zentral sind unsere stets steigenden Ansprüche, ist der medizinische Fortschritt, ist die demografische Entwicklung, wir werden immer älter. Insbesondere ist es auch die mangelnde Koordination zwischen Ärzten, Spitälern, Spitex-Organisationen, Rehabilitationsanbietern, den Krankenkassen und der Politik, welche die Kosten hochtreibt. Und nicht zuletzt beeinträchtigt die föderative Struktur unseres Landes eine durchdachte, erfolgreiche Gesundheitspolitik.

Wollen wir ernsthaft das Gesundheitswesen reformieren, bezahlbar ausgestalten, sind als erstes diese föderativen Strukturen aufzubrechen. Die Kantone sind derart unterschiedlich gross, in der Gesundheitsversorgung derart unterschiedlich ausgestaltet, so dass eine kohärente, eidgenössische Politik nicht möglich ist. Ein Vergleich zwischen den Nachbar-Kantonen Zug und Zürich macht das mehr als deutlich. Der Kanton Zürich hat 1,6 Millionen Einwohner. Der Kanton Zug dagegen nur gerade 130’000, nicht einmal 10 % von Zürich. Aber: Der Kanton Zug liefert nächstes Jahr über 430 Millionen Franken in den eidgenössischen Finanzausgleich. Zürich nur noch knapp 420 Millionen. Damit überholt Zug erstmals den grossen Nachbarn Zürich. Einer der Gründe: Der Streuertrag von juristischen Personen pro Einwohner betrug in Zug 2023 rund 3’390 Franken, in Zürich lediglich 975 Franken. Zug schwimmt im Geld, übernimmt deshalb neu 100 % der Kosten in den Spitälern, was auch Efas zulassen wird. Die Folge: Im Kanton Zug werden die Krankenkassen-Prämien weiter sinken. Schon davor gehörte Zug zu den Kantonen mit den niedrigsten, durchschnittlichen Prämien, wie Appenzell Innerrhoden (mit 257 Franken am tiefsten), dann Appenzell Ausserrhoden, Uri, Ob- und Nidwalden. Weit höher sind die Prämien insbesondere in den urbanen grossen Kantonen. An der Spitze steht der Kanton Genf mit den teuersten Prämien von 479 Franken, gefolgt von Basel-Stadt mit 476 Franken. Es folgen die Kantone Tessin, Neuenburg, Baselland und Waadt.

Deshalb sind die Kantone in etwa gleich grosse Gesundheitsregionen zusammenzuschliessen. Die Spitallandschaft ist auszudünnen, entsprechend anzupassen. Zur Koordination sind unterregionale Anlaufstellen zu schaffen, welche aufgrund erstellter Dokumentationen alle Dienstleister erfassen, die beratend tätig sind und die Hausarztpraxen ausweisen, in denen eine zielgerichtete Erstversorgung einmal sichergestellt wird und je nach Fall weiterführende Massnahmen koordiniert eingeleitet werden können. Es sind Präventionsprogramme zu lancieren, die eine gesunde Lebensführung bereits in den Schulen vermitteln. Und schliesslich sind die Franchisen altersspezifisch unterschiedlich zu definieren mit dem Ziel, sich persönlich mit der eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen. Statt weiterhin am Krankenbett zu stehen, ist Aufbruch angesagt.

Einmal mehr sind wir Stimmbürgerinnen und -bürger herausgefordert. Wollen wir uns in der Vorlage zurechtfinden, wollen wir es genauer wissen, wollen wir als kompetente Zeitgenossen einem künftigen Gesundheitswesen gerecht werden, müssen wir in das Dickicht der Vorlage eintauchen, uns vertieft mit ihr befassen. Oder ganz anders: Wir lassen das mühsame Unterfangen sein, folgen schlicht dem Bundesrat und Parlament und stimmen einfach Ja.

Das Gesundheitswesen ist unbestritten teuer. Die stets ansteigenden Prämien sind selbst für Familien im Mittelstand schwer zu stemmen. Insgesamt belaufen sich die Kosten auf rund 92 Milliarden Franken im Jahr. Oder anders ausgedrückt auf 10’000 Franken pro Person.

Wichtig ist, bei der Beurteilung der Vorlage zu berücksichtigen, dass sie nur gegen 50 Milliarden der Kosten neu regelt, dass wir nicht zu einer umfassenden Reform Stellung nehmen können. Es geht im Kern lediglich um eine Neuregelung der Finanzierung im Bereich der stationären und ambulante Versorgung.

Neu übernehmen die Kantone, sofern die Vorlage die Volksabstimmung übersteht, 26,9 Prozent der Kosten, die Krankenkassen 73,1 Prozent. Bisher waren die Kantone für 55% der Spitalkosten zuständig, die Krankenkassen für 45%. Die Krankenkassen dagegen deckten alle Kosten im ambulanten Bereich. Bundesrat und Parlament hoffen, dass diese einheitliche Finanzierung künftig Fehlanreize verringern sowie ambulante Behandlungen und die Zusammenarbeit von Ärztinnen, Therapeuten, Pflegenden und Apothekerinnen fördern wird.

Es ist verrückt. Nach dem Sprichwort “Nützt es nichts, so schadet es auch nicht“ spielt es an sich keine Rolle, wie das Volk abstimmt. Wir können also den Versuch mit der neuen Finanzierung ruhig mal machen. Nur: Wenn sich die Hoffnung von Bundesrat und Parlament nicht erfüllen? Was dann? Zurück zum Start? Wäre es nicht weit besser, mit einem Nein sofort einen Neustart zu provozieren, damit das Schweizer Gesundheitswesen tatsächlich gesunden kann? Aber auch da sind Zweifel angebracht, weil Bundesbern zunehmend eines nicht wagt: Sich weit grundsätzlicher mit den dringenden Fragen des Gesundheitswesens auseinanderzusetzen. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

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1 Kommentar

  1. Anton Schaller beschreibt sehr gut, dass mit der EFAS-Reform die Grundsatzprobleme des Gesundheitswesens in der Schweiz nicht gelöst werden. Etwas befremdlich ist, dass er die für uns Alten wichtige Langzeitpflege nicht erwähnt, bei welcher sich mit EFAS die Kantone aus der heute geltenden Finanzierung (sozialer Kostendeckel zulasten der Kantonskasse) ganz verabschieden und so auch den politischen Einfluss auf die Versorgungsqualität preisgeben. Wir werden dadurch als Patienten und Prämienzahlende zumindest hier deutlich mehr unsozial zur Kasse gebeten werden. Die Reform bringt auch sonst noch mehr Macht zu den Krankenkassen. Ein ungute Entwicklung, die auch die im Text verlangte nötige Grundsatzreform viel schwieriger machen wird. Eine kluge Reform liegt somit erneut nicht vor und jedenfalls keine soziale.

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