StartseiteAllgemeinDie Gleichgewichtslage im Staat

Die Gleichgewichtslage im Staat

In den letzten Jahren ist oft von faulen Kompromissen die Rede gewesen. Aber der Kompromiss gehört zur Staatskunst. Ohne ihn kommt es zu gefährlichen Gleichgewichtsverschiebungen.

Das Gleichgewicht in einem Staat ist stets labil. Die höchste Staatskunst besteht in der Herstellung der Gleichgewichtslage. Dafür erhalten Regierung und Parlament einen Auftrag vom Volk. Es geht um den Ausgleich der Interessen zwischen Jung und Alt, Reich und Arm, Stadt und Land, Inländern und Ausländern, aber auch zwischen der Schweiz und der Völkergemeinschaft. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich in unserem Land eine Polarisierung zwischen links und rechts breit gemacht. Wären alle Initiativen, die von linken oder rechten Kreisen lanciert worden sind, vom Volk angenommen worden, würde das Land in eine Schieflage geraten sein.

Wir sind Zeuge von Verkrampfungen der EU gegenüber, die seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative neu bestehen. Die bilateralen Verträge, ebenfalls von Volk angenommen, widersprechen ihr. Der Widerspruch wirkt sich auch innenpolitisch aus. Regierung und Parlament in ihrer Mehrheit müssen den Knoten des Widerspruchs lösen. Die meisten linken Vorstösse sind vom Volk abgelehnt worden. Das gilt nicht für die Masseneinwanderungsinitiative. Eine Lösungsfindung im sensiblen Verhältnis Schweiz-EU ist nicht einfach. Sie kann nicht nach der Hau-den-Lukas-Methode gefunden werden. Zudem zeigt sich, dass die Interessen des Landes unterschiedlich bewertet werden. Für die massgebende Partei mag die Initiative komfortabel sein. Sie kann sich bei der Suche nach einer Lösung stets auf ein Nein berufen, wenn ihr ein Vorschlag nicht passt. Das ist bequem. Nein-Sagen mag Vorteile bringen. Aber es legt auch offen, dass die Partei sich mit ihrem dauernden Nein aus der Verantwortung schleicht. Jede Initiative wird durch ein Gesetz ausgelegt. Mit einem Entweder-Oder erreichen Regierung und Parlament nicht das Ziel.

Meine These geht davon aus, das Volk habe in seiner Gesamtheit ein hohes, die Initiativen überragendes Interesse, dass im Staat eine Gleichgewichtslage herrscht. Darum erwartet es von den Parteien, dass sie bestrebt sind, diese durch Kompromisse zu erkämpfen und ein wirksames ausgleichendes Gesetz zu schaffen. Sagen nach langer Beratung die einen oder die anderen Nein zum Kompromiss, soll dies die vermittelnden Parteien nicht kümmern. Sie dürfen sich stolz den Nein-Sagern entgegenstellen.

Oft aber wird von faulen Kompromissen gesprochen. Gibt es angesichts der Situation, dass es in Staat und Gesellschaft um die nie ganz erreichbare Gleichgewichtslage geht, den faulen Kompromiss? Ich zweifle daran, denn der Kompromiss dient der Gleichgewichtslage, und diese ist die Grundbestimmung des Staates überhaupt; übrigens auch des individuellen Lebens des Einzelnen. Die Bäume zeigen es den Menschen. Jeder Baum strebt nach seinem Gleichgewicht. Damit wappnet er sich gegen Unwetter und Sturm. Kippt sein Geäst auf eine Seite, verlagert er einseitig sein Gewicht, bringt er sich in Gefahr, dem Sturm nicht gewachsen zu sein.

Gibt es ein vernünftigeres Modell für die Lenkung eines Staates? Regierung und Parlament sollten es den Bäumen ablesen, nicht den wilden Sträuchern. Sie hingegen symbolisieren das tausendfach verästelte Volk und machen das Land mit ihren Blüten bunt. Die Zweige und Äste wuchern, so dass sie im Herbst meist zurückgestutzt werden müssen, wie eben oft ein übermütig ausbrechender Mensch. In diesem Sinne dient der Strauch als Modell für das Volk. Ein kräftiger Baum aber ist ein Vorbild für den Staat. Nach dem Gesetz des Baumes richtet sich auch das Leben des einzelnen Menschen, der stets bestrebt ist, seine Mitte zu finden. Beide, Staat und Individuum, erringen die höchste Freiheit, wenn sie in die Gleichgewichtslage einzupendeln fähig sind. Setzen sie sich Auswüchsen oder Zwängen aus, steht ihr freies Wirken auf dem Spiel. Oft genug stutzt sie das Volk zurück.

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