FrontGesellschaftWenn Wölfe zur Begrüssung heulen

Wenn Wölfe zur Begrüssung heulen

Sie tragen grüne Pullover und sind Ansprechpersonen für ganz verschiedene Fragen: Im Zürcher Zoo sind über 250 ehrenamtliche Mitarbeitende tätig.

«Man muss auch Menschen gern haben, nicht nur Tiere» umreisst die Zoologin Claudia Poznik den Aufgabenbereich der freiwilligen Zoomitarbeitenden im Zürcher Zoo, die unter dem Kürzel FTZ (Freiwilligenteam Zoo Zürich) zusammengefasst sind. Denn es sind vor allem die Menschen, mit denen die Freiwilligen Kontakt haben. Tiere füttern und versorgen, das ist die Aufgabe der fest angestellten Zoomitarbeitenden.

Ein Pionierprojekt

Poznik hat diese Art von Volounteers während eines Praktikums in den USA kennengelernt und 1998 dem Zürcher Zoo ein Konzept zu dieser speziellen Art von Freiwliigenarbeit eingereicht. 2000 wurde das Projekt mit 50 Personen gestartet – für Mitteleuropa ein Pionierprojekt.

Claudia Poznik (hinten) leitet das FTZ, Ruth Kummer ist eine der 260 Freiwilligen.

Heute kann die Zoologin auf 260 Mitarbeitende zählen, die jeder und jede mindestens 50 Stunden ehrenamtliche Arbeit im Zoo leistet. «Wobei die Zahl der Arbeitsstunden im Schnitt viel höher, nämlich bei 90 Stunden liegt», lacht die Leiterin des FTZ. So gebe es, zum Beispiel bei einem Besucheransturm oder an speziellen Events, auch kaum personelle Engpässe. «Wir finden immer Helfende, die rasch einspringen können». Was vielleicht auch daran liegt, dass rund die Hälfte der Volounteers im Pensionsalter ist. Vom Studenten bis zum Doyen, einem 86-Jährigen sind aber alle Altersgruppen vertreten. Das Durchschnittsalter beträgt 56 Jahre.

Weites Betätigungsfeld

Wobei die Anforderungen an die Mitglieder hoch sind: Sie müssen Fragen beantworten können, zum Beobachten anregen, Informationen und Hintergrundwissen vermitteln, Kinder, Senioren und weitere Gruppen begleiten und auch mal eingreifen, wenn zum Beispiel versucht wird, einem Pfau Schwanzfedern abzujagen. Sie bilden mit ihren grünen Pullovern auf dem weitläufigen Zooareal Fixpunkte, sind Anlaufstelle für Fragen und Auskünfte. Nicht nur, was die Tiere betrifft, auch zur Infrastruktur: Wo sind die nächsten Toiletten? Wo finde ich einen Wickeltisch, wo einen Sanitäter, der ein kleines Malheur verbinden kann?

Die scheuen Tiere erkennen Ruth Kummer an der Stimme und dem Geruch.

Ruth Kummer, Journalistin und Redaktorin im Ruhestand ist eine der 260 ehrenamtlichen Mitarbeitenden, die in ihrem «Revier» für Fragen aller Art zur Verfügung steht. Ihr Revier? «Du wirst schon sehen», lacht sie, während wir an einem lausigen Regentag langsam zum Kamelgehege aufsteigen. Kaum weist sie auf die Jaks, Kamele und Kaschmirziegen hin und informiert über das erfolgreiche Zuchtprogramm mit den gefährdeten Oryxantilopen, erschallt ein unheimliches Geheul. Etwa so wie im Schiwagofilm während der Kutschenfahrt durch den Schneesturm.

Wölfe kennen Stimme und Geruch

«Das sind die Wölfe» lacht Ruth Kummer. «Sie haben mich gehört und können mich auch riechen». Und werden wenig später als Rudel am Gehege antreten, obwohl sie als scheu gelten und vor Besuchern auch mal in den uneinsehbaren Teil ihrer Anlage wechseln. Jetzt aber begrüssen sie den ihnen wohl vertrauten Gast. Auch der grosse Tiger im benachbarten Gehege taucht aus dem Regen auf und paradiert in grossen Kreisen zur Begrüssung.

Die Mitglieder der Freiwilligenteams sind Auskunftspersonen für Fragen aller Art.

Also steht doch Tierliebe im Vordergrund? Natürlich sei sie, die in der Regel immer in demselben Zoobezirk tätig ist, mit den Tieren vertraut, aber gefragt, ja manchmal bestürmt werden sie vom Publikum. «Man muss sich gerne mit den Leuten unterhalten und ihnen fachlich fundiert Auskunft geben können.» Zu diesem Zweck durchlaufen alle FTZler vor ihrem ersten Einsatz einen zehnwöchigen Grundkurs (je einen Abend pro Woche à drei Stunden), den sie mit einer Prüfung abschliessen.

Weiterbildung ist nötig

Damit ist ein einheitlicher Wissenslevel erreicht. In spezifischen Fortbildungskursen wird dann zusätzliches Fachwissen vermittelt. Es gebe unter den Teammitgliedern Spezialisten mit einem immensen Wissen. Zusatzausbildungen sind auch nötig für die vielen Spezialangebote wie Seniorenrundgänge (nächster Termin 19. Juli), , Masoala-Führungen (z.B. 18. Juli), dem «Langen Samstag» (1. August, bis 22 Uhr), für Kindergeburtstage, Behindertenrundgänge und weiteren Angeboten. Aber, und das ist wohl einmalig bei diesem Freiwilligenteam, die Weiterbildungen und Fachvorträge sind immer sehr gut besucht, und das auch ohne Verpflichtung, hält Claudia Poznik fest. Es sei eine Freude, mit welchen Engagement die Teammitglieder mitarbeiten und wie motiviert sie ihre Aufgabe wahrnehmen.

Deshalb braucht es auch sehr wenig Reglementierung. Die Freiwilligen organisieren sich weitgehend selber im Intranet und wenn in einem Bereich spezielles Fachwissen gefragt ist – im Reptilienhaus zum Beispiel, wo ab und zu auch mit lebenden Tieren direkt gearbeitet wird – da finden sich immer Interessierte für die Zusatzausbildung. So verwundert es denn auch nicht, dass der Zoo Zürich, anders als viele andere Institutionen, die auf Freiwillige zählen, kein Personalproblem kennt. Im Gegenteil: Es besteht eine Warteliste. Was ja eigentlich verständlich ist. Wer möchte bei einem Besuch nicht mit Wolfsgeheul begrüsst werden?

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