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Hamlet rezykliert

Das Opernhaus Zürich stemmt mit Wolfgang Rihms „Hamletmaschine“ eine monströse Produktion. Die Frage stellt sich nur, ob Aufwand und Ertrag kongruent sind.

Die Literatur war schon immer Inspirationsquelle für die Musik. An den Liedgesang ist ohne entsprechende Quelle nicht zu denken – und an die Oper ebenso wenig. Kaum ein grosser Stoff ist musikdramatisch nicht adaptiert worden, und die Shakespeare-Vertonungen sind Legende. Der renommierte Komponist Wolfgang Rihm ging einen anderen Weg. Ihn interessierte kein lineares Erzählen und Illustrieren, sondern das komprimierte Destillat von Heiner Müllers „Hamletmaschine“, das dieser in desillusioniertem Furor während einer neuen Hamlet-Übersetzung in einer Nachtarbeit verfasste. So wie Hamlet trotz intellektueller Weitsicht im Zwiespalt war und der Gewalt nicht abzuschwören vermochte, so sah sich auch Heiner Müller einerseits vom DDR-Sozialismus verraten und anderseits vom Kapitalismus angewidert. Das Resultat ist eine radikale Abrechnung mit gängigen Ideologien, indem er sich in ein Feuer hineinredet, dem der Zahn der Zeit allerdings reichlich zugesetzt hat.

Die Hamlets im Protestumzug – wogegen eigentlich? / Bilder: Tanja Dorendorf

Vom DDR-Mief, Bader-Meinhof, Warhol und Elektra

Rihm hat die Oper 1986 in einem singulären und auch heute noch eindrücklichen Kraftakt geschrieben, doch seit 1990 spielt keine deutsche Bühne das Stück mehr. Warum also ausgerechnet Zürich 30 Jahre danach? Sicher, der Aufwand ist beträchtlich und vergleichbar mit Zimmermanns „Soldaten“, doch das allein erklärt die Abstinenz nicht. Die ganze DDR-Ernüchterung einschliesslich des Kapitalismus-Bashing ist so was von gestern, dass der Zuhörer sich fragt, ob und wie der Inhalt noch zu retten ist. Oder wie lustig finden Sie den Slogan: Heil Coca Cola?

Wenn der (ziemlich umstrittene) Regisseur Sebastian Baumgarten zu Beginn auf ein Flüchtlingsschiff verweist, dann ist das ein ziemlich wohlfeiles Alibi, mit der er sich in die Gegenwart retten will. Die im Gefängnis von Stuttgart/Stammheim anno 1976 inhaftierte Terroristin Ulrike Meinhof wird als neue Ophelia vom Opfer zur Täterin und zur Revolutionsikone stilisiert. Und was soll man vom Zitat halten: „Gewalt ist die Voraussetzung dafür, eine bessere Welt zu schaffen“. Das würde heute auch der IS unterschreiben.

Die hasserfüllte Elektra ist gerade gut genug, Heiner Müller als Plattform zu dienen: „Ich stosse allen Samen aus, den ich empfangen habe.- Ich ersticke die Welt, die ich geboren habe, zwischen meinen Schenkeln.“ Es hagelt von plakativen Ergüssen, die wie ein Manifest daherkommen: „Unseren täglichen Mord gib uns heute. Denn dein ist das Nichts Ekel.“ Und Heiner Müller wollte den Text als Komödie begriffen haben? Ausser ätzender Propaganda, Mord und Totschlag und etwas abgestandener Satire ist da kein Schmunzeln zu holen. Es sei denn der Leichenzug mit Karl Marx und die Kunstbefreiung mit Andy Warhols New Yorker Pop-Art Factory sollten besonders ulkig sein.

Die drei Hamlets mit den Masken von Ulbricht, Marx und Mao

Ein Spektakel der Masslosigkeit aus der modernen Trickkiste

Das Haus scheute keinen Aufwand, um dem illustren Komponisten und dem Regieteam sämtliche Wünsche zu erfüllen. Der Orchesteraufwand mit zusätzlichen acht Schlagzeugbatterien im Zuschauerraum ist exorbitant, der mausgraue Schiffsbauch von Barbara Ehnes mit unzähligen Videoeinspielungen aufwendig, der Personalaufwand enorm und die Hauptrollen mit Anne Ratte-Polle (Hamlet I), Matthias Reichwald (Hamlet II), Scott Hendricks (Hamlet III) und Nicola Beller Carbone (Ophelia) hochkarätig besetzt. Auch der Dirigent Gabriel Feitz, ein sicherer Wert für Grossproduktionen, war den kapitalen Herausforderungen mit glasklarer, raumgreifender Gestik gewachsen. Doch Müllers DDR-Frust und 40 Jahre deutsche Vergangenheitsbewältigung sind Altlasten, die zu schwer wiegen, um Rihms Opus die Zukunft zu sichern.

Weitere Vorstellungen: Januar 29,31 und Februar 2,7,11,14

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