StartseiteMagazinKulturZu Besuch bei Lena-Lisa Wüstendörfer

Zu Besuch bei Lena-Lisa Wüstendörfer

Die Dirigentin und Musikwissenschaftlerin Lena-Lisa Wüstendörfer ist ein Phänomen. Sie leitet zwei namhafte Chöre und zwei junge Orchester, war Assistentin von Claudio Abbado, ist Mahler-Exegetin und interpretiert am 26. März in der Tonhalle Händels „Belshazzar“.

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Joseph Auchter: Nach Händels „Messias“, einem Vivaldi-Programm, Mendelssohns „Paulus“ bringen Sie am Karsamstag mit dem Messias-Chor Zürich Händels Oratorium „Belshazzar“ in die Zürcher Tonhalle. Worauf dürfen wir uns freuen? Welchen Stellenwert nimmt das Werk in Händels Schaffen ein?

Lena-Lisa Wüstendörfer: Belshazzar ist eines der dramatischsten Werke Händels, dessen Inhalt sowohl auf biblischen als auch auf historischen Ereignissen beruht. Den Zuhörer erwartet packende, abwechslungsreiche Musik, gespielt vom Barockorchester Capriccio, dem rund 100 köpfigen Messias-Chor und fünf exzellenten Vokalsolisten.

Es handelt sich im weiteren Sinn um Aufstieg und Untergang eines Staates: Auf Wachstum und Hochblüte folgt Überheblichkeit, die schliesslich zum Verfall des Reiches führt. Im engeren Sinn geht es um den anmassenden assyrischen König Belshazzar, der sich über alle Völker und Religionen erhebt und zum zügellosen Trinkfest einlädt, an dem blasphemisch aus den heiligen Tempelgefässen der besiegten Juden getrunken wird. Hierauf erscheint von magischer Hand eine Schrift an der Wand, die den Untergang des Reiches prophezeit: „Mene, Mene, Tekel Upharsin“ – „Die Tage deiner Herrschaft sind gezählt, du bist gewogen und zu leicht befunden worden; dein Reich wird zwischen den Medern und Persern aufgeteilt“. Babylon wird schliesslich mit Kriegslist vom persischen Fürsten Cyrus erobert, der als idealtypischer ‚guter’ Herrscher den von ihm unterworfenen Völkern Respekt entgegen bringt und Religionsfreiheit gewährt. Obwohl das Oratorium 1745 seine Uraufführung erlebte, ist der Inhalt nach wie vor sehr aktuell.

Sie sind ein „shooting star“ in der aufstrebenden Dirigierszene, waren bereits in jungen Jahren Assistentin bei Claudio Abbado, leiten neben dem Messias-Chor auch den Berner Bach-Chor, das Uni-Orchester Bern, das Junge Orchester Basel, sind aber auch Gast bei renommierten Klangkörpern wie dem Zürcher Kammerorchester oder dem Luzerner Sinfonieorchester und träumen davon, in Ihrer Lieblingsstadt Paris zu dirigieren. Müssen wir bald nach Paris fahren, um Sie zu hören?

Ich bin dieses Frühjahr auch in den Schweizer Konzertsälen zu hören – nach Belshazzar in der Tonhalle Zürich etwa mehrmals im Kultur Casino Bern, z.B. mit César Francks Symphonie in d-Moll, dem Tuba-Konzert von Vaughan Williams oder mit Verdis Requiem.

Der Messias-Chor unter Lena-Lisa Wüstendörfer in der Tonhalle Zürich                            

Bilder: Tina Sturzenegger und Christine Bärlocher

In der Arbeit mit engagierten Laien und Studierenden sind Sie entsprechend auch pädagogisch gefordert. Dabei wachsen die Musizierenden mit jeder Einstudierung eindrücklich über sich hinaus, wie die Konzertbesuche belegen. Was ist Ihre Motivation, diese Knochenarbeit zu leisten?

Als Dirigentin möchte ich jeden Klangkörper, mit dem ich arbeite, zur Höchstleistung motivieren. Die Chorszene spielt sich in der Schweiz – mit Ausnahme von Opernchören und wenigen Vokalensembles – vor allem im Amateurbereich ab. Der Messias-Chor Zürich und der Berner Bach Chor sind zwei grosse, begeisternde Chöre, mit denen ich bereits sehr schöne Konzerte realisieren durfte. Die intensive Probenarbeit ermöglicht uns, dem Werk inhaltlich und musikalisch gemeinsam auf den Grund zu gehen. Mir macht die Arbeit mit so passionierten Chorsängerinnen und –sängern ganz einfach Freude. Um meine verschiedenen Engagements unter einen Hut bringen zu können, unterstützen mich in den Einstudierungsphasen zwei Assistenten.

Sie haben sich auch in der Musikwissenschaft einen Namen gemacht, zuletzt als Herausgeberin eines Bandes zur jüngeren Mahler-Rezeption. Was sind darin die wesentlichen Erkenntnisse?

Der Band nimmt die intensive Auseinandersetzung mit Mahlers Musik im aktuellen Musikleben als Grundlage für eine Standortbestimmung der heutigen Mahler-Interpretation. Zu Wort kommen Experten aus der Musikwissenschaft sowie renommierte Interpreten, die das heutige Mahler-Verständnis greifbar werden lassen. Wir gehen da etwa Fragen nach, warum Mahler gerade heute so populär ist oder wie seine Musik auf Originalinstrumenten um 1900 klang.

Und nun am Abend vor Ostern „Belshazzar“: Sie brachten das Oratorium bereits 2010 in der Neumünsterkirche Zürich zur Aufführung, dann folgte 2014 (nach 2008) ein umjubelter „Messias“ in Zürichs berühmtem Konzertsaal. Folgt nun die „Bewährungsprobe“ im Flaggschiff Tonhalle?

Jede Live-Situation ist gewissermassen eine „Bewährungsprobe“. Die Vorbereitungen für das Konzert laufen daher auf Hochtouren. Mit dem Barockorchester Capriccio konnten wir glücklicherweise ein renommiertes Spezialistenensemble gewinnen, und auch die Stimmen der fünf Vokalsolisten sind ein Hörgenuss. Grossartig wäre nun natürlich, wenn wir Händels Belshazzar wieder vor einer ausverkauften Tonhalle erleben dürften.

Frau Wüstendörfer, wir bedanken uns für dieses Gespräch und wünschen Ihnen für „Belshazzar“ die Bestätigung Ihrer Zielsetzung.

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G.F. Händel «Belshazzar», 26. März, 17 Uhr, Tonhalle Zürich, Messias-Chor Zürich  

Capriccio Barockorchester, Leitung: Lena-Lisa Wüstendörfer

Marelize Gerber (Sopran), Erlend Tvinnereim (Tenor), Solenn› Lavanant-Linke (Mezzo), Terry Wey (Altus), Marian Krejcik (Bass)

Vorverkauf: Billettkasse Tonhalle Zürich, Tel.: +41 44 206 34 34

 

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