Luzern will kein neues Theater, der Aargau keine Unterstützung mehr für Zürichs Kultur und die ETH das Rätoromanisch nicht mehr unterstützen. Die Erbsenzähler haben Hochkonjunktur.
Das Projekt hätte Luzern die kulturelle Krone aufgesetzt: die „Salle Modulable“, eine variable Mehrzweckbühne, jenseits des Guckkastenprinzips, welche das ohnehin sanierungsbedürftige Stadttheater ersetzt hätte, das nun ohne diese Gelder für 40-80 Mio. renoviert werden muss. Erst deuteten die 120 Mio. Franken, die der Mäzen Christof Engelhorn einspeisen wollte, auf die erfolgreiche Fortsetzung des KKL-Wurfs hin. Das juristische Gerangel nach seinem Tod liess die Summe dann auf 80 Mio. schmelzen, und nun setzte der Luzerner Kantonsrat auch diesen immer noch beachtlichen Zustupf und die von Sponsoren zugesagten 35 Mio. mit 62 zu 51 Stimmen in den Sand.
Natürlich steht es um die Finanzen nicht rosig, doch das haben sich die Leuchtenstädter mit ihrer verkalkulierten Steuerpolitik selber zuzuschreiben. Ein provinzieller Krämergeist nahm so weit überhand, dass die Wertschöpfung, die das KKL für den Tourismus, das Gewerbe und die Wirtschaft erbringt, wieder einem kleinkarierten Renditedenken gewichen ist. Das Vermächtnis von Pierre Boulez, dem eminenten Förderer und Befürworter eines offenen Musiktheaters, ist mit ihm zu Grabe getragen worden, und auch das flammende Bekenntnis von Simon Rattle für den Kulturraum Luzern vermochte die Hasenfüsse nicht umzustimmen. Ganz bitter ist der Entscheid für den Intendanten Michael Haefliger, der sein ganzes Prestige für das Projekt in die Waagschale warf. Luzern hat ihm eigentlich alles zu verdanken, was das KKL zum Leuchtturm im europäischen Festspielprogramm werden liess: Undank ist der Welt Lohn, und es würde nicht überraschen, wenn er dieser Seldwylerei den Rücken kehrte.
Neu ist auch, dass sich der Kanton Aargau – und auch hier die ewigen Neinsager – überlegen, ihre jährlichen Beiträge an die Zürcher Hochkultur von 5,2 Mio. zu sistieren, denn mitreden könne man ohnehin nicht. Der Zuger Regierungsrat Stephan Schleiss stösst ins gleiche Horn. Er bedauerte, z.B. bei der Sanierung von Kongresshaus und Tonhalle kein Mitbestimmungrecht zu besitzen. Mit Verlaub: Stadt und Kanton Zürich leisten jährlich 140 Mio. an ihre überregionalen Kulturinstitute, und der schwerreiche Kanton Zug „schmürzelt» mit 2,6 Mio. an Zürich und Luzern, ein lächerliches Feigenblatt. Ob eine Statistik über Besucherzahlen oder gar unterschiedliche Tarife für Einheimische und Kulturwanderer hier der Weisheit letzter Schluss wären, ist doch stark zu bezweifeln. Dass die Zürcher SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr zu bedenken gibt, damit seien auch andere Konkordate gefährdet ( z.B. Hochschulen, Spitzenmedizin, Strafvollzug), zeigt auf, wie kleinkariert hier eigentlich argumentiert wird. Der bestehende Kulturlastenausgleich (ILV) belastet die Nachbarkantone keineswegs über Gebühr. Aber Solidarität ist leider ja nur noch ein Kernwort für die Erstaugust-Ansprachen.
Zugeknöpft gibt sich auch die ETH in Sachen Mitfinanzierung des Rätoromanischen: „Aufgrund des Spardrucks muss sich die ETH verstärkt auf ihr Kerngeschäft konzentrieren.“ Man opfert also die vierte Landessprache, weil sie „kein Geschäft“ ist. Seit wann ist denn die Unterstützung von Minderheiten ein Geschäft? Auch hier wird der einst stolzen eidgenössischen Konkordanz und Solidarität ein Dolchstoss versetzt.
Die Erbsenzähler sind allerdings auch in Zürich unterwegs: Dem neu projektierten Fussballstadium im Hardturm drohen schon wieder die alten Klagen vom „Schattenwurf“, der dereinst nahe gelegene Gärtchen beeinträchtigen könnte. Und dem ZSC, der in Altstetten endlich einen eigenen, wirtschaftlich betriebenen Eishockeytempel zu erhalten hofft, soll die Schrebergarten-Mentalität der Grünen einen Strich durch die Rechnung machen, obwohl dort jede Pflanzparzelle Realersatz erhält. Ob Kultur, ob Sport: Die erwünschte Weitsicht weicht leider immer mehr der Missgunst und engstirnigen Grabenkämpfen von Bünzli-Schweizern. Ob das nur ein Anfang ist?