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Bauen ohne Hindernisse

Ein barrierefreier Zugang zu Bauten, Anlagen und Verkehrsmitteln ist für ältere Menschen die Voraussetzung für eine autonome Lebensweise auch im (hohen) Alter.

Die Schweiz hat hier – im Vergleich zu vielen Nachbarstaaten – noch grossen Nachholbedarf. Nicht nur Altbauten sind vielerorts für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen schwer zugänglich, auch bei Neubauten trifft man immer wieder auf «Sündenfälle», die mit guten architektonischen Konzepten, mit Verständnis und gutem Willen ausgemerzt werden könnten.

Man braucht nicht behindert zu sein, um behindert zu werden. Hohe Schwellen und Treppenstufen, enge Treppenhäuser oder Lifte, so vorhanden, die nur über mehrere Stufen zu erreichen sind. Die Liste der Baumängel und -Sünden ist lang. Dabei steht im Artikel 8 der Bundesverfassung vom 18. April 1999:

«Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.“

Das Alter ist also in diesem Diskriminierungsverbot klar mit erwähnt. Wenn Seniorinnen und Senioren vermehrt die Feststellung machen, dass sie durch bauliche Erschwernisse eingeschränkt und behindert werden, verzichten sie immer öfter auf den Gang aus den eigenen vier Wänden. Sie werden somit aus der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, diskriminiert. Der Gang zum Einkaufen wird zum Hürdenlauf, ebenso oft auch der Besuch eines Amtes oder einer Arztpraxis.

Von Kriegen verschont geblieben

Einer der Gründe, weshalb die Schweiz in dieser Beziehung schlechter dasteht als viele Nachbarländer und vor allem auch als die Vereinigten Staaten, liegt darin, dass die Schweiz – glücklicherweise – von Kriegen verschont geblieben ist. In Ländern, die in der Vergangenheit in Kriege verwickelt waren, kennen viele Familien in ihren eigenen Reihen kriegsversehrte Personen, die sich nur mit Gehilfen oder gar nur im Rollstuhl bewegen können. Da macht eine umfassende Barrierefreiheit von Bauten und Verkehrsmitteln den wesentlichen Unterschied. Die schiere Zahl der Betroffenen, mobilitätseingeschränkten Menschen, machte also in diesen Ländern genug Druck, um „behindertengerecht“ oder „rollstuhlgängig“ zu bauen.

Nun sagen Sie vielleicht: „Aber Alter ist doch keine Behinderung“. Zu Recht. Aber: Von einer Bauweise, die für gehbehinderte oder gar im Rollstuhl lebende Menschen Zugänglichkeit gewährleistet, profitiert ein weit grösserer Personenkreis, als nur der Kreis der Menschen mit Behinderungen. Es sind dies Eltern mit Kinderwagen, Reisende mit vielen und grossen Gepäckstücken – und dann eben ältere und alte Menschen. Am deutlichsten wird einem dies auf Bahnhöfen. Musste man sich und sein Gepäck früher über eine der beiden schmalen und hoch gelegenen Türen an den beiden Enden der Eisenbahnwagen wuchten (die zudem noch oft schwer zu öffnen waren), ermöglichen die breiten Schiebetüren des modernen Rollmaterials auf Peron-Niveau den oben erwähnten Personengruppen einen leichten Zugang. Und letztlich profitieren auch die Bahnbetreiber, wie etwa die SBB davon: erleichterter Zugang beschleunigt das Aus- und Einsteigen, dadurch können Haltezeiten reduziert und Fahrpläne verdichtet werden.

Wenn Denkmalschutz höher gewichtet wird

Erst kürzlich bemängelte die NZZ die Zugänglichkeit und Barrierefreiheit des neuen, am 1. August 2016 eingeweihten Erweiterungsbaus des Schweizerischen Landesmuseums (NZZ vom 14.09.2016). Besonders ärgerlich und störend ist es, wenn bei der Güterabwägung zwischen Denkmalschutz und hindernisfreiem Zugang der Denkmalschutz höher gewichtet wird. Dazu ein Zitat des berühmten Basler Architekten Jacques Herzog: „Hindernisfreies Bauen? Wo ist das Problem?“ Er betrachtet die Umsetzung eher als eine Frage des Könnens und des Wollens.

Die Schweizerische Fachstelle für Behindertengerechtes Bauen an der Kernstrasse 57 in Zürich berät auch zum Thema altersgerechtes Bauen/Umbauen. www.hindernisfrei-bauen.ch. Ihre Broschüre „Altersgerechte Wohnbauten“ enthält die überarbeiteten Planungsrichtlinien. Sie kann mit einer Mail an info@hindernisfrei-bauen.ch oder über Telefon 044 299 97 97 kostenlos bestellt werden. Auch die Organisationen Pro Infirmis www.proinfirmis.ch und Pro Senectute www.prosenectute.ch informieren auf ihren Webseiten über barrierefreies Bauen.

PS: Wie erleben Sie den Alltag in Bezug auf Zugänglichkeit und Barrierefreiheit? Kennen Sie besonders mangelhafte Situationen? Oder auch besonders vorbildliche? Ihr Kommentar (siehe unten) interessiert uns.

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Mark Zumbühl (64) , wohnhaft in Pontresina und Zürich, war bis Sommer 2016 während 17 Jahren Geschäftsleitungsmitglied der Pro Infirmis Schweiz, zuständig für Kommunikation, Werbung und Fundraising. Zuvor war er 16 Jahre Journalist bei Radio, TV und Print. Mark Zumbühl ist verheiratet und Vater von 2 erwachsenen Kindern. Wir (die Redaktion Seniorweb) heissen Mark Zumbühl als neuen Autor und Kolumnisten herzlich willkommen.

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