Einsamkeit ist leise und kommt schleichend. Wenn Einsamkeit nicht gewünscht ist, kann Nachbarschaftshilfe tragfähige soziale Kontakte schaffen.
Vermutlich gönnen wir uns heute eher zu wenig Einsamkeit oder Alleinsein für Selbst-Reflexion und Musse. Wenn beim Älterwerden der Wunsch nach Alleinsein stärker wird, hat es häufig den Grund, das eigene Leben Revue passieren zu lassen, Abschied zu nehmen von Gegenständen, Erinnerungen und Beziehungen. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese gewollte Einsamkeit, wohl eher Allsein-Wollen sehr unterstützend ist für ein friedvolles Sterben.
Wenn die Einsamkeit eher ein Verkümmern der persönlichen Beziehungen ist, ein Rückzug auf die eigenen vier Wände, kein Kontakt mit der Aussenwelt ist das etwas anderes. Durch mögliche Unsicherheit beim Gehen, durch die fehlende Kraft, den eigenen Haushalt mit Kochen und Putzen zu meistern, werden Kontakte, sogar immer mögliche Telefonate schwierig. Nicht selten vermindern sich Lebensmut und –kraft und die Gesundheit leidet, im wörtlichsten Sinn.
Auch wenn diese körperlichen Ressourcen abnehmen, haben wir Menschen immer noch andere Ressourcen, die wir nutzen und austauschen können. Wenn jemand beeinträchtigt ist beim Gehen, kann er/sie vielleicht noch vorlesen, spielen, zuhören, Sprachen trainieren, usw. Und damit sich und anderen eine Freude bereiten. Damit ist es oft auch möglich, dass Menschen weiter zuhause wohnen bleiben können, die Angehörigen entlastet werden.
In den Mitglieder-Befragungen ist häufig Einsamkeit der Beweggrund, sich bei KISS zu engagieren. Die meist monatlich veranstalteten KISS Kafi, die gemeinsamen Mittagstische, Fremdsprachtrainings, Bewegungsübungen, Meditation, gemeinsame Gartenfeste, Spaziergänge, Betreuen von Schulkindern bei Aufgaben, usw. werden sehr geschätzt und gut besucht, weil sie den Kitt untereinander stärken. Nicht selten organisieren die Mitglieder Aktivitäten mit der Zeit selber und freuen sich noch mehr daran.
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Dank „KISS – Nachbarschaftshilfe für Jung und Alt“ können Menschen im Alter oder in schwierigen Situationen zuhause bleiben und werden gut betreut durch erfahrene und liebenswürdige Freiwillige – ohne Kosten. Die Freiwilligen werden mit Zeitgutschriften honoriert, die sie für schwierigere Zeiten ansparen, sofort brauchen oder anderen Menschen verschenken können. KISS bedeutet: «Keep it small and simple». Eine überschaubare Gruppe von sich vertrauenden Menschen (small) geben und nehmen auf einfache unbürokratische Art (simple) Unterstützung.
Bei KISS können alle Generationen und Menschen mitmachen. KISS ist genossenschaftlich organisiert: Eine KISS-Genossenschaft beschäftigt eine Geschäftsleitung und Koordinatorinnen, die passende Menschen für Dienstleistungen zusammenbringt und sie begleitet; denn solche Unterstützung braucht gegenseitiges Vertrauen und Achtsamkeit im Umgang. Alle Stunden sind gleich viel wert, egal ob sie mit Buchhaltungsarbeit oder Spielen erbracht werden. Dafür gibt es Zeitgutschriften, die sofort oder später bei bedarf eingezogen werden können. Garantie dafür gibt es aus steuerrechtlichen Gründen keine: Es liegt an den Genossenschaftsmitgliedern längerfristig Leistungen durch aktives Mittun sicherzustellen.
Seit 2012 gibt es nun neun Genossenschaften in der Schweiz, weitere werden laufend gegründet. Etwa 1’300 Mitglieder leisten von 1’500 bis ca. 7’000 Stunden Freiwilligenarbeit pro Jahr und Genossenschaft. Gerade sozial Schwächere schätzen KISS, weil die Dienstleistungen kein Geld kosten und liebevoll verrichtet werden.
Kontakt: Susanna Fassbind, Zug, fassbind@kiss-zeit.ch
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Rund 1,2 Millionen Menschen in der Schweiz sind über 75 Jahre alt. Davon fühlt sich jeder Dritte laut einer Gesundheitsbefragung des Bundesamts für Statistik häufig oder manchmal einsam. Unter dem Titel «Einsamkeit» veröffentlicht die Seniorweb-Redaktion bis Mitte August eine Serie zur Einsamkeit im Alter mit hilfreichen Hinweisen und Tipps, wie Sie Ihr Beziehungsnetz ausweiten, sich mehr engagieren und wo Sie Hilfe holen können.
Links zu bereits erschienenen Beiträgen:
– Einsamkeit gehört zum Alter (Judith Stamm)
– Macht Facebook einsam? (Josef Ritler)
– Raus aus der Isolation (Bernadette Reichlin)